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4xhab ich gern gelesen
geschrieben 2022 von Christine Todsen.
Veröffentlicht: 23.03.2022. Rubrik: Spannung


Kommissar Kuhlmann und das mysteriöse Zeichen

„Man kann nicht erkennen, was es sein soll“, seufzte Kommissar Kuhlmann. Seine beiden Assistenten Mike und Linus sahen sich stirnrunzelnd an. Solche Worte waren sie von ihrem Chef nicht gewohnt, war er doch ein international berühmter Ermittler.

Jetzt aber schien auch er ratlos zu sein. Der Anlass war ein kleiner quadratischer Zettel, der in der Jackentasche eines unbekannten Erschossenen gefunden worden war. Als einzige Beschriftung trug er genau in der Mitte ein… ja, was?

Das Zeichen bestand aus zwei nebeneinanderstehenden Bogen. „Je nachdem, wie man den Zettel hält“, sagte Kuhlmann, „kann man es als W, M, E oder als Ziffer 3 deuten. Sofern es sich überhaupt um unsere Buchstaben und Ziffern handelt und nicht um ein ganz anderes Schriftsystem. Ich werde den Zettel einem Schriftsachverständigen zuleiten. Der kann zumindest erkennen, in welcher Richtung geschrieben wurde. Das dürfte uns schon weiterhelfen.“

Als dem Kommissar das Ergebnis des Schriftexperten vorgelegt worden war, rief er erneut seine Assistenten zu sich. „Es wird immer verrückter! Wie es scheint, wurde das Zeichen in zwei Etappen geschrieben. Zuerst der linke Bogen von links unten nach oben und wieder nach unten. Dann der rechte Bogen von rechts unten nach oben und wieder nach unten, sodass sich die beiden Bogen in der Mitte trafen. So präzise, dass es aussieht, als sei das gesamte Zeichen ohne abzusetzen geschrieben worden. Zumindest zeigt dies, dass es tatsächlich ein besonderes Zeichen ist, kein Buchstabe und keine Ziffer.“

„Und dass die schreibende Person manuell äußerst geschickt sein muss“, warf Linus ein, „oder muss man sagen: musste? Hat der Tote es womöglich selbst geschrieben?“

„Das weiß ich noch nicht. Aber danke für deine Bemerkung, Linus! Mir ist schon aufgefallen, dass der Tote ziemlich grobschlächtige Hände hatte. Wahrscheinlich schrieb es ein anderer.“ Linus war stolz.

Kuhlmanns Sekretärin Merle hatte das Gespräch mit angehört und meldete sich nun ebenfalls zu Wort. „Also, bitte nicht lachen, aber ich sehe im Fernsehen immer gern romantische Liebesfilme. Und bei den Bogen, die aufeinander zustreben, kommt mir automatisch ein Liebespaar in den Sinn. Könnte der Schreiber oder vielmehr Zeichner ein hochsensibler Künstler sein, dem ein grobschlächtiger Kerl seine Angebetete ausgespannt hat und der diesen deshalb umgebracht hat?“

Überrascht schauten die drei Herren der Schöpfung sie an. „Gar keine schlechte Idee“, musste der Kommissar zugeben und ärgerte sich insgeheim, dass er nicht selber darauf gekommen war. Ein Künstler? Kuhlmann nahm sich vor, ab jetzt auch den Kulturteil seiner Tageszeitung immer zu lesen.

*

Gedichte! Nichts lag Kommissar Kuhlmann ferner. Zwar hielt er sich seit fast zwei Wochen an seinen Vorsatz, die Kulturseiten des „Tageblatts“ nicht mehr wie früher sofort ins Altpapier zu werfen. Aber Verse scheute er noch immer wie der Teufel das Weihwasser.

Auch heute hätte er dies gemacht, wäre ihm nicht beim Weiterblättern ein Reim in die Augen gesprungen. Er blätterte zurück und las:

Weh dem Mann, der sie mir nahm,
Meines Herzens Freude!
Ewiglich in Schand und Scham
Dreifach Schmerz er leide!
Längs der Kirchenfenster Bogen
wär’n wir zum Altar gezogen…

„Das darf nicht wahr sein!“, murmelte Kuhlmann. „W… M… E… Drei… Bogen… Sollte Merle recht haben?“

Seine Identität hatte der Verseschmied nicht preisgegeben. Kuhlmann alarmierte Mike und Linus, und alle drei fuhren zur Tageblatt-Redaktion. Da es sich um ein Tötungsdelikt handelte, war diese verpflichtet, dem Kommissar den Namen und die Anschrift des Verdächtigen zu nennen.

An der angegebenen Adresse trafen die drei Beamten ihn an. Er hatte tatsächlich feingliedrige Finger und legte sofort ein Geständnis ab. „Scarlett ist auch nach dem Tod von diesem Kerl nicht zu mir zurückgekommen. Jetzt ist mir eh alles egal.“

Seiner Sekretärin zollte Kommissar Kuhlmann danach ein besonderes Lob, denn schließlich war sie es gewesen, die den Stein ins Rollen gebracht hatte: „Eigentlich sollte das Gucken von Unterhaltungsfilmen zur Ausbildung von Kriminalbeamten gehören!“

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