Veröffentlicht: 22.02.2022. Rubrik: Satirisches
Ein freilaufender Ehemann mit Hundeleine
Einige Jahre nach der Silberhochzeit störte es Herrn Knott immer mehr, dass sich die Kommunikation mit seiner Frau Hilde nur noch auf das Wesentliche beschränkte. Die Flaute nachts im Bett kam Herrn Knott, seitdem er Mitglied im Aufsichtsrat des städtischen Bordells war, sehr gelegen. Er hatte Anspruch auf einen wöchentlichen Gratisbesuch in den Gemächern der Damen. Pflichtbewusst wie er war, versuchte er diese Termine auch einzuhalten. Klappte es bei ihm nicht, spendierte er den Damen einen Eisbecher mit Schlagsahne.
Die Herren des Aufsichtsrates, die ähnliche Probleme mit der Kommunikation in ihrer Ehe hatten, rieten zum Kauf eines Hundes.
„Wir kommunizieren nur über unseren Hund und leben eine gute Ehe“, sagten sie. Herr Knott hielt es für einen guten Rat und deshalb als dringend geboten, sich einen Hund anzuschaffen.
In einem Tierheim suchte er nach einem passenden Gefährten. Eine braune Mischlingshündin gefiel ihm. Sie ähnelte einem Vorsteherhund und schien gut erzogen. Der Tierpfleger bot ihm an, Hilde, so hieß diese Hündin, auszuführen. Herr Knott nahm dieses Angebot gern an. Nach drei Ausgängen kaufte er diese Hündin. Dass sie auf den Namen Hilde hört ist gut, dachte Knott, wenn ich dement werden sollte, brauche ich mir nur einen Namen zu merken. Benötige ich einmal Hilfe, so rufe ich nur „Hilde“ und mein Hund oder meine Frau sind zur Stelle. Seine Frau war mit diesem Namen nicht einverstanden, musste ihn aber akzeptierten.
„Diese Hündin stammt aus einem H-Wurf“, sagte Herr Knott bestimmend, „der Züchter musste einen Namen mit dem Anfangsbuchstaben „H“ wählen. Er hat sich für Hilde entschieden. Daran ändere ich nichts“.
Für seine nun tägliche Beschäftigung mit Hündin Hilde kaufte sich Herr Knott Jackett und Stiefelhose im passenden Farbton zum Hundefell, dazu Langschaftstiefel und eine Schiebermütze. Er ließ sich einen Dreitagebart stehen und rauchte wieder Pfeife.
„Ein Hund erkennt seinen Herrn am Aussehen und am Geruch“, meinte Herr Knott, „und ein gepflegter Dreitagebart verschafft zusätzlichen Respekt“.
Als das Ehepaar Knott das erste Mal mit ihrer Hündin im Wohnviertel spazieren gingen, übte Herr Knott notwendige Kommandos mit Hündin Hilde. Er rief: „Guck Hilde!“, „Such Hilde!“, „Komm Hilde!“, „Platz Hilde!“ oder auch „Aus Hilde!“. Frau Knott fühlte sich stets angesprochen und von den Anwohnern beobachtet. Sie vermeidet seitdem jeden Spaziergang mit dieser Hündin. Herr Knott geht seitdem allein mit ihr und folgt den Ratschlägen aus dem Handbuch der Hundeerziehnug. Er nutzt auch die Angebote örtlicher Hundeschulen, um das Verhalten von Hilde zu perfektionieren. Seine regelmäßigen Tierarztbesuche tragen wesentlich zum Bestehen der Tierarztpraxis bei. In seinem Wohnviertel kennen alle seine Hündin. Dreimal täglich gehen sie Gassi. Zweimal eine kleine Runde für das kleine Geschäft, einmal eine große Runde für das große Geschäft.
Frau Knott beschäftigt sich, während ihr Mann und seine Hündin unterwegs sind, anderweitig. Sie hat wieder die Handarbeit für sich entdeckt und übt sich im Stricken für Hundebekleidung. Ihre Übungen beschränken sich vorerst auf Mützen und Socken für Hunde. Den Onlinehandel dafür baut sie sorgsam auf. Die hiesige Gruppe der Volkssolidarität unterstützt sie dabei aktiv in ihren Bemühungen.
Eines Morgens, Herr Knott war mit Hilde Gassi, überholte sie ein Truck. Dieser gab einen Schiffssirenenton so laut ab, dass Hündin Hilde erschrak, durchdrehte und versuchte zu fliehen. Sie zog Herrn Knott solange hinter sich her bis die Hundeleine riss. Knott stürzte, verdrehte sich den Fuß und brach sich das Schienbein. Er wurde in das städtische Krankenhaus eingeliefert und sofort operiert. Seine Frau Hilde besuchte ihn am Abend.
„Eine Woche werde ich hierbleiben müssen“, sagte Knott zu seiner Frau. Im gleichem Atemzug fragte er nach dem Befinden seines Hundes.
„Deine Hündin ist im Tierheim und dort gut aufgehoben“, antworte sie. Frau Knott vermied bewusst den Namen Hilde.
„Warum hast Du Hilde in ein Tierheim gegeben, Hilde?“, fragte Herr Knott.
„Du weißt doch, dass ich nicht mit deiner Hündin durch unser Viertel gehe und rufe: „-Guck Hilde! -, -Such Hilde! -, -Hilde Komm! - oder-Hilde Fuß! -. Das tue ich mir nicht an!“.
Herr Knott akzeptierte, wenn auch widerwillig, ihre Entscheidung.
Als Herr Knott aus dem Krankenhaus entlassen wurde, lud seine Frau ihn zum Abendessen ein. Das neueröffnete Chinarestaurant fand großen Zuspruch. Plätze gab es nur auf Bestellung. Für Familie Knott war an diesem Abend ein Tisch reserviert.
Am nächsten Tag wollte Herr Knott unbedingt ins Tierheim, um seine Hündin zu begrüßen, doch seine Frau lehnte ab. Sie habe die Hündin verkauft, sagte sie. Sie will endlich wieder ein normales Familienleben führen. Mit dem Kauf dieser Hündin habe sie verstanden, dass es in ihrer Ehe anders werden müsse. Sie habe auch in den letzten Jahren gemerkt, dass ihre Kommunikation nicht die beste war. Aber durch den Hund wäre sie noch schlechter geworden. „Den Namen Hilde kann ich nicht mehr hören“, meinte sie. Sie werde sich aber ab sofort bemühen, dass sie nochmals ihre Flitterwochen erleben und sich so verliebt fühlen, wie am Anfang ihrer Ehe. Dem Wirt des Chinarestaurants habe dieser Hund gefallen und er habe auch gut dafür bezahlt. „Immerhin“, so Frau Knott, „konnte ich mir davon einen Friseurbesuch leisten. Und unser gestriges Abendessen war ein Dankeschön vom Wirt“.
Seine Hündin Hilde für einen Friseurbesuch und zwei Handvoll Chinanudeln mit Fleischbeilage zu verkaufen, ging es Knott durch den Kopf, das kann doch nicht wahr sein. Die Vorstellung, gestern seine Hündin gegessen zu haben, erzeugten wüste Bilder in seinem Hirn. Grelle Blitze schlugen in seinen Körper. Ihm wurde schwarz vor den Augen und speiübel. Er drohte zu erbrechen. Schnell nahm er seine Krücken, ging in die Toilette und erbrach sich. Knotts Sprachzentrum war gelähmt. Er fand keine Worte und konnte es nicht glauben, dass seine Frau ihm so etwas antun konnte. Er war traumatisiert.
Fortan lebte Herr Knott im Trance. Dreimal am Tag nahm Knott die Hundeleine vom Haken, seine Krücken unter den Arm und ging Gassi. Vorerst noch die kleine Runde, um sein kleines Geschäft zu erledigen. Wenn der Gips entfernt ist, und er sich in der Hockstellung sicher fühlt, wird er auch die große Runde gehen.