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geschrieben 2022 von Belix.
Veröffentlicht: 16.06.2022. Rubrik: Unsortiert


Erinnerungen an Anna

Es war Sonntag, ein warmer Sommersonntag. Belix stand wieder vor ihrem Haus. So wie an jedem ersten Sonntag im Monat. So, als wollte er sie, wie in all den vergangenen Monaten zum gemeinsamen Frühstücken abholen. Im Sommer fuhren sie anschließend Golf spielen und im Winter gingen sie spazieren, meistens am See. Inzwischen war es gar nicht mehr ihr Haus, aber äußerlich war alles beinahe so geblieben wie früher, so wie sie es damals gern hatte. Einige der Blumen im Vorgarten streckten ihre schon verwelkten Blüten durch den hellbraunen nun leicht mit Moos besetzten Staketenzaun. Die Gartenpforte war halb geöffnet, genauso wie an den vielen gemeinsamen Sonntagen. Es sollte ihm zeigen: „Ich bin da, komm nur herein.“ Kleine dunkelgrüne Buchsbaumbüsche zäumten den leicht geschwungen Weg bis zu ihrer Haustür.

„Buchsbäume, immer Buchsbäume.“ Wieder war er da, dieser schmerzliche Druck in der Brust, als er daran denken musste, dass auch jetzt Buchsbäume den Weg zu ihr zäumten. Belix atmete tief durch, der Druck in seiner Brust ließ langsam nach. Er erinnerte sich an die Fröhlichkeit, die dieses Haus früher ausgestrahlt hatte. Schöne Erinnerungen hingen damit zusammen. Laue Sommerabende mit langen Gesprächen auf ihrer Terrasse, gemütliche Herbstsonntage mit Kaffee und Kuchen und behagliche Winterabende am knisternden Kaminfeuer.
Nun bedrückte ihn der Anblick dieses Hauses. Es war ein ganz normales Einfamilienhaus. Ein Erdgeschoss, ein Dachgeschoss. Eine große weiße Haustür, ähnlich einer alten Bauerntür, mit zwei milchigen Fassettenscheiben nebeneinander in der oberen Hälfte. Jeweils ein großes Fenster links und rechts neben der Haustür, alles sehr symmetrisch. Anna liebte die Ordnung, die Symmetrie. Nur bei der Farbe war sie sehr eigenwillig. Das Haus hatte sie in rosa streichen lassen. Es passte zu ihrem Haus, es passte zu Anna. Aber jetzt erschien ihm die Farbe dunkler, schien die vormals heitere Leichtigkeit verloren zu haben.

Links vom Haus, im Carport, stand immer ihr Auto. Ihr sportlicher Zweisitzer, in dem sie beide so oft zusammen unterwegs waren. Belix kämpfte gegen die aufblitzenden grauenhaften Bilder, wieder hatte er die Geräusche von brechenden Scheiben und berstendem Metall im Ohr. Schnell wechselte er den Blick auf die rechte Haushälfte, auf das Fenster, das nun abgedunkelt und mit Gardinen verschleiert fremd und leblos in der Wand lag. Hinter diesem Fenster befand sich früher ihre Küche. Und immer, wenn er sie besuchte, schaute sie, kurz bevor er die Haustür erreicht hatte, heraus, zog die schneeweiße Gardine ein Stück zur Seite und lächelte ihm zu. Dann öffnete sie die große Haustür. Sekunden vorher konnte er noch durch die beiden milchigen Türfenster erkennen, wie sie ihre Jacke anzog, konnte sehen, wie sie die Haustür hinter sich abschloss und mit einem fröhlichen Lächeln auf ihn zukam.

„Was machen Sie wieder hier? Lassen sie uns endlich in Ruhe!“ Die Wirklichkeit riss Belix aus seinen verträumten Gedanken. Die neue Hausbesitzerin stand vor ihm. Ihr wütender Gesichtsausdruck erschreckte Belix.

„Entschuldigen Sie bitte.“ Belix drehte sich um und ging mit zögernden Schritten zu seinem Auto zurück.

Der Autor:
Dies ist eigentlich die letzte Geschichte von Anna und Belix, aber vielleicht muss man das Ende erst kennen, um das Vorherige richtig wahrnehmen zu können.


Belix Bahei
belixbahei@hotmail.com

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Novelle am 17.06.2022:

Diese liebevolle Erinnerung gefällt mir.




geschrieben von AnnieVomAmt am 17.06.2022:

So traurig schön!




geschrieben von Gari Helwer am 17.06.2022:

Geht ans Herz! Schön geschrieben... LG




geschrieben von Christelle am 17.06.2022:

So schön geschrieben! Und so traurig!

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