Veröffentlicht: 28.10.2021. Rubrik: Unsortiert
Der Deserteur
Schon etwas angejahrt, also da war ich um die zweiundzwanzig trat ich einem Zirkel „Schreibender Arbeiter“ bei. Sicher weil irgendwo im Hinterstübchen der Gedanke kreiselte ich könne irgendwann ein berühmter Schriftsteller werden. Eines Tages kam ein neues Mitglied und wurde uns vorgestellt. Frisch von der Bundeswehr (damals der Klassenfeind) desertiert und zwar mit Waffe. Ich meine mich erinnern zu können das er zuvor wohl auf der anderen Seite der Grenze gedient hatte. Er ging stiften weil er die Methoden des kapitalistischen Barras verabscheute, das System an sich und bla bla bla, jedenfalls unter Einsatz seines Lebens. Er bekam hier eine Wohnung, einen Arbeitsplatz, eine Frau und wurde, als Vorzeigeobjekt sozusagen, auf Händen getragen. Ein bisschen großspurig der Gute und nicht unbedingt ein Schreibtalent. Jedenfalls legte er irgendwann eine Kurzgeschichte vor und wurde auf Grund der Schlechtigkeit dieser vom Zirkelleiter gnadenlos demontiert und verrissen. Daraufhin zückte er triumphierend ein 0815 Schmierenheft und trompetete laut das die Geschichte gut sei, sie wäre sogar gedruckt worden. Er hatte Wort für Wort abgeschrieben. Das war sein letzter Auftritt in unserem Zirkel. Jahre später traf ich ihn in einer Gaststätte zufälligerweise wieder und nach ein paar Bier und einigen Schnäpschen verlallte er sich ungewollt und eröffnete mir das er eigentlich wegen Kameradendiebstahl von der Bundeswehr getürmt sei, die Militärpolizei ihn auf dem Kieker hatte und er einer drohenden Verhaftung entgehen wollte. (ORF)