Veröffentlicht: 17.08.2022. Rubrik: Satirisches
Staatlicher Unfug
Das Bayrische Fernsehens gab erst jetzt das Ergebnis einer “unabhängigen” Langzeitstudie der Universität Bielefeld über Ausländerfeindlichkeit in Deutschland bekannt. Mir war diese Untersuchung schon vor einiger Zeit zum Verhängnis geworden.
Der Freistaat steht demnach mit an der Spitze der Ausländerhasser. Gut 22 Prozent der befragten Bayern hatten nämlich den folgenden fünf Aussagen zugestimmt: ,,Verbrechen sollten härter bestraft werden‘‘, ,,Um Recht und Ordnung zu bewahren, sollte man härter gegen Außenseiter und Unruhestifter vorgehen‘‘, ,,Es leben zu viele Ausländer in Deutschland‘‘, ,,Die in Deutschland lebenden Ausländer sind eine Belastung für das soziale Netz‘‘ und ,,Viele Juden versuchen, aus der Vergangenheit des Dritten Reiches heute ihren Vorteil zu ziehen und die Deutschen dafür zahlen zu lassen. “
Grässlich! Grässlich! Eine Schande für Bayern! Nur zwei rückständige Länder der ehemaligen DDR übertrafen diese Ungeheuerlichkeit.
Warum die Zustimmung zu den obigen Aussagen auf Ausländerfeindlichkeit schliessen lässt, ist mir schleierhaft. Ich jedenfalls denke, das hat mehr mit gesundem Menschenverstand und Arithmetik zu tun. Freilich bin ich kein Psychologe, sondern Polizeibeamter, und werde für derartige Schlussfolgerungen nicht bezahlt. Jedendalls habe ich selbst alle diese Behauptungen bejaht. Allerdings habe ich den Satz “Die in Deutschland lebenden Ausländer sind eine Belastung für das soziale Netz‘‘ etwas abgeändert in “Viele der in Deutschland lebenden Ausländer sind eine Belastung für das soziale Netz‘‘ und auch die “Vielen Juden..” habe ich auf “ Manche Juden ..” beschränkt. Auch wenn die Studienbetreiber und die deutschen Politiker die Zahl der zustimmenden Antworten für skandalös hielten, fand ich diese Ziffer hingegen unverständlich niedrig und begann an der Integrität meiner bayrischen Landsleute zu zweifeln.
Also, wie schon erwähnt ich bin Polizeibeamter, besser gesagt ich war Polizeibeamter, bis vor zehnWochen, als ich von der Kriminalpolizei zu einem Schreibtischjob bei der Verkehrspolizei versetzt wurde. Ein Abstellgleis, ohne Zweifel! Aber warum?
Die besagte Befragung war bei der Polizei schriftlich und nicht anonym durchgeführt worden. Die ausgefüllten Formulare wurden anschliessend Polizeipsychologen zur Auswertung überlassen. Von diesen bin ich auf Grund wissenschaftlicher Erkenntnisse - so das Personalreferat - ausgefiltert worden und wurde wegen ausländerfeindlicher Tendenzen, die unvereinbar mit meinen Aufgabenbereich bei der Kriminalpolizei seien, zur Verkehrspolizei abgeschoben. Da konnte ich anscheinend weniger Schaden anrichten.
Meine Kollegen versuchten mich zu trösten. Sie luden mich zu einem Abschiedsessen im Gasthof “Zur alten Linde” ein, wo sie alle Civapcici assen. Aus beruflich bedingter Vorsicht, man kann ja nie wissen, vielleicht wurde das Lokal vom BND ueberwacht. Ich bestellte bewusst Tellerfleisch mit Meerrettich, ein bodenständiges Gericht das besser zu meinen gerade entblösten Charakterzügen passte. Ungläubiges Kopfschütteln meiner Exkollegen, als sie den wahren Grund meiner Versetzung erfuhren. Alle hatten im Stillen und nicht so ganz im Stillem vermutet, dass ich Doris, einer verführerischen „Hostess“, bei den Ermittlungen gegen sie einen Gefallen getan hatte. Jetzt staunten sie und spotteten über meine Naivität. Ob ich denn die richtigen Antworten nicht gewusst hätte? Mein Chef war verärgert, weil er einen guten Mitarbeiter verlor und als ich meine Meinung verteidigte, nannte er mich einen Don Quijote und der Chef meines Chefs verglich mich gar mit Sancho Panchas Reittier.
Aus Zorn und Enttäuschung über die Willkür, den Widersinn, genannt political correctness, und den ganzen staatlichen Unfug habe ich meine Beamtenlaufbahn mit einem zynischen Kündigungsschreiben beendet, das ich mit einem sarkastischen Gruss abschloss, der in dem Wunsch nach einer weissen Weihnacht gipfelte. Hoffentlich erkannten die Adressanten den unterschwelligen Rassimus in dem Wort “weiss”.
Leider muss ich aber jetzt eingestehen etwas voreilig und unüberlegt gehandelt zu haben. Wo anders kann ein gelernter Kriminalkomisar denn schon arbeiten, als bei Vater Staat. Hat man sich erst einmal hier den Weg verbaut, kann man sich jetzt nicht einmal mehr als Söldner an einen afrikanischen Diktator verdingen, weil sich diese mitlererweile zu Demokraten gemausert haben und mit einheimischen Personal auskommen. Da bleiben nur die mehr oder weniger unseriösen Personenschutzfirmen als Arbeitgeber.
Bei so einer bin ich gelandet. Es sieht so aus als hätte mein gegenwärtiger Dienstherr Information über die Hintergründe der Beendigung meiner Beamtenkarriere erhalten und daraus seine eigenen Schlüsse gezogen, denn er hat mich prompt zum Schutz des örtlichen Büros der NPD eingesetzt. Genauer gesagt ich bin für die Sicherheit des Büros und der hiesigen Führungskräfte der NPD verantwortlich. Zu meinen Aufgaben zählt auch staatliche, elektronische Überwachung des Büros und des genannten Personenkreises aufzudecken und zu verhindern, was ich mit grosser Genugtuung ausführe. Ich finde diese Aufgabe hochinteressant und ausserdem, von irgend etwas muss man ja leben.
Natürlich passt es mir nicht in den Kram ausgerechnet der NPD einen Dienst zu leisten. Auf jeden Fall sehe ich mich schon jetzt nach einem anderen Job um, bevor meine neuen Brötchengeber irgendwie dahinter kommen, dass meine beiden Sprösslinge mit ihrer Mutter manchmal türkisch sprechen.
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