Veröffentlicht: 11.07.2021. Rubrik: Spannung
Erlenbach
KAPITEL EINS
Kriminalkommissar Karl Korte blickte an einem Wintermittag aus dem Fenster seines Büros im Polizeipräsidium von Neustadt. Seit der Nacht schneite es ununterbrochen. Die ganze Stadt lag unter einer dicken weißen Decke, die bezaubernd aussah, aber Autofahrern und Fußgängern das Vorankommen schwermachte. Hat eben alles seine Vor- und Nachteile, dachte Korte.
Sein Telefon schellte. Beunruhigt sah er im Display den Namen seines Schwiegersohns Moritz Gäns, der ebenfalls Polizeibeamter war und im Präsidium die Vermisstenfälle bearbeitete.
„Hallo Moritz, warum rufst du an? Ist was mit Carina?“
„Nein, nein, Karl, ihr und dem Kleinen geht’s bestens. Heute in einem Monat bist du wohl schon Opa. Weshalb ich anrufe: Wir haben hier einen Fall, der wie ein ganz normaler Vermisstenfall aussieht, aber ich habe den Verdacht, dass es sich um Mord handeln könnte. Kann ich gleich mal bei dir vorbeikommen und dir ein Foto zeigen, welches ich heute Morgen heimlich gemacht habe?“
Eine Viertelstunde später saß Moritz Gäns im Büro seines Schwiegervaters und schilderte ihm den Fall.
„Kennst du das Dorf Erlenbach? Es wurde vor vierzig Jahren nach Neustadt eingemeindet, sodass wir zuständig sind. Aber es liegt am äußersten Rand des Stadtgebietes und ist noch immer eine Welt für sich. Ein paar Häuser, sonst nur Felder und Wald, viele Schafe, viel Geflügel. Manchmal ist es regional in den Schlagzeilen, weil ein Wolf Nutztiere reißt und das Ministerium trotzdem verbietet, ihn zu töten. Aber sonst passiert da nie etwas. Heute früh jedoch rief uns von dort eine Frau an. Ein Achtzigjähriger, der allein in seinem Einfamilienhaus lebt und dem sie dreimal wöchentlich im Haushalt hilft, werde vermisst. Sie habe die Eingangstür unverschlossen vorgefunden, und der Mann sei nirgendwo im Haus zu finden. Mein Kollege Tom und ich sind hingefahren und haben dann einen Polizeisuchtrupp angefordert, der jetzt an der Arbeit ist. Insgeheim vermuteten wir beide, dass der alte Mann sich entweder bei einem Spaziergang verlaufen hat oder absichtlich den Kältetod gewählt hat.“
„Ja“, nickte Korte, „es kommt leider häufig vor, dass alte Menschen das Haus verlassen und nicht mehr zurückkehren. Und weshalb glaubst du, dass es Mord sein könnte? Du sprachst von einem Foto?“
„Hier!“ Moritz hielt ihm sein Smartphone hin. „Was siehst du auf diesem Bild?“
Kommissar Korte setzte seine Lesebrille auf und betrachte konzentriert das Foto. „Es scheint eine Reifenspur im Schnee zu sein, und zwar eine gefrorene“, meinte er schließlich.
„Genau das sehe ich auch! Und von was für einem Fahrzeug stammt sie wohl?“
„Hm. Von einem Auto wohl nicht. Von einem Fahrrad auch nicht. Der Größe nach könnte es ein Rollator-Rad sein, aber dann wären direkt daneben noch drei andere Reifenspuren. Merkwürdigerweise befindet sich die gefrorene Spur ja innerhalb einer kleinen Fläche, auf die kein neuer Schnee gefallen ist. Sonst sähe man die Spur ja nicht mehr. Links und rechts davon türmt sich dagegen Neuschnee auf.“
„Karl“, fragte Moritz, „könnte es das Rad einer Schubkarre sein?“
Anerkennend sah Korte seinen Schwiegersohn an. „Gratuliere! Das könnte stimmen. Wo hast du das Foto aufgenommen, und warum meinst du aufgrund des Fotos, dass es Mord war? Vermutest du, dass jemand die Leiche des alten Mannes mit einer Schubkarre weggeschafft hat?“
„Ja, so ungefähr. Zuerst muss ich dir aber berichten, was Tom und ich heute Morgen erlebt haben. Wir fuhren nach Erlenbach zur Adresse Tannenweg 5. Das eingeschossige Haus des Vermissten – sein Name ist Wolfgang Grauer – war von tiefem Schnee umgeben. Auf unser Klingeln öffnete die junge Haushaltshilfe uns sofort. Sie heißt Ronja Berlinghausen und ist sehr zierlich.“
„Hübsch?“, fragte Korte.
„Ja. Äh… natürlich nicht so hübsch wie Carina. Aber jemand, der Carina nicht kennt, würde sie sicherlich als hübsch bezeichnen.“
Moritz‘ Schwiegervater amüsierte sich köstlich. „Du bist ein guter Diplomat.“
„Ich wollte ja auch nur zum Ausdruck bringen, dass sie nicht wie ein muskelbepackter Putzdrachen aussieht, sondern eher wie eine Ballerina. Irgendwie fehl am Platze. Jedenfalls sagte sie, sie habe das ganze Haus nach Herrn Grauer durchsucht. Sogar in große Schränke und unter sein Bett habe sie geschaut, da manche Alte ja sonderbare Sachen täten. Nirgendwo sei er gewesen. Also müsse er nach draußen gegangen sein und sei inzwischen vielleicht schon erfroren.“
„Hat er das Haus öfters allein verlassen?“
„Nein. Die Hilfe sagte, er könne kaum noch gehen. Immer nur ein paar Schritte im Haus mit seinem Rollator. Der sei übrigens ebenfalls weg. Selber Auto fahren könne er auch nicht mehr. Sie koche für ihn, jeweils für ein oder zwei Tage im Voraus, und kaufe für ihn ein. Jeden Mittag sehe ein Pflegedienst nach ihm. Der habe ihn gestern noch in ganz normaler Verfassung angetroffen. Heute Morgen um acht Uhr sei er dann nicht mehr zu finden gewesen.“
„Und wie war es nun mit dem Foto?“, fragte Kommissar Korte gespannt.
„Tom und ich haben uns im Haus umgesehen und aus jedem Fenster nach draußen geschaut. Überall tiefer Schnee. Nur direkt unterhalb des Wohnzimmerfensters war die kleine Fläche mit der Reifenspur, die ich fotografiert habe, ohne der Hilfe etwas zu sagen. Wahrscheinlich liegt die Stelle so geschützt, dass Schnee nur bei einer bestimmten Windrichtung auf sie fällt. Daher war sie verschneit, als der Reifen auf ihr stand und die Spur hinterließ, aber danach bekam sie keinen Schnee mehr ab. Die mutmaßlichen Täter haben das mit Sicherheit nicht gewusst. Sie sind davon ausgegangen, dass sämtliche Spuren durch den nächsten Neuschnee ausgelöscht würden.“
KAPITEL ZWEI
Kommissar Korte saß allein an seinem Schreibtisch im Polizeipräsidium und dachte nach. Ronja Berlinghausen. Eine zierliche junge Frau, die einem Achtzigjährigen dreimal wöchentlich im Haushalt hilft? Ging sie in der übrigen Zeit keinem Beruf nach? Hatte sie trotz des immensen Altersunterschieds ein Verhältnis mit ihm? Spekulierte sie auf das Erbe? Fragen über Fragen.
Er gab den Namen Ronja Berlinghausen bei Google ein und erzielte nur drei Treffer, die allesamt wenig aussagekräftig waren. Interessanter war, was Korte sozusagen als Nebenprodukt seiner Suche erfuhr: dass es bei einem Privatsender einen TV-Meteorologen namens Ralf Berlinghausen gab. Er googelte nach ihm und klickte sich durch die zahlreichen Links in der Hoffnung auf einen Hinweis, dass die beiden mit dem seltenen Nachnamen vielleicht miteinander verwandt oder verschwägert waren. Tatsächlich landete er schließlich auf der Seite einer Familienzeitschrift, die den TV-Mann vor vielen Jahren interviewt hatte. Ralf hatte dabei seine einzige Nichte erwähnt: „Die Kleine vergöttert meinen Beruf. Ich muss ihr jeden Abend per E-Mail die aktuellsten Wettervorhersagen schicken.“
Der Name der Nichte stand nicht dabei, doch der Kommissar hielt es zumindest für möglich, dass Ronja gemeint war. Falls sie sich noch immer derart für Meteorologie interessierte, dachte er, dann wusste sie wohl auch, wann illegale Outdoor-Aktivitäten am besten stattfinden sollten. Nämlich unmittelbar vor starkem Schneefall, der – vermeintlich! – alle Spuren löscht…
Nur: Hatte Ronja tatsächlich etwas mit Grauers Verschwinden und mutmaßlichem Tod zu tun? Wenn ja: Wer hatte ihr geholfen? Oder wem hatte sie geholfen? Es musste einen oder mehrere Mittäter geben, denn eine so zierliche Frau konnte unmöglich eine Leiche allein fortschaffen, auch nicht mittels einer Schubkarre.
*
Am Nachmittag erhielt Kommissar Korte die Nachricht, dass Wolfgang Grauer tot war. Der Suchtrupp im Schneegestöber hatte die Leiche mitsamt dem Rollator etwa fünfhundert Meter vom Haus entfernt in einem Graben entdeckt. „Eine halbe Stunde später wäre der Schnee so hoch gewesen, dass wir ihn nicht mehr gefunden hätten.“
Alles sah nach dem tragischen, aber nicht fremdverschuldeten Ende eines Hochbetagten aus. Daher trauten die mit dem Fall befassten Polizisten ihren Ohren nicht, als der Kommissar eine Mordermittlung einleitete. „Laut der Haushaltshilfe konnte Grauer kaum noch gehen und fuhr auch nicht mehr selber Auto. Der Auffindeort der Leiche ist rund fünfhundert Meter vom Haus entfernt. Jemand muss sie dorthin verbracht haben. Oder den Mann dorthin gefahren und dann getötet haben. Ich ordne zunächst die Obduktion an. Während wir auf deren Ergebnis warten, versuche ich schon einmal herauszufinden, von welchem Fahrzeugtyp die Reifenspur stammt.“
KAPITEL DREI
Als Kommissar Korte einige Tage später die Mitarbeiter erneut zusammenrief, hatte er zwei Nachrichten, die wie eine Bombe einschlugen.
„Erstens: Wolfgang Grauer wurde ermordet! Auf eine so professionelle Weise, dass noch nicht einmal ein Hausarzt bei einer normalen Todesfeststellung es bemerkt hätte, geschweige denn ein medizinischer Laie. Und zweitens: Die Reifenspur konnte bisher nicht identifiziert werden. Sie scheint zu einem Spezialfahrzeug zu gehören, das hierzulande nicht hergestellt wird.“
„Das ist ja gruselig!“, sagte Moritz schaudernd. „Weißt du Näheres über die professionelle Tötungsart? Wie stellst du dir den Ablauf vor?“
„Die Täter – es waren wohl mindestens zwei – müssen Grauer in seinem Haus umgebracht haben. Vielleicht hat er sie selber hineingelassen, jedenfalls gibt es keine Einbruchspuren. Zunächst haben sie ihn wahrscheinlich betäubt, auf welche Weise auch immer, und ihm dann ein Gift injiziert. Die Leiche haben sie wohl durchs Wohnzimmerfenster hindurch auf das Spezialfahrzeug gelegt, das sie vorher dort hingestellt hatten. Falls es tatsächlich eine Art Schubkarre war, haben sie die Leiche wohl später in ein Auto umgeladen und den Rollator auch. Dann sind sie zum Wald gefahren. Den Rollator haben sie mitgenommen, damit es so aussah, als sei Grauer bei einem Spaziergang verunglückt. Sie wussten jedoch nicht, dass er eine so lange Strecke gar nicht mehr hätte gehen können.“
„Und wo blieb die sogenannte Schubkarre?“, fragte Moritz‘ Kollege Tom.
„Vielleicht konnten sie sie zusammenklappen und ebenfalls im Auto mitnehmen“, antwortete der Kommissar und fuhr dann fort: „Mich wundert, dass keiner der Nachbarn etwas gemerkt hat.“
Moritz und Tom erinnerten sich, dass das Haus etwas abseits lag und von einer hohen Hecke umgeben war. Außerdem, darin stimmten alle überein, hatten Killer-Profis ihre Tricks, um möglichst nicht aufzufallen.
„Das ist mir das größte Rätsel“, sagte Kommissar Korte. „Herr Grauer schien ein harmloser alter Mann zu sein. Wie ich inzwischen weiß, besaß er zwar das kleine Haus in dem dörflichen Vorort, aber sonst keine Reichtümer. Er war alleinstehend und kinderlos. Als Alleinerben hatte er einen karitativen Verein eingesetzt. Warum wurde ausgerechnet er von professionellen Killern umgebracht?“
„Wie ist es mit der Haushaltshilfe Ronja?“, fragte Tom.
„Über sie habe ich lange nachgedacht, aber inzwischen glaube ich nicht mehr, dass sie in die Tat verwickelt ist. Geerbt hätte sie nichts. Es scheint auch keinerlei persönliche Beziehung zwischen ihr und Grauer gegeben zu haben. Sie hatte bei ihm den Minijob – übrigens angemeldet – und verdiente sich dadurch etwas Geld neben dem Meteorologie-Studium.“
Korte beendete die Versammlung mit dem Seufzer: „Einen so komplizierten Fall hatte ich noch nie.“
KAPITEL VIER
Eine Woche war seitdem vergangen. Kommissar Korte und sein Team tappten nach wie vor im Dunkeln. Wolfgang Grauers Leichnam war inzwischen zur Bestattung freigegeben worden. An der Trauerfeier vor zwei Tagen in der Dorfkirche von Erlenbach hatten sie teilgenommen, um möglicherweise einen Hinweis auf die mutmaßlichen Mörder und ihr Motiv zu erhaschen, aber ihre Hoffnung hatte sich nicht erfüllt. Außer ihnen waren als Trauergäste nur einige Dorfbewohner sowie zwei Mitarbeiter des ambulanten Pflegedienstes, der den Verstorbenen betreut hatte, und Ronja gekommen. Verwandte oder auswärtige Freunde schien Grauer nicht mehr gehabt zu haben. Korte lernte Ronja bei dieser Gelegenheit erstmals persönlich kennen und war sich danach so gut wie sicher, dass die Studentin nichts mit der Sache zu tun hatte.
Jetzt saß der Kommissar wieder in seinem Büro im Polizeipräsidium und dachte an den Tag der Trauerfeier zurück. Ihm war gar nicht mehr bewusst gewesen, wie abgelegen und ländlich Erlenbach eigentlich war. Er selber würde niemals dort wohnen wollen. Aber natürlich gab es Städter, die es liebten, von Hühnern, Schafen, Kühen und Co. umgeben zu sein…
Ein Gedanke durchzuckte sein Hirn. Eine Idee, die so unwahrscheinlich, ja verrückt schien, dass er sie zuerst abwehren wollte. Aber war nicht der ganze Fall unwahrscheinlich und verrückt?
Nach einigem Nachdenken rief er Moritz an und teilte ihm die Idee mit. Sein Schwiegersohn reagierte verblüfft: „Das könnte tatsächlich der Grund für Grauers Tod gewesen sein!“
*
Vier Tage später lag in allen Briefkästen des Ortsteils Erlenbach ein Schreiben der Kriminalpolizei Neustadt:
„Sehr geehrte Einwohnerin von Erlenbach, sehr geehrter Einwohner von Erlenbach,
noch immer ist der Tod Ihres Mitbürgers Wolfgang Grauer nicht aufgeklärt. Wir vermuten, dass Herr Grauer durch professionelle Killer getötet wurde, kennen aber weder ihre Identität noch ihr Motiv.
Jetzt haben wir diesbezüglich eine Vermutung. Wir wissen, dass Erlenbach seit längerer Zeit Probleme mit einem Wolf hat, der Nutztiere reißt und dennoch nicht getötet werden darf. Möglicherweise hat jemand von Ihnen die Geduld verloren und im Darknet eine Firma gefunden, die Wölfe gegen Bezahlung illegal erlegt. Wenn nun diese Firma auch Menschen tötet, dann könnte es zu einer folgenschweren Verwechslung gekommen sein. Statt der ‚Bestellung‘ GRAUER WOLF IN ERLENBACH könnte jemand gelesen haben: GRAUER WOLFGANG…
Sollten Sie die Tötung des Wolfes in Auftrag gegeben haben, so sind wir in diesem Fall ausnahmsweise bereit, auf eine Anzeige zu verzichten, falls Sie uns den Namen und die Kontaktdaten der Firma nennen. Sie würden uns damit helfen, die Mörder Ihres Mitbürgers ausfindig zu machen und etwaige weitere Morde aufzuklären bzw. zu verhindern.
Besten Dank im Voraus, Ihre Kripo Neustadt.“ Es folgten Hinweise zu den verschiedenen Möglichkeiten der Meldung.
*
Kommissar Korte, der den Text zusammen mit seinem Schwiegersohn Moritz und dessen Kollegen Tom verfasst hatte, wartete gespannt auf einen Anruf, eine E-Mail, ein Fax oder eine sonstige Nachricht. Drei Tage lang geschah nichts, dann lag im Briefkasten des Polizeipräsidiums ein in Computerschrift an die Kripo adressierter Umschlag ohne Absender. Er enthielt einen anonymen, von Fehlern übersäten Brief, ebenfalls in Computerschrift. Karl Korte las:
„Hallo, ich trau euch nicht das ihr tatsächlich auf ne Anzeige verzichtet, daher nenn ich meinen Namen nicht. Das mit Herr Grauer tut mir leid. Ich wollte nur den scheiß Wolf weghaben und da hat die Firma nen scheiß Fehler gemacht. Hoffentlich bucht sie mir jetz wenigstens nichts vom Konto ab. Für Tiere nimmt sie 200 und für Menschen 2000 Euro. Sie heißt Killefit –“
Der Kommissar unterbrach das Lesen. Killefit, dachte er, so nannte meine rheinische Oma nutzlosen Kleinkram. Hier soll es wohl ein Wortspiel mit „killen“ und „fit“ sein.
Nachdem er auch noch die Kontaktangaben am Schluss des Briefes gelesen und erfahren hatte, dass sich der Firmensitz in seiner eigenen Stadt befand, schritt er sofort zur Tat.
KAPITEL FÜNF
Zwei Tage später war Neustadt international bekannt. Bei Schneefall und klirrender Kälte, so berichteten alle Medien ausführlichst, habe die dortige Polizei insgesamt zehn Mitglieder einer Killerfirma festgenommen, die im Darknet ihre Leistungen angeboten hatte. Den Mord an einem 80-Jährigen aus einem Neustädter Vorort habe man ihr bereits nachweisen können, jetzt liefen Untersuchungen zu weiteren, bisher nicht aufgeklärten Morden.
Kommissar Karl Korte und sein Team waren stolz auf ihren Erfolg. Auch die Vorgeschichte mit dem Wolf war von den Medien in epischer Breite geschildert worden. So kam es, dass bei der Kripo Neustadt das Schreiben eines Wolfsfreundes aus einem anderen Bundesland einging. Er habe volles Verständnis dafür, schrieb Peter Schmidt, dass Landwirte keinen Wolf in ihrer Nähe wünschten. Daher biete er den Erlenbachern an, das Tier einzufangen und in seinen Wolfspark zu bringen, wo es ein schönes Leben bekäme und niemandem mehr schaden würde. Kommissar Korte war von der Idee angetan und antwortete Peter Schmidt, er möchte am besten sofort kommen, denn solange noch Schnee liege, seien darin Wolfsspuren zu erkennen. Eine Woche später hatte es bereits geklappt. „Eine Win-Win-Situation für den Wolf und für die Bauern“, freute Korte sich.
Am meisten galten seine Gedanken jedoch inzwischen der bevorstehenden Geburt seines ersten Enkelkindes. „Moritz“, wandte sich der besorgte Opa in spe an seinen Schwiegersohn, „ihr wollt euren kleinen Sohn doch Erich nennen. Tut das bitte nicht! ‚Erich Gäns‘ ist zwar ganz nett. Aber wie du an der Sache mit Wolfgang Grauer gesehen hast, wird in vielen Zusammenhängen oft zuerst der Familienname und erst danach der Vorname geschrieben…“