Veröffentlicht: 02.09.2023. Rubrik: Aktionen
C'est la vie - Eine bedeutsame Allerweltsgeschichte
Der Junge und das Mädchen hatten sich in jenem Sommer ganz besonders eng angefreundet.
Sechs Wochen Schwärmerei, die zu ehrlich für ihr Alter war, um sie auszusprechen. Morgen würden die Ferien zu Ende gehen und beide in ihre Schulen zurückkehren, zurück zu den Freunden und Freundinnen, die sie sechs Wochen lang nicht gesehen hatten.
In den letzten Wochen verbrachten die beiden viel Zeit miteinander. Erzählten sich Dinge, die eigentlich peinlich waren oder verletzlich machten.
Sie vertrauten einander.
Auf einer Party vor ein paar Tagen, hatte der Junge einen Kumpel gebeten, dem Mädchen aufzutragen - sollte sie in dem Spiel die "Pflicht" der "Wahrheit" vorziehen - ihn zehn Sekunden auf den Mund küssen zu lassen.
Das dreißig daraus wurden und sie sanft ihre Zunge benutzte, ließ sein Herz bis unter die Schädeldecke schlagen.
Aber der Junge hatte kein großes Selbstbewusstsein. Fühlte sich dem Mädchen näher, als er es von ihr annahm. Sah sich womöglich als uninteressanter an, als sie es tat.
Er hatte das Herz dabei, seinen Mut ließ er am letzten Tag der Ferien aber daheim. So verging der Abend, an dem sie gemeinsam einen gefühlvollen Song, den sie beide sehr mochten, wieder und wieder hörten.
Obwohl es die schönsten Wochen für den Jungen waren, die er nie vergessen würde, blieb das kleine Schlüsselanhänger-Herzchen, daß er ihr geben wollte, in seiner Hosentasche.
Ihn plagte eine zu große Angst, sie würde sagen: "Das hast du falsch verstanden, ich bin in jemand anderen verliebt. Du bist aber mein bester Freund", dass er entschied den Zauber, den sie miteinander hatten, so zu belassen, wie er war.
Und er ahnte genau, dass er seine Selbstzweifel damit zu seinem König krönte.
Ab dem nächsten Tag verloren sie sich langsam immer mehr aus den Augen.
Der Junge lernte neue Freunde kennen und ein Mädchen, in das er sich verliebte, sie heiratete und Familie gründete.
Auch ihr erging es so.
Beide fanden ihr Glück im Leben.
Immer, wenn sie sich im Laufe der nächsten Jahre zufällig wieder begegneten, schenkten sie sich ein vertrautes Lächeln und einen zarten Gruß mit blitzenden Augen aus der Entfernung.
Dreissig Jahre waren vergangen, als sie sich zufällig auf einer öffentlichen Feierlichkeit trafen und ins Plaudern kamen.
Beide waren nervös, weil soviel Leben vergangen war und sie sich nie ausgesprochen hatten.
Sie erzählten sich von ihrem jeweiligen Glück mit ihren Partnern und ihren beruflichen Werdegängen, als plötzlich der Anfang ihres gemeinsamen damaligen Liedes aus den Musikboxen hauchte.
Beide mussten schmunzeln, nahmen sich bei der Hand und tanzten in einer engen langsamen Endlosdrehung, zurück in alte Zeiten.
Der Mann hatte sein Herzchen längst nicht mehr dabei, aber dafür seinen Mut, der heute gar nicht mehr so groß sein musste.
Er gestand ihr endlich:
"Ich war damals bis über beide Ohren in dich verliebt, habe mich aber nicht getraut es dir zu gestehen."
Die Frau nahm sanft seinen Kopf zwischen ihre Handflächen und flüsterte ihm zu:
"Mir ging es ebenso, wieso nur, hast du nichts gesagt?"
Sie schenkten sich einen langen Blick, in dem ein winziger Hauch verpasste Sehnsucht weinte.
Sie haben sich seitdem nicht mehr wieder gesehen, aber beide haben ganz gewiss noch häufig an ihren letzten Ferientag 1980 zurückgedacht, als sie zwei schüchterne Teenager waren, die etwas vergehen ließen, was für immer unumkehrbar wurde.
Und an die Tragweite einer einzigen Entscheidung, unabhängig ob sie richtig, falsch oder beides war.
Und an ein glückliches Leben, das sie trotzdem führten.
C'est la vie! So ist das Leben!