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geschrieben 2023 von Bjarne Pfennig (BjarneP).
Veröffentlicht: 29.04.2023. Rubrik: Fantastisches


Die Welt ist eine Bühne

Sam tippelte von einem Bein zum anderen. Die ersten Gäste traten durch die Tür hinein und setzten sich an einen der freien Plätze.
Jetzt durften keine Fehler unterlaufen. Keine Dummheiten. Keine Bange, flüsterte eine piepsige Stimme in seinem Kopf.
Seine Schausteller waren gut. Die besten des Landes. Sie würden sicher seine Geschichte aufleben lassen, und dann würde jeder seinen Namen kennen. Er würde reich und berühmt sein. Samils Armelias. Ein Leben ohne Sorgen.
Wenn sie erst einmal hier, in der Hauptstadt, aufgeführt hatten, was sollte ihm dann noch im Weg stehen?
Nur keine Bange … verdammt … das hier war der wichtigste Abend in seinem Leben, wie konnte er da Ruhe bewahren?
Er rieb die Hände zusammen. Es wird schon alles gutgehen. Alles gut. Trotzdem konnte es nicht schaden, ein letztes Mal nach dem Rechten zu sehen.
Er trat hinter die Bühne und beobachtete seine Stars. Der junge Gelis Jehlim saß mit überschlagenen Beinen auf einer Kiste und zog an einer Pfeife. Er würde die Hauptfigur spielen. Ein Mensch. Sein Stück drehte sich um einen Menschen. Sam hatte jahrelange Recherche betrieben und sich mit den klügsten Köpfen des Landes zusammengetan, um alles so realitätsgetreu wie möglich dazustellen.
Gelis war einer der Leute aus dem Hochland, was ihn äußerlich schon mal nicht so sehr von einem Menschen unterschied. Und seine weißen Haare und blasse Haut, die hatte er eingefärbt. Er sah aus, wie man sich einen Menschen vorstellen konnte ... und sowieso, es gab unter den Anwesenden ohnehin niemanden, der je einen echten gesehen hatte.
Es sollte eine Liebesgeschichte werden, wie sie alle der Anwesenden zu Tränen rührte. Und eine Abenteuergeschichte, mit feuerspeienden Monstern und einem Goldschatz. Und am Ende würden alle glücklich sein.
Sam ging wieder, ohne mit jemandem gesprochen zu haben. Er wollte nicht, dass sich seine Nervosität auf jemanden der anderen übertrug. Seufzend stiefelte er die Reihen an Sitzplätzen entlang und ließ sich auf seinen Platz im Publikum fallen. Bald würde es losgehen, und dann würde sich sein gesamtes Leben umkrempeln, auf die eine oder andere Art.
Als sich alle eingefunden hatten, fing es an. Die Lichter wurden gedämmt, der Vorhang wurde gehoben, und … – »Ha?« – Sam schluckte Speichel herunter.
Ein Mann stand auf der Bühne, gekleidet in eine lange rote Robe. Sein Gesicht war bunt geschminkt, was sein breite Grinsen betonte.
»Ladys, Gentlemen und Diversitäten«, rief der Mann und streckte seine Arme in die Höhe. »Ihr habt lange gewartet, aber jetzt ist es so weit. Willkommen zur Show!«
Sam blinzelte, als hätte er etwas im Auge. Wenn es nur das gewesen wäre. Das war keiner seiner Schausteller. Nicht einmal ansatzweise. Sam hatte diesen Mann noch nie in seinem Leben gesehen.
Wie auf Signal trat Gelis auf die Bühne.
Er hielt einen Zettel in den Händen. Hatte jemand ihm ein anderes Skript gegeben? Was war hier eigentlich los? Wer war der Kerl?
»A-am Rande eines verlorenen Landes«, begann Gelis zu erzählen. »In einer Welt, die von den Göttern verlassen war, da gab es eine Frau.«
»D-das gehört nicht zum Skript!« Sam wurde schwindelig. Der Kerl würde das gesamte Stück versauen. Warum half Gelis ihm auch noch? Das konnte doch nicht wahr sein! Sam sprang von seinem Sitz auf und rutschte zwischen den Zuschauern in Richtung Bühne hinab.
»Eine Frau, die so klug und anmutig war, dass jeder, der sie ansah, den Verstand verlor«, erzählte Gelis weiter. »Und es gab einen Mann. Sie beide gehörten zur selben Art. Sie waren Auserwählte, aus einer Zeit, als die Göttin noch unter uns weilte.«
Was erzählte er da? Sam wäre am liebsten im Erdboden versunken. Aber vielleicht war noch nicht alles verloren. Er rückte in die vorderste Reihe vor und stemmte seine Hände auf die Bühne, um hinaufzuklettern, als ihn jemand am Arm packte. Er wandte sich herum und blickte in das ebenfalls vollkommen mit Schminke verschmierte Gesicht einer Frau. Sie sah vielleicht aus, wie ein Clown, aber sie lächelte nicht. Nein, vielmehr zeigte sie nicht die geringste Emotion. Ihr Gesicht war kalt wie ein Messerstoß in den Rücken.
»Wenn du deinen widerlichen Kopf behalten willst, dann halte dich von der verdammten Bühne fern«, flüsterte sie. Und auch wenn Sam nicht verstand, wieso, war er sich sicher, dass sie nicht scherzte. Wenn er einen Schritt weiter nach vorne setzen würde, dann hätte er weitaus größere Probleme als eine ruinierte Show.
Seufzend nahm Sam sein Schicksal entgegen und sah zur Bühne hinauf, als ihm etwas auffiel; auch Gelis zitterte.
»Als der Mann sie das erste Mal sah«, sagte Gelis, »da brannte sein Herz, denn er wusste, dass er sie niemals halten könnte. Ewig lag er wach, hörte die Klänge der Einsamkeit. Die Stille und die Schreie. Er wusste, dass sie unerreichbar war. Er glaubte, dass sie ihn nicht lieben konnte. Am Rande eines verlassenen Landes. Am Rande einer verlassenen Welt. Doch er irrte sich. Kein Mensch, niemand aus irgendeiner Welt, könnte ihre Liebe verstehen. Aber das war ihnen egal. Wer interessiert sich schon für andere? Wer braucht die Götter? Wer …«
»Ja. Ich glaube, das reicht.« Der Mann in roter Robe schubste Gelis von der Bühne. »Herzlichen Dank, aber das war’s für heute.« Er breitete die Arme aus, als würde er Applaus erwarten, aber da kam nichts. Das Publikum saß still, wie eine Sammlung aus Stoffpuppen.
Nur ein einziges lautes Klatschen ließ die Stille erschüttern. Und das stammte von der Frau in Rot, die bis eben noch Sam festgehalten hatte und jetzt aufstand. Mit einem Sprung stand sie auf der Bühne und nahm den Mann in die Arme. »Das war großartig, Liebling.«
Sam biss die Zähne zusammen. »Oh, nein«, flüsterte er in sich hinein, »das ist doch nicht … das kann doch nicht …« Mit ungeübter Eleganz schlich sich Sam fort von den beiden. Wenn er mit seiner Annahme richtiglag und diese beiden diejenigen waren, für die er sie hielt, dann konnte es nichts Gutes bedeuten, dass sie hier waren.
Ein Murmeln ging unter den Zuschauern um. So langsam schienen auch die Ersten von ihnen zu verstehen, was geschah – wer die beiden waren. Sam glitt vorsichtig durch die Reihen, in Richtung des Ausgangs, als er erstarrte.
Ein weiteres Klatschen erklang, und dort, wo alle Blicke landeten, flammte Hoffnung auf. Nur die beiden in Rot sahen aus, als hätten sie in eine saure Zitrone gebissen.
»Oh, Hallo, Aurifen«, sagte der Mann. »Ich hätte nicht gedacht, dass wir mit jemanden wie dir bei unserer kleinen Vorstellung rechnen können.«
Aurifen hatte ein Lächeln auf den Lippen – das Lächeln, welches sie immer trug. Sie hatte lange karamellbraune Haare und trug ein Kleid, so golden wie ihre Augen. Sie stand auf und ragte über allem hinweg. »Ist meine Anwesenheit wirklich so überraschend?«, fragte sie mit ruhiger Stimme. »Wir befinden uns immerhin nirgendwo anders als in meiner Stadt.« Sie trat vor die Bühne. Selbst von dort unten war sie noch immer größer als die beiden. »Ich denke, die angebrachtere Frage wäre, was macht ihr beide hier? Ploradon? Mirazett?«
»Theater«, sagte der Mann, Ploradon. »Wir sind hergekommen, um die höheren Künste zu bewundern.«
»Bewundern?«
»Beeinflussen.«
»Was macht es schon für einen Unterschied?«, murmelte die Frau, Mirazett, und nahm die Hand Ploradons in ihre. »Er ist sicher besser für das Theater geeignet als irgendjemand anderes hier. Diese Stadt sollte sich geehrt fühlen!«
»Das will ich doch überhaupt nicht abstreiten«, sagte Aurifen geduldig. »Aber das nächste Mal könntest du einfach fragen. Es lässt sich sicher die Zeit für eine Vorstellung finden, ohne dass dabei jemanden die Karriere ruiniert wird.« Sie warf ihr Lächeln zu Sam hinüber, welcher allmählich glaubte, völlig den Verstand zu verlieren. »Ich denke, es wäre nur gerecht, wenn du eine weitere Möglichkeit bekommst, um deine Geschichte aufzuführen.«
Sam konnte nur ein leises »Ja, Ma’am« hervorkrächzen.
»Und ich würde euch beiden vorschlagen, wieder nachhause zurückzukehren«, sagte Aurifen sanft, doch gleichermaßen lag ihren Worten ein Befehl inne, der nicht zu brechen galt.
Die beiden aber zuckten nur mit den Schultern. »Meinetwegen«, sagte Ploradon. »Es fing sowieso an, langweilig zu werden. Was sollen wir jetzt machen, Schätzchen?«
»Ich denke, ich will einfach nur noch nachhause«, murmelte Mirazett.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Trollburg am 22.10.2023:

Eine Interessante Geschichte. Aber auch ein wenig verwirrend. Nach muss sich stark konzentrieren um nicht den Anschluss zu verlieren. Ich musste Sie mehrmals lesen. Vielleicht ein wenig einfacher.
Ansonsten gut. !

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