Veröffentlicht: 08.10.2023. Rubrik: Fantastisches
Drachentöter
Der Drache tyrannisierte seit Monaten das Königreich und der König suchte verzweifelt nach einem Drachentöter. Jeder tapfere Mann seines Königreichs, der sich als Held versuchen wollte, oder dringend eine große Menge Gold benötigte, die der König dem Drachentöter versprochen hatte, war bereits gescheitert.
Doch eines Tages klopften gleich zwei Menschen an sein Tor und wollten es gerne versuchen. Der eine war ein Mann, hoch wie ein Baum, mit stählernen Muskeln und dabei so wendig, wie eine Katze. Er hatte eine glänzende Rüstung und ein Schwert, so scharf, dass es Felsblöcke durchschneiden konnte. Noch dazu folgte ihm eine Gruppe von circa 20 Soldaten.
Der König war überzeugt, dass dieser mächtige Krieger, der Drachen bezwingen würde.
Die zweite Person, die es gerne versuchen wollte, war eine Frau. Sie hatte lange schwarze Haare und einen durchtrainierten Körper, wie der König ihn noch nie bei einer Frau gesehen hatte.
Nie hätte er geglaubt, eine Frau, würde einen Drachen bezwingen können, doch der entschlossene Blick dieser Frau, die Art, wie sie ihr Schwert, zur Demonstration ihrer Fähigkeiten, herum schwang, ließ ihn seine Zweifel über Bord werfen. Vielleicht war das ja die Lösung. Vielleicht würde eine Frau dieses Ungeheuer bezwingen.
Jeder allein hätte wohl die beste Chance, den Drachen zu besiegen. Doch beide zusammen würden wohl unschlagbar sein. So beschloss der König sie beide zusammen los zu schicken, den Drachen zu töten.
Der Krieger fühlte sich sogleich in seiner Ehre gekränkt, hatte er es doch schon mit Trollen, wilden Bären und Rudeln von tollwütigen Wölfen aufgenommen. Und nun gab ihm der König eine Frau zur Unterstützung mit. Den ganzen Weg, hinauf in die Berge, schmollte er vor sich hin. Grummelnd schritt er voran, gefolgt von seinen Soldaten. Die meisten von ihnen begleiteten ihn schon seit mehr als drei Jahren. Es war ein natürlicher Auswahlmechanismus. Jeder konnte sich ihm anschließen, aber nur die Besten überlebten das erste Jahr. Erst dann begann er sich ihre Namen zu merken.
Die Schwarzhaarige folgte ihnen. Sollten sie ruhig vor gehen und den Drachen reizen. Wenn er die Soldaten in ihren blitzenden Uniformen verschlungen hatte, würde ihr Moment kommen. Sie wusste, dass der große Krieger sie unterschätzte. Alle Männer taten das. Aber sie würde es allen beweisen.
Die Landschaft wurde karger, je weiter sie liefen. Zwischen den Felsen ragten verkohlte Baumstämme hervor. Und immer öfter stießen sie auf zerbeulte Schilde, im Boden steckende Lanzen und verkohltes Wandergepäck. Dann sahen sie die Drachenhöhle. Die Männer des Kriegers verteilten sich um die Höhle herum und der Krieger selbst, postierte sich neben dem Eingang, das Schwert in der Hand, bereit loszuschlagen.
Sie hörten ein tiefes brummen und schon schoss der Drache aus der Höhle. Alleine der Luftzug, seines massigen Körpers, brachte den Krieger kurz aus dem Gleichgewicht. Er verpasste die Gelegenheit mit dem Schwert zuzustechen und der Drache spie Feuer. Der mächtige Krieger und ein Teil seiner Soldaten wurden in ihren Rüstungen gegrillt. Schnell schnappte der Drache nach einigen der anderen Soldaten. Doch mit Rüstung schienen sie ihm nicht zu schmecken und er spuckte sie, halb zerkaut, wieder aus.
Vier oder fünf der Soldaten ergriffen die Flucht, zwei versteckten sich hinter Felsen.
Die schwarzhaarige Kriegerin sah ihren Moment gekommen und stürzte sich auf das grün geschuppte Untier. In dem Moment, wo sie mit ihrem Schwert zu stechen wollte, schlug der Drache mit den Flügeln und wischte sie geradezu weg. Sie schlitterte über den Boden und prallte gegen einen Felsen. Noch bevor sie sich wieder aufgerappelt hatte, schnappte der Drache nach ihr und verschlang sie mit Haut und Haaren.
Zufrieden schlug der Drache mit den Flügeln und sah sich nach den verbliebenen Soldaten um. Doch schienen sie alle geflohen oder getötet. Dann sackte der Drache ächzend zusammen. In seinem Genick steckte ein Schwert und auf seinem Rücken hockte einer der Soldaten. Der Körper des Drachen brach auf dem Boden zusammen und der Soldat sprang geschickt von seinem Rücken.
Vorsichtig lugte ein weiterer Soldat hinter einem Felsen hervor. Mit großen Augen starrte er den toten Drachen und den danebenstehenden Soldaten an. Zusammen machten sie sich auf den Weg, zurück in den Palast.
Der König jubelte und im ganzen Land wurde gefeiert. Der Drachentöter bekam reichlich Gold und eine imposante Statue auf dem Marktplatz. Ob er noch weitere Drachen bezwungen hat? Ob er sein Geld in der Kneipe verprasst hat? Ob er sich ein herrschaftliches Anwesen gekauft hat? Man weiß es nicht.