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geschrieben 2022 von Belix.
Veröffentlicht: 25.07.2022. Rubrik: Fantastisches


Belix und die merkwürdige E-Mail

Es war Mittwochmorgen. Belix kam nach zwei Urlaubstagen, in denen er seinen Umzug bewältigt hatte, wieder in sein Büro. Jeder Muskel meldete sich, alle Knochen taten ihm weh. Aber der Umzug in seine neue kleine Wohnung war erledigt. Tisch, Bett, Matratze, Stühle, Regale, auch sein geliebter Schreibtisch, alles verladen und transportiert. Selbst all dieser ganze Kleinkram: Besteck, Geschirr, Bücher, DVDs, CDs, Klamotten und die Bettwäsche. Das alles machte er ganz alleine mit einem Renault Kangoo, den mit der großen Ladefläche. Belix musste nur ein paarmal hin und her fahren. Seine neue Wohnung lag auch nicht mehr als zehn Kilometer von seinem alten Zuhause entfernt. Ihm fehlten jetzt nur noch ein gutes Sofa und eine Waschmaschine. Den Kühlschrank, ein recht altes Modell, konnte er vom Vormieter übernehmen.

Belix war froh, endlich wieder auf seinem Bürostuhl zu sitzen. Er hatte extra keinen Umzugstag beantragt, denn niemand in der Firma sollte wissen, dass er aus seinem alten Zuhause ausgezogen war, sich von seiner Ehefrau getrennt hatte. Natürlich musste er irgendwann die neue Adresse dem Personalbüro mitteilen, aber das konnte noch warten.

Er fühlte sich wohl, etwas Wichtiges war erledigt. Eine Lebensphase war abgeschlossen und eine neue wäre zu organisieren. Er dachte an den Kaffeevollautomaten, ein Geschenk von seiner Frau zum fünfzigjährigen Geburtstag, der nun in seiner Küche stand, und spürte plötzlich den Geruch frisch aufgebrühten Kaffees in der Nase.
Lächelnd startete er den PC an seinem Arbeitsplatz.

Wie an jedem Arbeitsmorgen öffnete er zuerst die neuen E-Mails. Nichts Besonderes. Terminverschiebungen, vorgezogene Produktionsaufträge, die Bitte der Personalleitung, die Jahresurlaubsanträge der Abteilung bis zum Monatsende abzugeben und ein paar Mitteilungen über anstehende Produktionsbesprechungen, nichts Besonderes eben.
Aber da war diese eine E-Mail, die passte da nicht rein. In der Betreffzeile stand: „Hallo, mein lieber Freund.“.
Der Absender war ein gewisser Tom. Aber Belix kannte keinen Tom, keinen Herrn Tom, ebenso auch keine Frau Tom. Selbst die E-Mail-Adresse des Absenders gab ihm keine Klarheit: tom@hotmail.de.
„Naja, mal gucken.“, dachte Belix und öffnete die E-Mail:


„Hallo mein lieber Freund. So wie Du mir das immer geschildert hast, muss es bei Dir schön und gemütlich sein. Du hast es wirklich gut getroffen, mein Freund. Hast die richtigen Menschlinge gefunden. Bei mir ist das ja alles ganz anders. Meine Menschlinge sind immer noch so unstetig, immer noch so im hin und her begriffen. Ja, Du hast es erraten, ich wurde schon wieder umgestellt. Man kommt gar nicht mehr hinterher. Diesmal war es aber viel schlimmer als sonst. Ich habe in unserem schönen Haus nicht nur das Zimmer gewechselt. Nein, ich bin in eine andere Stadt gebracht worden, in ein ganz anderes Haus. Dieses Haus macht mir Angst. Ja, ich gebe es ehrlich zu. Ich kann es nicht genau beschreiben, dieses Haus schreit und jammert um Hilfe. Es kann Dinge nicht auseinander halten, scheint wirklich etwas verwirrt zu sein.

Kein anderer unserer Art ist hier, in dem ganzen Wohnblock nicht. Nur ein paar kleine Schreibtische für Kinder, aber die haben ja noch keine richtige Ahnung von der Welt, von unserer Welt.
Der Weg dorthin, in dieses arme kranke Haus, war schlimm. Ich wurde auseinandergebaut, alle Schubladen wurden herausgezogen. Ich wurde durchgerüttelt und geschubst. Es war unvorstellbar. Sei froh, mein lieber Freund, dass Dir so etwas bisher erspart geblieben ist. Doch jetzt bin ich wieder komplett. Jede Schublade ist wieder an ihrem alten Platz. Mein Menschling ist da sehr genau, das muss man schon sagen, ja geradezu pingelig. Ich stehe nun in einer sehr kleinen Wohnung und bin zugestellt mit allen möglichen Dingen. Es ist so üblich bei einem Umzug, wie die Menschlinge es nennen, weißt Du. Auf mir liegen CDs, DVDs und Bücher. Doch jetzt habe ich einen viel schöneren Platz, stehe nun nicht mehr in einer dunklen Ecke. Ich stehe in einem kleinen, aber hellen Raum, mit zwei Fenstern. Habe eine gute Aussicht auf hohe Bäume und ich kann, Du glaubst es nicht mein Freund, sogar die Sonne und den Mond sehen.

Allerdings ist hier in meinem Raum auch ein altes Bett. Das ist nicht sehr angenehm, sag ich Dir. Das Bett ächzt und nörgelt immer vor sich hin: „Ich will wieder nach Hause. Hier ist mir alles so fremd. Warum hört mich denn keiner?“
Es ist eben schon ein sehr altes Bett. Doch ich glaube, mein Menschling sucht bereits ein neues. Nein, keine Angst, mich wird er nicht hergeben, niemals. Und noch eine Neuigkeit. Ich habe einen neuen Menschling kennengelernt, einen weiblichen Menschling. Aber die ist wirklich sehr seltsam. Sie hat ihre Hand auf eine freie Stelle meiner Schreibplatte gelegt und gesagt: „Hallo, Du. Du bist ja ein typischer Junggesellen-Schreibtisch. Praktisch, robust, jedoch überhaupt nicht aufgeräumt.“
Kannst Du mir bitte erklären woher sie von unserer Welt weiß? Fragst Du bitte mal deine Bücher. Ich kenne ja keine schlauen Bücher, mein Menschling liest immer nur so einen Science-Fiction-Kram.

So, mein lieber Freund. Ich mach für heute erst mal Schluss. Schreib mir mal, was es bei Dir so Neues gibt.
Liebe Grüße
Dein Tom“


Belix war verwirrt. Die E-Mail sprach von einem Umzug. Von seinem Umzug?
„Aber das ist doch Unsinn, Schreibtische schreiben keine E-Mails, also üblicherweise nicht“, dann glaubte Belix verstanden zu haben.
„Na klar!“, dachte er. „Paul, dieser Spaßvogel.“
Paul, ein alter Freund von Belix, seit dem Kindergarten kannten sie sich schon, und dieser Freund verstand es gut, gelungene Scherze zu machen.
„Eine coole Idee, eigentlich“, fand Belix. „Ein Schreibtisch schreibt, was soll er auch sonst tun, einem anderen Schreibtisch. Jedoch landete dummerweise die E-Mail falsch.“
Belix musste lächeln über diesen gelungenen Scherz.
„Paul, Paul, du bist echt ne Marke“, sagte er anerkennend leise vor sich hin.

Belix stand auf, um sich einen Kaffee aus dem Abteilungsautomaten zu holen, so ein ähnlicher Kaffeeautomat, wie bei ihm Zuhause, nur eben viel größer. Er stellte seinen leeren Becher unter den Auslauf, drückte den Startknopf, hörte das Häckseln der Bohnen, und schon ein paar Sekunden später stieg der angenehme Duft von frisch aufgebrühtem Kaffee in seine Nase. Aus dem Auslauf der Maschine plätscherte der Kaffee langsam in den Becher. Doch während Belix genussvoll den Kaffeeduft einsog, stockten seine Gedanken. Etwas stimmte da nicht. Etwas das ihm erst jetzt bewusst wurde:
„Paul und Anna kennen sich nur flüchtig. Also kann Paul doch gar nicht wissen, dass Anna mich gestern Abend in der neuen Wohnung besucht und genau diese Worte zu meinem Schreibtisch gesagt hat.“


Belix Bahei
belixbahei@hotmail.com

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