Veröffentlicht: 01.07.2023. Rubrik: Unsortiert
GEDANKENWEHR
Was, wenn e s die Gedankenwehr tatsächlich gäbe, zu lesen in meiner neuesten Wochengeschichte!
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GEDANKENWEHR
Die Schlagzeilen im Aushang der Zeitungskästen sind heute fett gedruckt, und die Titel bei allen Druckerzeugnissen sowie in den Social Media alle identisch, als seien diese gleichgeschaltet:
‚OPEN PETITION SCHLÄGT ALLE REKORDE‘.
Erinnere mich sofort! Schaue ich doch von Zeit zu Zeit in diese oft langweilige, doch manchmal spannende Rubrik des Internet. Hier kann jedermann erfahren, wo die Bürgerschaft der Schuh oder die gesamte Schuhgarderobe drückt. Von hundekotverschmutzten Joggingwegen bis zum Wunsch nach erlaubter Beendigung des eigenen Lebensweges finden sich alle möglichen und auch unmöglichen Wünsche an die Behörden aller Ebenen. Überlege mir, ob der selbstbestimmte Tag des Scheidens aus dem Leben diese Rekordzahl an Online-Stimmen erhalten haben könnte. Die Auseinandersetzung um diese Frage ist zurzeit heftig und spaltet die Gesellschaft. Nun sei es wie es sei, muss dann zu Hause auf der Homepage der Online-Petition-Organisation nachsehen, um welches Anliegen es sich handelt und ob ich mit meiner Vermutung wie meist ins Schwarze getroffen habe.
Eine Zeitung zur Beantwortung dieser Frage zu erwerben, dafür ist mir der papierne Obolus, den ich zu entrichten hätte, zu schade. Insbesondere bei der herrschenden galoppierenden Inflation, wo Münzen zum Kauf eines Nachrichtenblatts nicht mehr ausreichen. Die Abschaffung der blechernen, kupfrigen, früher silbrigen runden Dinger wird unter Geheimhaltung so oder so bereits geplant, denke ich mir. Aus wird es dadurch mit dem Zahngeld sein, das ich einst als Kind beim Verlust eines Milchzahns, der unter das Kissen zu legen war, erhielt. So verschwinden lieb gewonnene Traditionen durch behördliche Eingriffe.
Doch zurück zur rekordverdächtigen Open Petition. Was bin ich erstaunt, als ich zu Hause lese, dass die Petition 'EINFÜHREN EINER GEDANKENWEHR' alle Rekorde schlägt. Nun ist mein Jagdtrieb geweckt. Ich muss wissen, was dahintersteckt. Möglicherweise sollte ich die Petition, die sich an alle Parlamente aller Länder jeder Stufe wendet, ebenfalls unterzeichnen. Bürgerpflicht? Also für eine Verstärkung der Feuerwehr, selbst der Wasserwehr, hätte ich sogleich meine Unterschrift geleistet. Eine echte Mission wäre das. Missionarisches Bürgerhandeln. Um weitere Informationen zu ergattern, tauche ich in die Begründung der Petition mit Haut und Haar ein, ohne nass zu werden. Lese:
„Die geplante Gedankenwehr soll ähnlich allen anderen Wehren organisiert, mit Blaulicht ausgerüstet und mit hoher Personaldotation ausgestattet werden. Ebenfalls mit allen notwendigen technischen Ausrüstungen, um ihre Aufgaben voll und ganz zum Wohle der Menschheit erfüllen zu können. Sie soll durch rasche und effiziente Intervention im Gehirn aller Menschen die schlechten Gedanken eliminieren, ja im Vorherein verhindern."
Greife zum elektronischen Griffel. Unterzeichne.
Sofort erhalte ich auf allen Social-Media-Kanälen gleichzeitig eine Antwort. Effizient! Meine erste Reaktion! Die personalisierte Meldung lautet:
„Danke für die Erlaubnis zum Zugang zu deinem Kopf, du bist jetzt fest vernetzt. Die Gedankenwehr wird sogleich eine Hirndurchsuchung in Angriff nehmen. Bestimmt wird diese fündig und dich von deiner üblen Gedankenwelt befreien. Daraufhin wirst du geadelt, als ein willenfreies Mitglied unserer befreiten Gesellschaft einen neuen Lebensabschnitt antreten. Gleich klopfen wir an! Öffne dich. Aber unmittelbar und subito! ...“.
Während in meinem Hirn eine Synapsenbresche durch die Gedankenwehr geschlagen wird, frage ich mich ernsthaft, wann und wo ich mit der neuen Wehr Schweine gehütet habe, da diese jede Höflichkeitsform in der Kommunikation mit meinem Ich ins Nirwana verbannt …!
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
G E D A N K E N
Gedanken
Gefangen
In sich
Selbst.
Schmelzend
In Sommersonne
Zu Eisesstarre verdammt
In Wintersklammesgletscherskälte.
Weihrauchspeiend
Im zauberhaftem Glauben
An schwärmend Friedenstauben.
Herzlichst
François Loeb
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