Veröffentlicht: 15.01.2024. Rubrik: Unsortiert
Einmal im Jahr: Moorlage
16.9.21 Einmal im Jahr: Moorlage
Mindestens einmal im Jahr muß ich nach Marmstorf fahren. Dort wohnte ich als kleines Mädchen zur Einschulzeit. Ich mache dann meinen ersten Schulweg. Die Straßennamen und Gelände sinderhalten, ansonsten hat sich vieles verändert. Aus der dörflichen Gemeinde, südlichster Stadtteil von HH, ist ein stark bebautes Gebiet geworden. Aber neulich – oh Wunder – habe ich per Zufall sogar noch 2 Kornfelder entdeckt. Nostalgie befällt mich: Erinnerung an Nachbuddeln auf dem abgeernteten Kartoffelacker, im Herbst
die Stoppelfelder, wo im Sommer Kornblumen, Mohn, Margeriten und z.T. Vergißmeinnicht die wogenden Kornfelder umringten (damals war es noch gesund ohne Unkrautvertilger)
Meine Einschulung war also in Marmstorf, die Schule am Feuerteich, wir wohnten in der Straße Moorlage, bezeichnend die Moorwiesen und -Gräben hinter der Häuserreihe, in denen wir herrlich spielten – oft in größeren Gruppen. Die Gräben werde ich nie vergessen. Gezogen natürlich, um das
Land zu entwässern, herrlich weißer Sand und kleine Kiesel auf dem Grund derselben. Grashüpfer und Frösche hatten wir in unseren kleinen Händen und den leckeren Sauerampfer im Mund.
Die Gräben waren aber z.T. breit und mußten überwunden werden, wenn man Richtung Sinstorf wollte. Da waren dann die Großen groß und stellten sich breitbeinig über den Graben und hoben die Kleinsten rüber. Das ist einmal mißlungen und meine jüngere Schwester fiel ins Moorwasser.
Die Großen, die Gruppe – alle weg und ich einsam – in solcher Situation, besonders als Kind, ist man wirklich einsam! - verzweifelt und gellend schreiend vor Hilflosigkeit und Entsetzen – abe reine Rettung kam mit riesigen Schritten heran. Ein junger Mann aus der Nachbarschaft lief mit fast rechteckigen Beinscheren zu uns und holte meine Schwester heraus. Sie wurde dann in deren Hof in die Regentonne gesteckt, mehr erinnere ich nicht, aber das Gefühl verläßt mich nicht und kommtmit dem Besuch der Moorlage hoch.
Wir waren fast alle bettelarm, alle Familien kriegsgeschädigt, aber dennoch hatten wir mit Sicherheit eine bessere, gesündere, anregendere Kindheit als die Kinder heute. Wir hatten nur Blechbüchsen, aber damit kann man wunderbar Sandsuppe machen…
Und mein Marmstorf bleibt im Herzen, der Feuerteich, wo die kleinen Jungen Wasserflöhe mit Ketschern fingen und die Henne aufgeregt nach ihrer Brut (einem untergelegten Entenei) gackerte, dieser Feuerteich existiert immer noch und ist Mittelpunkt eines runden Dorfes aus riesigen
reetgedeckten Bauernhäusern, die noch existieren.
Einmal im Jahr muß ich meinen ersten Schulweg machen und sehe und fühle immer wieder das ländlich Idyll meiner armen Kindheit.