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geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 07.06.2022. Rubrik: Unsortiert


Der Delinquent

Ein kleiner, aber heimelig möblierter Raum. Der Delinquent sitzt in einem bequemen Sessel. Ein Mann betritt den Raum, die Tür wird hinter ihm geschlossen und er setzt sich gegenüber.

Mann: Die Ärzte sagen, dass bei dir körperlich alles in Ordnung ist. Geht es dir gut?

Delinquent: Danke, es geht schon... Ist das ein schalldichter Raum?

M: Ja, er ist abhörsicher, ich kann ungestört reden.

D: Warum bin ich noch am Leben?

M: Du hast mich noch nie gesehen, aber ich kenne dich schon lange und habe dich respektieren gelernt. Du bist ein scharfer Beobachter, kannst analytisch denken und du ziehst die richtigen Schlüsse. Doch was mich beeindruckt, ist deine innere Stärke. Selbst jetzt bist du ruhig und ungespielt freundlich, obwohl du dir deiner Lage voll bewusst bist - das erfahre ich bei Delinquenten sehr selten.

D: Wie ist deine Berufsbezeichnung?

M: Mein Titel ist wissenschaftlich und langweilig. Ich ziehe die umgangssprachliche Bezeichnung vor: Inquisitor.

D: Aber möchte ein Inquisitor die Angeklagten nicht auf den rechten Weg zurückführen?

M: In den meisten Fällen tun wir das, mit vielfältigen Methoden, doch manchmal ist ein klarer Schlussstrich die beste Wahl.

D: Habe ich euch tatsächlich so große Probleme bereitet?

M: Nicht wirklich. Aber du hast in den letzten Monaten mit deinen Schriften viel Aufmerksamkeit erregt. Der Aufwand zur nötigen Gegenpropaganda wurde unverhältnismäßig.

D: Wahrheit ist euer größter Feind.

M: Nicht direkt. Das Gefährliche ist Wahrheit verbunden mit Aufmerksamkeit.

D: Gibt es ein Limit, zum Beispiel an Klickzahlen, bei dem ihr aktiv werdet?

M: Nur als Richtlinie. Wir orientieren uns eher an Themen. Es gibt Auftraggeber, die bei bestimmten Themen sehr sensibel reagieren. Da reichen schon wenige hundert Klicks im Internet, damit wir aktiv werden und zum Beispiel Videokanäle schließen wegen Verletzung von Persönlichkeitsrechten.

D: Welches Thema zum Beispiel?

M: Transgender. Solange die Menschen auf den medial vorgegebenen Denkschienen bleiben, ist alles vertretbar im Namen der Meinungsfreiheit. Doch wenn sie davon abweichen, gibts Probleme. Wir hatten in den letzten Jahren einen solchen Fall, wo ein Amerikaner die Hintergründe von Transgender beleuchtete. Dieser Fall hat mit deinem Fall erstaunliche Parallelen: Ihr seid beide einfache Arbeiter, habt keine höhere Bildung und habt nur geringe Mittel. Dennoch nähert ihr euch der verborgenen Wahrheit in einem Ausmaß, das beeindruckend ist.

D: Ich denke, ich weiß von wem du sprichst. Habt ihr bei ihm auch einen Schlussstrich gezogen?

M: Es gibt mehrere Möglichkeiten, um Delinquenten zum Schweigen zu bringen. Ich nehme an, du verrätst mir nicht, was euer Geheimnis ist.

D: Was man dir ins Ohr flüstert, das rufe du von den Dächern. Unser Geheimnis ist keines: Wir lieben die Wahrheit mehr als uns selbst.

M: Aber woher kommen eure Fähigkeiten, Mittel, Kraft, um dermaßen klar das mühsam Verborgene offenlegen zu können?

D: Rational kennst du die Antwort, aber du kannst sie nicht fassen. Denn die Weisheit Gottes ist Torheit für alle Menschen, welche die Wahrheit mit Füßen treten. Einfach gesagt: Gott ist stärker als all eure weltliche Macht.

M: Du glaubst ernsthaft, dass unser weltweites System stürzen wird?

D: Ja. Wir alle haben ein Leben und dann folgt das Gericht. Ich bete, dass du vorher zur Wahrheit umkehrst, denn eine zweite Chance gibt es nicht.

M: Du liebst die Menschen wirklich wie dich selbst, oder?

D: Ich jage mit ganzer Kraft danach, weil ich glaube, dass es der richtige Weg ist... Ich vermute, ihr werdet mein Andenken beschmutzen.

M: Ja, dein Ruhm ist zu groß. Wir inszenieren einen Autounfall und verabreichen deiner Leiche mehrere Promille Alkohol. Danach müssen wir die emotionale Bindung zerreißen, welche viele Menschen zu dir haben, indem der Verdacht auf Kindesmissbrauch im Raum steht - die Medien sind bereits angewiesen.

D: Macht ihr das oft?

M: Öfter als mir lieb ist, aber meistens medial unbeobachtet. Ich mache das nicht gerne, weil es eine Belastung für das Personal ist, was wiederum eine Gefährdung der Sicherheit ist.

D: Eure Abteilungen der psychologischen Kriegsführung gegen die weltweite Bevölkerung sind wohl sehr effektiv.

M: Wir steuern durch Bildung und Medien die Gedanken und Emotionen der Menschen von Kindheit an. Die meisten Menschen sind lebenslang unfähig, das zu erkennen, geschweige denn sich daraus zu befreien. Die wenigen Ausreißer verwirren und ermüden wir durch unsere alternativen Medien sowie durch unsere Helden der Wahrheit, die angebliche Geheimnisse preisgeben.

D: Das Mittel zur Herrschaft durch Täuschung ist also lebenslange Indoktrination.

M: Nicht ganz. Indoktrination ist eine wichtige Begleitmaßnahme. Der Schlüssel zur geistig-emotionalen Kontrolle der Menschen ist Konditionierung. Wir entwerfen und steuern von Anfang an die Denk- und Verhaltensweisen der Menschen. Dieses System ist nach zwei bis drei Generationen ein Selbstläufer, denn die Eltern konditionieren ihre Kinder mit Denkmustern, die von uns stammen. Dadurch werden jene Weltanschauungen und Moralvorstellungen zur Mehrheitsmeinung, die den Interessen unserer Auftraggeber entsprechen.

D: Die Menschen entmündigen sich selbst.

M: Exakt. Die ältere Generation erkennt zwar noch Teile der Wahrheit, erledigt sich aber biologisch selbst. Die mittlere Generation ist zu lebensverliebt, um nachzudenken und passt sich an. Und die junge Generation kennt nur noch unsere Konditionierung.

D: Ihr erschafft eine Diktatur.

M: Ja, aber für die Getäuschten ist sie eine freie Demokratie.

D: Und das Ziel ist absolute Macht, ohne jemals einen Aufstand fürchten zu müssen?

M: Sieht so aus. Doch ich bin selbst nur ein Rädchen im System, die strategischen Entscheidungen treffen andere.

D: Die Wahrheit kann nicht beherrscht werden.

M: Ich stimme zu, meine jahrelange Erfahrung als Inquisitor bestätigt deine Meinung. Wir können die Wahrheit tatsächlich nicht beherrschen, aber wir haben wirksame Mittel, um die Wahrheit von den allermeisten Menschen fernzuhalten. Ein gutes Beispiel für ein solches Mittel ist der Begriff Verschwörungstheorie. Wir haben ihn in den 1960er Jahren erschaffen, um die Leugner der Mondlandung in Verruf zu bringen.

D: Ein Totschlagargument.

M: Ja, so wie Nazi oder Kinderschänder. Die meisten Menschen sehnen sich nach Anerkennung und haben große unbewusste Furcht davor, lächerlich gemacht und ausgeschlossen zu werden. Es ist psychologisch schwierig, die eigene Ehrsucht zu erkennen und abzulegen. Und es ist mit erheblichen Nachteilen verbunden, in dieser Welt der Wahrheit zu dienen.

D: Die Menschen werden von eurem System belohnt, wenn sie euren Meinungen und Weltanschauungen folgen.

M: Ganz genau. Die Menschen lernen vom Kindesalter an, dass Funktionieren belohnt und Widerspruch bestraft wird. Der Grund, warum die Ausbildung von Kindern und Jugendlichen heute so zeitaufwendig ist, ist nicht Wissen, sondern Konformität. Die Kinder lernen gehorchen und werden so lange geformt, bis sie unsere Meinungen und Weltanschauungen verinnerlicht haben. Es ist nahezu ausgeschlossen, diese Prägung im Erwachsenenalter zu überwinden. Denn die Emotionen sind viel zu stark, die durch Belohnungs- und Bestrafungserfahrungen gemacht wurden.
Wir erzählen den Menschen, dass die Vernunft regieren würde, doch das könnte falscher nicht sein. Tatsächlich sind die Menschen hoch emotional und folgen einfachen Mustern wie Anerkennung, Lust, Furcht. Durch Emotionen können wir sie leicht manipulieren, denn sie halten sich für selbstbestimmt und vernünftig.

D: Hast du je überlegt, mit deinen Fähigkeiten der Wahrheit zu dienen?

M: Eine interessante Frage. Ich habe tatsächlich vor langer Zeit versucht, der Wahrheit zu folgen. Ich bin damals kläglich gescheitert und habe seelisch schmerzhaft erfahren, wie gnadenlos diese Welt ist. Seither habe ich nie wieder zurückgesehen und ich habe entschieden, dass es besser ist, dem System zu dienen, als von ihm zerrissen zu werden.

D: Könnte es sein, dass du selbst ein Betrogener bist?

M: Wir sind beide Gefangene, doch sieh uns an: Nach diesem Gespräch gehst du ins Loch, während ich zu Frau und Kindern gehe und den Abend genieße.

D: ... Wie werde ich sterben?

M: Eine Injektion. Das Ganze ist kurz und schmerzlos, wir sind keine Barbaren.

(Die beiden Männer lächeln sich an)

M: Bist du bereit?

D (sieht sich verabschiedend um): ... Ja.

Der Inquisitor betätigt im Sitzen einen Knopf an der Wand. Zwei kräftige Männer in weißer Krankenhauskleidung betreten das Zimmer.

D (steht auf): Vater, bitte vergib ihnen. Denn sie wissen nicht, was sie tun.

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