Veröffentlicht: 17.12.2021. Rubrik: Nachdenkliches
Heute nicht, heute ist anders
Stumm sitzt er auf seinem Bett vor dem großen Fenster, er schaut raus und wartet bis die ersten Sonnenstrahlen am Horizont erscheinen. Es ist einer dieser Tage, an denen er die Melancholie des Alltags verflucht. Aufstehen, Kaffee schnappen und im gehen herunterkippen, zur S-Bahn laufen, den Tag im Büro verbringen und Abends ausgebrannt im Bett verglühen. Heute nicht, heute ist anders. Er geht in die Küche, vorbei an seinem Kaffeebecher, vorbei an der Haustüre, direkt auf den Wandschrank zu. Er öffnet die Türe und seine Augen wandern suchend die Regalböden ab. "Braune Kiste, wo ist die braune Kiste?", murmelt er vor sich hin. Er zieht ein paar staubige Kartons hervor, dreht seinen Kopf ein wenig zur Seite und erblickt sie, die kleine braune Kiste mit den grünen Sternen auf dem Deckel. Er streckt seinen Arm aus, greift nach ihr und zieht sie an den anderen Kisten vorbei zu sich her. Sie ist staubig und die kleinen grünen Sterne sind kaum noch zu erkennen. Er hat sie seit Jahren nicht mehr geöffnet, er hat häufig dran gedacht, aber immer wieder verließ ihn der Mut. Heute nicht, heute ist anders. Er hebt den Deckel langsam an, atmet tief ein, inhaliert den süßlichen, metallisch öligen Duft. Seine Erinnerungen leben auf, Bilder erscheinen vor seinem Auge und tanzen wild und bunt durcheinander. Er lächelt, dann entfernt er den Deckel und greift in die Kiste. Blau funkelnd liegen sie da, mit zwei großen grünen Sternen an der Seite strahlen sie ihn an. Schnell zieht er seine schwarzen Slipper aus, wirft sie in die Ecke des Flures und holt die Rollschuhe aus der Kiste. Er wiegt sie noch kurz in der Hand, dann zieht er sie an. Ein wohliges Gefühl durchströmt ihn. Er steht auf. Ein wenig wackelig auf den Beinen rollt er Richtung Schlafzimmer. Das Gefühl für die Schuhe ist schnell zurück, Aufbruchstimmung macht sich in seinem ganzen Körper breit. Er greift seinen Rucksack und stopft ein paar Sachen rein. Danach rollt er zur Haustüre, öffnet sie und dreht sich nochmal kurz um. Er hängt seine Schlüssel an das Schlüsselbrett neben dem Türrahmen, rollt auf den Flur und schließt die Haustüre hinter sich.
Er schaut auf das Bier in seiner Hand, vor ihm die Brandung von Volcadero. Er schwenkt das Glas ein paar mal bis sich eine leichte Schaumschicht bildet und leert es. Sein Blick wandert runter auf seine Rollschuhe. Immer noch strahlend blau und immer noch funkeln die grünen Sterne an der Seite. Häufig denkt er zurück an den Tag seines Aufbruchs und lächelt. Er steht auf und rollt weiter Richtung Süden.