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geschrieben von As'a hel.
Veröffentlicht: 21.05.2022. Rubrik: Unsortiert


Geliebter Feind

Mit einem markerschütternden Schrei fällt der letzte Ghul tot zu Boden. Der Schwertmeister betrachtet den Kampfplatz und sieht Dutzende tote Ghule sowie seine drei toten Gefährten. Der Verlust der Zwillinge erschwert den Auftrag, aber der Tod der Heilerin erfüllt sein Herz mit Trauer. Hinter einem Felsen kauert der letzte überlebende Gefährte des Schwertmeisters - ein Gelehrter, der sich mit schmerzverzerrter Miene ans Bein fasst. Ich bin verletzt!, ruft er. Der Schwertmeister sieht kurz zum lächerlichen Kratzer am Bein des Gelehrten und wendet sich wieder den Gefallenen zu. Er nimmt nützliche Ausrüstung von den toten Krieger-Zwillingen an sich, geht zur toten Heilerin und streicht ihr sanft über die Wange.

Gelehrter: Es tut mir leid. Wir sollten besser umkehren.

Der Krieger steht von der Heilerin auf, folgt dem Weg weiter in die Höhle und antwortet missmutig: Du gehst!

Der Gelehrte sieht in die Dunkelheit hinter sich, springt auf und folgt seinem Beschützer. Nach einer Weile sagt der redselige Mann: Ich hätte nicht gedacht, dass die Zwillinge so schnell fallen würden.

Ohne sich in seiner Wachsamkeit unterbrechen zu lassen, antwortet der Krieger: Sie kämpften mit Speer und Bogen, das ist im Kampf gegen mehrere Gegner auf engstem Raum ein Nachteil.

Gelehrter: Du schienst nie in Bedrängnis zu sein. Hast du je einen Kampf verloren?

Krieger: Wenn ich das hätte, wäre ich nicht mehr am Leben.

G: Und was ist mit Turnieren und Schaukämpfen?

K: So etwas mache ich nicht, weil es unecht ist.

G: Aber was treibt dich an? Reichtum und Ruhm können es nicht sein, denn obwohl du einen legendären Ruf als Abenteurer hast, erwartest du von mir nur den gewöhnlichen Lohn, obgleich unsere Aufgabe alles andere als gewöhnlich ist.

K: Ich weiß es nicht genau, vielleicht suche ich meinen Meister.

G: Du warst doch Soldat im großen Krieg, da musst du doch Gegnern begegnet sein, die dir ebenbürtig wa...

Der Krieger zieht sein Haupt- und Nebenschwert. Er geht durch einen schmalen Durchgang in eine fast lichtlose Grotte und sagt: Stell dich mit dem Rücken zur Wand und bleib dort stehen. Ich sage die Richtung, aus der sie angreifen.

G: Ich sehe die Hand vor Augen ni...

Rechts!, sagt der Krieger mit so ruhiger Stimme, dass ihn der Gelehrte kaum hört. Ein etwa zwei Zentner schwerer Werwolf schnellt aus der Dunkelheit und verliert im selben Augenblick seinen Kopf.
Vorne! Ein zweiter Werwolf hat kaum seine Pranken erhoben, da stecken schon beide Schwerter tief in seiner Brust.
Links! Unmittelbar vor dem Gesicht des Gelehrten bleiben Pranken und Kopf des dritten Werwolfs stehen und fallen dann zu Boden.

Die Geräusche in der Dunkelheit werden leiser.

K: Sie haben genug, sie ziehen sich zurück.

Der Gelehrte zittert so stark, dass der Krieger kurz nach hinten sieht.

G: Das muss der Blutverlust sein.

Natürlich, sagt der Schwertmeister freundlich und geht langsam weiter.

Nachdem sie die Grotte durchquert haben, wird der weitere Weg wieder heller, vor allem durch leuchtende Pflanzen.

G: Urim und Thummim.

K: Du kennst die Namen meiner Schwerter?

G: Ich bin Gelehrter, wir wissen solche Dinge. Weißt du warum sie so heißen?

K: Diese Namen standen schon auf den Klingen, als ich sie bei einem Auftrag für mich gewinnen konnte.

G: Wir Gelehrten wissen nicht, was die Namen bedeuten; aber vermutlich ist es die Sprache der Schöpfung. Der Überlieferung nach stammen die Namen aus einem Buch, das so legendär ist, dass es nur - das Buch - heißt. Leider haben wir es nicht, denn angeblich birgt es in sich das Geheimnis, wie man den Göttern gleich sein kann.

Der Krieger bleibt interessiert stehen, ohne die Umgebung aus den Augen zu lassen.

G: Doch jetzt kommt das Spannende: Unseren Schriftquellen zufolge wird es eine Zeit geben, wo jeder Mensch dieses Geheimnis haben kann, aber die meisten wollen es nicht. Stattdessen verbringen sie ihr ganzes Leben mit Nichtigkeiten. Kannst du dir das vorstellen?

K (aufrichtig): Nein. Warum wollen die Menschen das Geheimnis nicht?

G: Der Überlieferung nach hüllen sie sich in Metall und fahren über Land, Wasser und durch die Luft. Sie haben so große Macht und so großes Wissen, dass sie sich selbst für Götter halten. Und das, obwohl ihnen bewusst ist, dass sie sterben müssen.

K: Das ist verrückt.

G (nickt zustimmend): Nicht wahr!

Die beiden Männer erreichen ein großes unterirdisches Tal. Der Schwertmeister bleibt stehen, sieht zu einer Gestalt in großer Entfernung und sagt: Ein Geist. Ich möchte diesen Kampf gerne vermeiden. Warten wir hier, vielleicht wechselt er den Ort.

G (späht zur Gestalt): Ein Schemen. Angeblich unterliegen sie nicht unseren Beschränkungen und können sogar durch Wände gehen.

K: Ich habe im Krieg gesehen, wie eine dieser Kreaturen eine ganze Abteilung aufgerieben hat, ohne selbst einen Kratzer abzubekommen. Kann man sie besiegen?

G: Darüber streiten die Gelehrten. Manche denken, dass Silber hilft. Andere meinen, dass nicht die Waffe entscheidend ist, sondern das feste Herz des Menschen. Demnach führt Zweifel zum Tod und überzeugtes Handeln zum Sieg.

Der Schemen wogt in großer Entfernung hin und her, als ob er etwas suchen würde.

G: Warum sind die Zwillinge gefallen? Es lag doch nicht nur an den Waffen, oder?

K: Ich bin vielen guten Kriegern begegnet, aber nur eine Handvoll ist ausgezeichnet. Wenn ein Kampf unvorhersehbar wird, dann zweifelt ein guter Krieger, macht Fehler und stirbt. Ein ausgezeichneter Krieger zweifelt niemals. Der Unterschied ist Glaube.

G: Glaube woran, die eigene Kraft?

K: Es ist eher die Hoffnung, dass alles gut wird; die Überzeugung, dass jede Gefahr überwunden werden kann. Vernünftig ist das nicht und mit Worten ist das nicht erklärbar, es ist eben Glaube.

G: Seit wann hast du diese Glaubenskraft?

K: Seit ich Bescheid weiß. Durch den Krieg und das ständige Kämpfen als Abenteurer habe ich gelernt, dass es in der Welt keine Hoffnung und keine Gerechtigkeit gibt. Ich sah Knechte auf Pferden reiten und Könige, die daneben zu Fuß gehen mussten. Ich sah, dass mächtige Männer Kriege erklären und ohnmächtige Männer dadurch sterben. Ich erkannte, dass alles Tun der Menschen nichtig ist, weil wir sterblich sind.
Als ich diese Erkenntnis mit dem Herzen erfasste, bin ich innerlich gestorben. Die Welt hat keine Macht mehr über mich, und was in der Welt hoch angesehen ist, erachte ich als Dreck - Ruhm, Wissen, Lust, nichts davon hat Bestand.

G: Und was hält dich am Leben?

K: Die Hoffnung auf eine Welt, in der Gerechtigkeit wohnt. Wo die Menschen aus überzeugtem Herzen handeln und nicht aus Gefälligkeit. Mit einem Wort: Glaube.

Der Krieger sieht zum Schemen, setzt sich, lehnt Rücken und Kopf an die Wand und schließt die Augen.

G: Du willst jetzt schlafen?

K: Werde ich nicht. Ich erfrische Geist und Körper ein wenig. Rede weiter, das stört mich nicht.

Der Gelehrte sieht in die Dunkelheit hinter sich und geht unruhig auf und ab.

K: Erzähl mir von deiner Heimat.

Der Gelehrte beschreibt wortreich und ausschweifend die Pracht seines Landes.

G: ...und in der Hauptstadt stehen viele Statuen zum Andenken an zahlreiche Götter. Eine hat mich schon als Junge beeindruckt, sie heißt Statue des unbekannten Gottes. Am Fundament ist ein Satz in den Stein gemeißelt, der so alt ist, dass man ihn nur lesen kann, wenn man die Furchen mit den Fingern abtastet. Der Satz lautet: Liebe deinen Feind!

K (schmunzelt): Das würde den Ghulen und Werwölfen gut gefallen.

G (gedankenverloren): Wir denken, dass der Satz mit dem legendären Buch zusammenhängt. Der Satz macht jedenfalls keinen Sinn, aber vielleicht ist er für jene bestimmt, die nach uns kommen.

Der Krieger sieht zum Geist, doch der ist nicht mehr da. Er steht auf, zieht seinen Dolch vom Gürtel und gibt ihn dem Gelehrten.

K: Silber. Falls Geister angreifen.

G: Und womit kämpfst du?

Thummim ist aus Silber, lügt der Krieger. Die beiden Männer betreten das Tal, nehmen etwas Wein und Brot zu sich, verrichten ihre Notdurft und gehen weiter.

G: Wir müssen nahe am Ziel sein. Nach diesem Tal soll das Land der Zeitalter kommen und dort wohnt der Herr des Berges, der in den Überlieferungen nur - das Böse - genannt wird.

Die Männer haben das Tal durchquert und betreten einen schmalen Gang, der nicht natürlichen Ursprungs ist.

K: Warum leben die bösen Wesen eigentlich in der Finsternis?

G: Sie verabscheuen das Licht, weil es ihre Bosheit aufdeckt.

Der Krieger bleibt stehen, zieht sein kürzeres Nebenschwert und berührt mit seiner freien Hand die Mauer.

K: Er kommt, stoß ihm den Dolch in die Brust und glaube, dass es wirkt.

Der Schemen fährt aus der Wand, der Gelehrte sticht mit dem Dolch zu, doch ohne Wirkung. Der Geist jagt durch den Körper des Mannes und verschwindet in der gegenüberliegenden Wand. Der Gelehrte erstarrt in seiner Bewegung und fällt tot zu Boden. Der Geist fährt erneut aus der Wand und bleibt abrupt vor dem Krieger stehen. Fassungslos sieht er dem Krieger in die Augen und dann auf das Schwert in seiner Brust. Geräuschlos löst er sich in Luft auf.

Er geht weiter, betritt eine gewaltige Höhle, presst die Lippen zusammen und bleibt stehen. In der Höhle stehen und liegen Bauwerke, Bücher, Schätze, Maschinen und unzählige weitere Dinge aus allen Zeitaltern. Es scheint, als ob alles Wissen, alle Schätze, alle Herrlichkeit der Welt hier versammelt wären. Doch diese Dinge scheinen missachtet zu werden, sie verrotten und verfaulen vor sich hin. Über diesen Dingen schweben abertausende Geister.

Festes Herz!, murmelt er und geht langsam weiter. Die Geister in seiner Nähe sehen ihn an und weichen gerade so weit zurück, dass es zu keiner Berührung kommt. Schließlich steht er vor einem uralten Gebäude, dessen riesige Holztore in Flammen stehen, aber nicht vom Feuer verzehrt werden. Er geht durch die offenen Feuertore ins Gebäude.

Das Gebäude besteht aus einem einzigen großen Raum. Darin sind zerfallene Bänke, Stühle, Tische und umgestürzte Säulen, nur wenige Säulen stehen noch. Am anderen Ende des Raumes ist eine große Statue, die aussieht wie eine Mischung aus Mensch und Bestie; zudem ist männliches und weibliches Geschlecht vermischt. Die Statue strahlt ein helles, aber unnatürliches Licht ab. Unter der Statue steht ein Altar, auf dem ein ewig wirkendes Feuer brennt. Und vor dem Altar kniet eine kleine Gestalt wie von einem Kind. Der Krieger geht am Rand des Raumes entlang, bis er die Gestalt von der Seite sieht. Sie ist eine Mischung aus Mensch und Biest wie die Statue.

Bist du der Herr des Berges?

Keine Reaktion.

Bist du das Böse?

Die Gestalt sieht zur Seite, steht unbeholfen auf und nähert sich hinkend dem Krieger, während sich die Feuertore des Gebäudes schließen. Er zieht seine Schwerter und geht der Gestalt entgegen. Das Gesicht des Mischwesens ist wie von einem zornigen Kind. Der Krieger bleibt stehen und sieht mit Staunen, wie das Wesen zu einer frauenähnlichen Kreatur wird, mit dem Gesicht einer wütenden Frau. Die Kreatur ist nur noch wenige Ellen entfernt, da verwandelt sie sich in einen alten gebrechlichen Mann, der einen hasserfüllten Gesichtsausdruck hat.
Er richtet ein Schwert auf die Brust des Mischwesens, doch es hinkt unbeirrt weiter. Als die Schwertspitze das Wesen berührt, leuchtet es kurz wie die Statue. Jetzt hinkt das Wesen nicht mehr, sondern geht wie ein gesunder Zweibeiner. Der Krieger weicht zurück und schlägt mit der flachen Seite seines Schwertes auf den Oberarm der Kreatur, die erneut aufleuchtet und jetzt körperlich stärker wirkt. Sie wird wieder zum Kind und schlägt das Schwert zur Seite. Der Krieger schlägt mit der scharfen Seite auf den Oberarm, der eigentlich abgetrennt werden müsste. Stattdessen federt das Schwert zurück wie von Metall und das Kind hat jetzt sehr kräftige Muskeln. Es wird wieder zur wütenden Frau und schlägt mit Krallen an den Händen nach ihm. Er duckt sich zur Seite und führt einen starken Hieb gegen den Hals des Angreifers aus, doch das Schwert prallt ab wie von glitschigem Metall. Die Kreatur wird erfüllt vom unnatürlichen Licht und verwandelt sich in eine reißende Bestie. Er nutzt alle seine Fähigkeiten, aber mit jedem erfolgreichen Schlag wird der Feind größer, stärker und schneller. Er ist nun völlig in der Defensive und kann nur noch reagieren.

Als er seine beiden Schwerter in den Staub der Jahrtausende fallen lässt, muss er lächeln. Er kennt Fürsten, die Städte niederbrennen würden, um diese Waffen in die Finger zu bekommen. Sein Ducken, Rollen und Laufen fällt im zunehmend schwerer, er gibt sich noch höchstens zehn Minuten. Ein schneller Prankenhieb zerfetzt seine hochwertige Rüstung an der Seite und hinterlässt eine klaffende Wunde. Zwei Minuten, verbessert er sich. Eine gewaltige Gerade trifft ihn an der Brust, Rippen brechen und er fliegt quer durch den Raum. Der harte Aufprall verursacht Prellungen und eine weitere stark blutende Wunde am Nacken. Er ist noch auf allen vieren, als er den Muskelberg auf sich zustürmen sieht. Mit letzter Kraft stellt er sich auf die Beine und muss an den unsinnigen Satz des Gelehrten denken: Liebe deinen Feind!
Er schließt die Augen und ist zufrieden.

Er ist fast enttäuscht, als das Reißen und Fetzen ausbleibt. Er riecht den beißenden Gestank der Bestie und fühlt sie nahe bei sich. Er öffnet die Augen und im Abstand von einer Nasenlänge steht er Auge zu Bauch vor dem Feind. Die Klauen des Biests sind so lang wie seine Unterarme und von den Reißzähnen tropft Speichel in sein Gesicht. Er lächelt den Fleischberg an und legt seine Hand auf eine Klaue - das Biest nimmt etwas an Masse ab. Er tut dasselbe mit der anderen Hand und wieder verkleinert sich der Feind. Er umarmt herzlich den Bauch des Feindes, so weit es geht, und muss schließlich auf die Knie gehen, um das Kind noch umarmen zu können. Das Wesen hat immer noch wechselnde zornige Menschengesichter, doch es verliert das Interesse am Krieger und hinkt zum Altar.

Danke, sagt er und weiß nicht, zu wem er das eigentlich sagt. Seine Beine tragen ihn nicht mehr. Er fällt zur Seite, setzt sich mühsam auf, nimmt die letzte unzerbrochene Flasche Alkohol aus seinem Beutel und gießt sie über seine blutenden Wunden. Er nimmt Feuerstein und Zunder aus dem Beutel, entzündet ein Feuer und sieht das kleine Mischwesen wieder vor dem Altar knien, während sich die Feuertore öffnen. Er erhitzt die Klinge seines Dolches, um die Wunden zu schließen und hört sich sagen:
Liebe deinen Feind!

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