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4xhab ich gern gelesen
geschrieben von Onivido kurt.
Veröffentlicht: 09.09.2022. Rubrik: Unsortiert


Belauscht

Strahlender Sonnenschein, ein für München nicht ganz typisches Aprilwetter, hatte Nico ins Freie gelockt. Er folgte dem Touristenstrom von der Stadtmitte zum Karlsplatz. Der Brunnen sprühte noch kein Wasser, aber das störte die Besucher nicht. Sie fotografierten emsig, sich selbst, ihre Freunde, Fremde und den trockenen Brunnen, der von felsbrockenartigen Steinen gesäumt ist, die von den Passanten gerne als Sitzgelegenheiten benutzt werden. Auch Nico setzte sich auf einen der Steine, genoss den sonnigen Morgen in multinationaler Gesellschaft, versuchte seine Probleme zu vergessen und sann darüber nach, warum dieser Platz einen Doppelnamen hatte. Karlsplatz – Stachus. Woher kam dieser Name? Stachus? Was bedeutete er?
Von diesen tiefsinnigen Gedanken wurde er abgelenkt, als sich zwei junge Frauen näherten. Beide pechschwarz, jedoch offensichtlich keine Fremden. Sie gönnten den Touristen, die sich gegenseitig verstohlen abschätzten, keinen Blick. Weder der Justizpalast, noch die Tauben, die ihn mit ihren Exkrementen verzierten, erweckten ihre Aufmerksamkeit. Sie zogen keine Stadtkarten zu Rate, bestaunten nicht das Karlstor.
Einwanderer aus Afrika urteilte Nico. Zügig gingen die beiden auf zwei freie Steine zu, die in einem Schritt Abstand vor Nicos Sitz noch ihrer Besetzer harrten.
Sie setzten sich, mit dem Rücken zu Nico, ohne ihn zu beachten, ein Verhalten, das dessen sehr gesundem Selbstvertrauen einen Stoss gab. Mehr noch verwunderte es ihn, als die beiden zu sprechen begannen, in seiner Muttersprache, mit waschechtem kubanischen Akzent und der dazu gehörigen Lautstärcke.
“…. esta caraja -dieses Weib - ist stinkfaul. Nie putzt sie die Küche und wenn sie mal so tut als ob, wischt sie nur mal so mit einem Lappen über den Tisch.“
“Mehr kannst du ja auch nicht verlangen von ihr, bei dieser Mutter. Niemand in der Familie weiss, was arbeiten heisst.”
“Ja, ihr Bruder geht mir auch auf die Nerven. Ich will nichts mit ihm zu tun haben.”
“Das kann Yury bestimmt nicht fassen. Er glaubt, alle Frauen müssten ihm zu Füssen liegen.”
“Man muss sehr deutlich werden bei ihm. Weisst du was er zu mir sagte, neulich, als ich ihn abblitzen liess?”
“Wahrscheinlich, dass du froh sein solltest, wenn er sich überhaupt mit dir abgibt.”
“Nein, er meinte, ich wollte unbedingt einen Weissen.”
“Weisst du was”, habe ich gesagt, “ich will einen Mann, der arbeitet, nicht einen, den ich ernähren muss.”
“Und du glaubst, ein solcher Mann sucht ausgerechnet eine Barfrau aus der Schillerstrasse und ausserdem noch eine so schwarze, wie du es bist”, - hat er mich verspottet.
“Glaubst du, ich will immer in einer Bar arbeiten. Ich möchte eine Familie haben, kinder von meinem Mann bekommen”, - habe ich ihm geantwortet. Er hat mich ausgelacht.
“Du dumme Gans, Deutsche wollen keine Kinder.”
“Deutsche Frauen wollen keine kinder, die Männer schon!”
” Na ja, Aida, ich glaube da hat Yury recht. Deutsche wollen keine Kinder”, meinte die Freundin.
“Quatsch, Yesaida! Also gut, ich kann es einfach nicht mehr für mich behalten. Im Supermarkt habe ich einen Mann kennen gelernt. Leider ist er verheiratet, aber er will sich scheiden lassen, eben weil seine Frau keine Kinder will.”
“Mujer, das hat er dir alles im Supermarkt erzählt? Hör auf, Aida, du bist doch schon zu alt, um solche Märchen zu glauben!”
“Natürlich nicht im Supermarkt. Beim Baden im Nordbad - eigentlich nach dem Baden - bueno chama, du weisst schon.”
“Caray muchacha, und das erzählst du mir erst jetzt. Hat er einen deutschen Pass?”
“Er ist ein richtiger Deutscher, ein ehrlicher Mann. Rolf Braunsteiger heisst er.”

Nico hatte genug gehört. Er blickte auf seinen Handrücken. Ganz weiss war seine Haut nicht, aber er war ein Mann der arbeitete.
“Jeden Tag eine gute Tat”, so sein Motto.
Am Abend würde er die Bars der Schillerstrasse abklappern, Aida finden und sie darüber aufklären, dass nicht jeder deutsche Mann ein ehrlicher Mann ist und wer weiss, immerhin war er ein Mann der arbeitete.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Anja Pompowski am 10.09.2022:
Kommentar gern gelesen.
Dann hoffe ich doch mal auf ein Happyend. Habe ich gern gelesen. Gibt es eine Fortsetzung?




geschrieben von Onivido kurt am 11.09.2022:

Hallo Anja, es freut mich, dass dir das Geschichtlein gefallen hat. Nein , eine Fortsetzung gibt es nicht. Ich habe aber mal eine Geschichte mit Happy End geschrieben. Sie hat hier keine Beachtung gefunden. Vielleicht , weil sie zu lang ist und ausserdem ist das geschilderte Milieu moeglicherweise zu fremd, um der Geschichte etwas abgewinnen zu koennen. Sie heisst "Caribeños". Fuer den Fall, dass du sie lesen willst. Ich wuensche dir einen schoenen Sonntag///Onivido

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