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geschrieben von Eckhardt (Eckhardt).
Veröffentlicht: 21.04.2024. Rubrik: Unsortiert


Der Junge mit der verkrüppelten Hand

Während meiner zweiten Ehe hatte ich Gelegenheit, ein besonderes Studium zu betreiben. Das Studium der Beziehungen zwischen Müttern und Kindern speziell am Sandkasten.
Väter waren da weniger erwünscht, höchstens am Nachmittag, wenn der Papa von der Arbeit kam und sein Kind gleich mitnehmen konnte.
Ich hatte da eine Sonderstellung: die Frauen akzeptierten mich fast als Vollmitglied der ehrenwerten Sandkastenrunde, weil ich ihnen die ach so traurige Geschichte meiner Frau und deren Kind, auf das ich aufpasste, erzählt hatte. Da schossen die Muttergefühle ins Kraut und ich war stets auf der Mütterbank willkommen.
Eines Tages sah ich ein neues Kind, einen Jungen, er mochte gerade 3 Jahre alt sein. Seine Mutter unterhielt sich intensiv mit einer Nachbarin und er bemühte sich verzweifelt, sein kleines Dreirad durch den Sand zu schieben. Was es ihm so schwer machte, war seine rechte Hand, die verkrüppelt zu sein schien. Verkrampft war sie zu einer kleinen Faust geballt, dazu unnatürlich abgewinkelt, nicht in der Lage zuzufassen und ihm bei seinem schweren Hand – Werk behilflich zu sein.
Jetzt wurde die Mutter aufmerksam: „Was hast Du denn da?“ schimpfte sie und nahm sich seiner verkrüppelten Hand an. Fast gewaltsam löste sie die kleinen Finger auseinander, der Junge schrie aus Leibeskräften. Jetzt wurde seine Behinderung sichtbar: etwas Braunes, schmierig Verklebtes war zu sehen. „Ich hab Dir doch gesagt, dass Du die Schokolade sofort essen und nicht aufheben sollst!“
Ein Taschentuch, ein bisschen Sand als Seifenersatz, ein neues Stück Schokolade, jetzt aber gleich in den Mund und die Behinderung war beendet.
Ich habe noch oft an den Jungen mit der selbst gewählten Behinderung gedacht. In Bezug auf meine Ehe und vieles andere. Erst etwas Wertvolles, dann durch mein Festklammern zu etwas verkommen, das nicht nur aussah wie ein Stück Scheiße, sondern das mich auch in meinem Fortkommen behinderte.
Höchst i. Odw. 1994

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