Veröffentlicht: 13.01.2019. Rubrik: Unsortiert
die kaputte zeit
karl rief ueber whatsapp bei klaus an und wollte wissen, wie denn die letzte vernissage war. klaus war nicht mehr der juengste, aber hatte es immer eilig. "...du kannst mich ja spaeter nochmal anrufen, im moment habe ich keine zeit!". karl war verdutzt, das hoerte er jetzt oefter von seinen alten freunden im westen. warum haben sie dort alle keine zeit!? er hatte doch so viel zeit. wenn jetzt schon kuenstler und aeltere menschen keine zeit mehr haben, dann ticken die uhren dort nicht mehr richtig.
am naechsten tag schickte klaus eine mail, dass die vernissage mittelmaessig war und die katologe verlust eingefahren haetten. die kuenstler seien zu ehrgeizig, zu teuer. karls neue kurzgeschichte finde er nicht schlecht, müssiggang wuerde hier aber nicht den nerv der zeit treffen. die leute seien alle nur hinter dem erfolg her. “und der erfolg rennt hinterher. ihr gebt ihm nichtmal ein taschentuch fuer den schweiss auf der stirn", antwortete karl trocken.
klaus war sein leben lang photograph. sein thema: romantisch dramatische portraits von schoenen frauen. das konnte er sehr gut, er hatte die augen und phantasie wie er die schoeheiten in den richtigen kontext stellen konnte. er liebte die frauen.
frueher waren beide oefter unterwegs, klaus lebensgefaehrdin vera kam auch oft mit. sie diskutierten und zogen durch die kneipen und feierten. vera war eine juedische intellektuelle mit wachem verstand, kuenstlertyp. sie war dunkel und schoen. klaus photographierte sie sehr gerne in allen moeglichen licht sphaeren. die bilder wurden immer ein hit. vera mochte karl und sagte er sei spezial. karl genoss dieses kompliment. die groesste beleidung waere es gewesen, wenn jemand das gegeteil behauptet haette. ihre geistigen positionen ueberschitten sich.
vera war aber nicht immer mit von der partie. klaus und karl gingen dann auf pirch nach sexuellen abenteuern. klaus war erfolgreicher als karl, er hatte das gewisse etwas. karl war zu spezial, wie vera gesagt haben wuerde und nur intellektuelle frauen machte das neugierig. oft trat er dann alleine den heimweg an. er war ein loner, ein kompromissloser einzelgaenger. das war so wie es ist und es war ok. er war nie wirklich einsam.
eines nachts, er hatte sich gerade in seine koje gehauen, klingelte es. es war schon nach drei uhr morgens. wer kommt denn jetzt noch! es war vera, stockbesoffen und sie wollte in sein bett. dass beide blau waren, stoerte die vereinigung zweier verwandter geister nicht. es war eine schoene nacht und sie dauerte bis zum spaeten morgen.
vera verschwandt dann ziemlich lautlos, sie schaemte sich, weil sie klaus mit seinem besten freund betrogen hatte. karl sah die nacht nicht so dramatisch, da er ja wusste, wie oft klaus vera betrogen hatte. dass es der beste freund war, fand karl eher besser als schlechter. das war ihm schon oeffter passiert und was ist schon die beste freundschaft wert, wenn eine frau sie zerstoeren kann!
als ihn klaus fragte, ob er mit vera geschlafen hat, log karl nicht. er hasste luegen speziell in so einem fall. haette er gelogen waere die freundschaft keine mehr gewesen, es waere betrug gewesen. der eitle frauenliebling klaus sah das anders und war gekraenkt, verunsichert. kurze zeit spater trennten sich klaus und vera. vera war sauer auf karl, dass er die wahrheit gesagt hatte. es dauerte eine ewigkeit bis klaus wieder mit karl redete, aber richtige freunde wurden sie nicht mehr.
klaus war jetzt im kunst business und hatte wenig zeit. karl schrieb und vera verschwand bis heute aus seinem gesichtskreis. im westen sind muessiggaenger wie karl nicht mehr gefragt. man hat keine zeit fuer muesiggang. gottseidank lebt er in asien.