Veröffentlicht: 28.03.2021. Rubrik: Unsortiert
Was ist wichtig?
Was ist wichtig?
Unzählige Bücher und tausende von Artikeln wurden über dieses Thema geschrieben, jede Menge Seminare und Vorträge gehalten. Trotzdem scheint es unerschöpflich zu sein. Jeder setzt andere Prioritäten, für jeden von uns ist etwas anderes wichtig. Zeitabläufe und persönliche Lebenssituationen verändern unsere Sichtweisen und lassen manches unwichtig erscheinen was wir früher als unabdingbar ansahen. Ich möchte nicht wiederholen, was schon tausendfach veröffentlicht wurde, sondern das Thema „Was ist wichtig“ aus meiner persönlichen Sicht beschreiben und dabei vor allem Aspekte betrachten, die nicht sofort und zuallererst genannt werden.
Der deutsch-irische Geiger Daniel Hope antwortete auf diese Frage: Familie – Liebe – Musik.
Auch ich halte die folgenden Kriterien bzw. Eigenschaften für absolut erstrebenswert und für wichtig in unser aller Leben. Sie sind universal und allgemein akzeptiert:
Familie – Freunde – Heimat – soziale Kontakte (sehr wichtig)
Umwelt – Klima – Natur
Ehrlichkeit – Mut – Unabhängigkeit
Ziele – positive Perspektiven - Karriere
Was sind nun die Aspekte, die ich ausführlicher beschreiben möchte und die ich für besonders wichtig halte?
An oberster Stelle stehen fast immer Gesundheit, Glück und Zufriedenheit. Alle drei Kriterien bedingen einander und hängen eng zusammen. Wenn es auch ein oft gebrauchter Allgemeinplatz ist stimmt es dennoch: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts. Ich bewundere und beneide Menschen, denen es gesundheitlich nicht gut geht und die trotzdem zufrieden, oft sogar glücklich sind. Ohne Zufriedenheit sind auch glückliche Momente kaum zu erreichen. Was versteht man unter Glück, was ist Zufriedenheit?
Glück ist ein kurzfristiger Zustand, ein momentanes Gefühl, nicht von Dauer.
Es ist nicht beständig, sondern etwas Flüchtiges. Verantwortlich sind Areale im Gehirn, die den Botenstoff Dopamin (Neurotransmitter) aktivieren. Nach vielen Studien sind wir angeblich am glücklichsten in der Kindheit und im Alter. Wesentlich ist wohl eine grundsätzlich zuversichtliche Grundhaltung.
Zufriedenheit ist mehr ein dauerhafter Zustand und bedeutet innerliche Ausgeglichenheit. Zufriedene Menschen sind mit den gegebenen Verhältnissen und Umständen einverstanden. Sie sind mit sich im Reinen. Bedürfnisse, die sie haben sind weitgehend befriedigt. Verantwortlich: Belohnungsstoffe wie Morphium und Endorphine. Um zufrieden zu sein, sollten wir lernen, negative Gedanken zu erkennen und infrage zu stellen – fällt im Alter sicherlich leichter.
Was auch immer nachfolgend als wichtig beschrieben wird, setzt weitgehend einen Zustand voraus, nämlich Frieden. Damit meine ich sowohl inneren, als auch äußeren Frieden. Ich bin mir bewusst, dass dies wohl eine kaum zu erreichende Vision ist, die – gerade im Moment – in immer weiterer Ferne entschwindet. Trotzdem müssen wir uns bemühen, diesem Ziel, zumindest in unserem kleinen Einflussbereich, so nahe wie möglich zu kommen.
Für wesentlich und wichtig halte ich Respekt. Nicht vor den im Fernsehen oder sonst wo gepriesenen, selbst ernannte oder sich selbst feiernde Promis oder Macher, sondern vor den vielen stillen Helden des Alltags (von denen keiner spricht). Kinder, die ihre alten Eltern pflegen, Nachbarn, die sich um Hilfsbedürftige kümmern, ehrenamtliche Helfer, die sich überall einbringen, wo Not herrscht oder wo sie gebraucht werden. Menschen um uns herum, die Unfälle, Krankheiten oder anderes Ungemach bravourös meistern und wortlos ihr Leben neu sortieren. Respekt vor Mitbürgern, die Großes leisten und für die Gesellschaft da sind, ohne eine Gegenleistung zu erwarten – die es einfach tun. Vor Sportlern, die nach schweren Unfällen oder Krankheiten nicht aufgeben und sich wieder zurückkämpfen und neue Höchstleistungen schaffen.
Respekt kann man auch vor sich selbst haben, nämlich dann, wenn man zu seinen Überzeugungen steht und sich nicht verbiegen lässt. Ich weiß, dass das oft schwerfällt, dass man sich nicht nur Freunde schafft. Gerade in heutigen Zeiten ist es nicht immer leicht, sich zu seinen Gefühlen zu bekennen und nicht einfach passiv alles hinzunehmen, sondern versucht, innerhalb der eigenen, beschränkten Möglichkeiten Dinge zum Besseren zu verändern. Wie gut tut es, in den Spiegel zu schauen und stolz auf sich sein zu können!
Respekt kann schnell zu Demut überleiten. Vor der überwältigenden Größe und Perfektion der Schöpfung und davor, wie alle Teile sich ergänzen und ein Ganzes bilden. Demut sollte uns ergreifen wenn wir an die großen und kleinen Wunder dieser Welt denken.
Von Pearl S. Buck stammt der Satz „Hoffnung aufzugeben bedeutet, nach der Gegenwart auch die Zukunft aufzugeben“ Ich glaube, Hoffnung hilft uns auch in schwierigen Lebenssituationen und ermöglicht es, wieder positiver in die Zukunft zu blicken. Sie bekämpft negative Gedanken und wirkt – auch für unsere Umwelt – ansteckend und überaus motivierend. Ohne Hoffnung gibt es keinen inneren Frieden und keinen positiven und freudigen, lebenswerten Ausblick auf künftige Herausforderungen. Hoffnung spornt an und lässt uns auch bei Krankheiten und beruflichen Krisen nicht verzweifeln. Aus eigener Erfahrung weiß ich, Hoffnung kann geradezu Flügel verleihen, neue, ungeahnte Kräfte mobilisieren und plötzlich Wege aufzeigen, die man vorher nicht sah. Gibt es Wichtigeres?
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass Träume für unser seelisches Gleichgewicht nötig sind und helfen können, ungelöste innere (auch äußere) Konflikte aufzulösen. Sie geben Auskunft über unser Unterbewusstsein und leisten Aufräumarbeiten im Gehirn – ein Poet meinte: sie können die Seele heilen.
Sicher ist jedoch, dass durch Träume das Erlebte verarbeitet wird, wobei jedoch nicht alles eine tiefere Bedeutung haben muss. Luzide Träume, also Klarträume (der Träumende weiß, dass er träumt) können uns helfen, mit dem Unterbewusstsein aktiv umzugehen – kann man trainieren.
Für mich sind Träume eng verbunden mit freudigen und positiven Erwartungen, mit Illusionen – von denen ich hoffe, dass einige davon wahr werden. Ich möchte nicht ohne Träume leben. Ich denke dabei an „verträumte“ Nachmittage irgendwo in der Sonne, an Erlebnisse, die nachträglich noch zu einem Lächeln zwingen, die einen weiter träumen lassen – in der heutigen Zeit fast überlebenswichtig!
Freiheit – steht für mich auf meiner Skala der wichtigsten Dinge ganz oben. Von Abraham Lincoln ist bekannt, dass der meinte, die Welt hätte noch keine richtige Definition dafür gefunden. Dies trifft zu, denn jeder versteht etwas anderes darunter. Ich glaube, Freiheit sind unsere Flügel, die uns überall hin tragen können und ungeahnte Möglichkeiten schaffen. Wir müssen sie nur nutzen und bereit sein, lebenslang dafür zu kämpfen. Die mutigen Menschen in Myanmar, in Belarus, die Opposition in Russland und in vielen anderen Ländern sind leuchtende Beispiele für das Streben der Menschen, frei zu sein und selbstbestimmt ihr Leben zu gestalten. Leider kann man Freiheit auch schamlos ausnutzen und überdehnen und damit die Freiheit Dritter beschränken. Das war wohl auch früher schon so, denn Lincoln sagte auch: „Wer anderen die Freiheit verweigert, verdient sie nicht für sich selbst“
Ich erinnere mich an albtraumhafte Reisen in unfreie Länder, bei denen ich auf Schritt und Tritt beobachtet und zu allen Terminen von „Aufpassern“ begleitet wurde.
Wie schrecklich, frustrierend und insgesamt bedrückend. Selbst bei schönem Wetter erschien alles grau in grau. Was für ein Unterschied, dann woanders anzukommen, sich frei bewegen und atmen zu können, ohne Beschränkung Kontakte zu knüpfen und frei zu sein, vor allem, sich auch so zu fühlen.
Freiheit sollte aber auch im engeren Rahmen, unter Freunden, in der Familie, in Partnerschaften gelebt werden. Gerade im zwischenmenschlichen Bereich können Unfreiheit, Bevormundung und Verletzungen gravierende Folgen haben und tiefe Wunden hinterlassen. Dazu passend ein Zitat von Jim Morrison (US-amerikanischer Sänger): „Ein Freund ist jemand, der dir völlige Freiheit gibt, du selbst zu sein“.
In einem politisch und gesellschaftlich stabilen Gemeinwesen zu leben, vermittelt Sicherheit und Zuversicht – wir sollten es als großes Glück wahrnehmen. Wie wichtig Stabilität und Sicherheit sind, können wir gerade zur Zeit angesichts großer Migrationsströme und einer Pandemie erfahren, wie wir sie bisher noch nie erlebten und vermutlich nicht für möglich gehalten hätten. Dass dies nicht selbstverständlich ist, sondern sich schnell ändern kann, sollten wir nie vergessen – wir alle sind dafür verantwortlich. Ein kurzer Gedanke an einen alten amerikanischen Leitsatz, nämlich: Become a bettter human and we become a better societey wäre möglicherweise hilfreich. Sich sicher fühlen ist schließlich eines der psychologischen Basisgefühle.
Neugierde – halte ich für sehr wichtig, denn sie lässt uns Grenzen überschreiten und treibt uns voran. Ohne Neugierde kein Fortschritt, keine Weiterentwicklung, also Stillstand. Sie ist Voraussetzung für die Evolution und ein Urinstinkt des Menschen. Sie gibt uns die Chance, uns selbst besser kennenzulernen.
Wichtig für viele von uns ist auch das richtige Umfeld, da es als unsere Komfortzone und unser Energiespender dient. Es lässt uns erkennen, was möglich ist und zeigt Grenzen auf. Ein gutes Gefühl bei der Arbeit zum Beispiel hat einen positiven Einfluss auf das Privatleben. Nach einer Gallup-Umfrage ist es weniger wichtig was wir tun als mit wem wir es tun. Durch das richtige Umfeld entsteht ein positiver Kreislauf und Energiefluss, der sich wiederum positiv auf unsere gesamte Umgebung auswirkt.
Es gibt auch unerwartete Antworten auf meine Fragen. Eine Dame aus Osteuropa meinte: „Ich selbst habe keine besonderen Wünsche für mich. Es kann so wie es ist weitergehen. Wichtig ist nur, dass es meiner Tochter immer gut gehen wird“. Ein Freund sagte: „Ich habe eigentlich alles durchgemacht, genug Höhen und Tiefen. Das einzig Wichtige auf das ich hoffe ist, dass ich noch einige Jahre – so bis 70 – meinen Job machen kann – alles andere ist mir egal“. Ein Anderer wiederum findet einzig und alleine wichtig, dass bald wieder „Normalzustände“ herrschen werden, dass er wieder reisen, Freunde besuchen und gelegentlich ausgehen und auswärts essen kann – sehr verständlich!
Hier nun eine etwas andere Sichtweise auf diese Frage. Eine medizinisch und esoterisch bewanderte Bekannte schlug vor: Präsent zu sein – seine Mitte zu finden und zu wissen wer man ist und welches die Aufgaben im Leben sind. Dies könne man nicht mit dem Verstand erfassen – und sei er noch so brillant – sondern nur gefühlsmäßig und körperlich, also „Jenseits des Denkens“ wie Eckart Tolle (Bestsellerautor und spiritueller Lehrer) das nennt. Sicher nicht einfach zu verstehen, sehr diskutabel und bestimmt nicht jedermanns Sache. Aber ein interessanter Gedanke, über den nachzudenken sich lohnt.
Abschließend ein sehr persönlicher Aspekt, den ich für wirklich wichtig halte, nämlich Erinnerungen. Erinnerungen, die nicht nur irgendwo im Unterbewusstsein schlummern und nicht tief und langfristig, nämlich lebenslang nachwirken, sondern
solche, die Spuren hinterlassen, nie mehr vergessen werden und Einstellungen ja sogar Handlungsweisen und manchmal sogar Lebensläufe verändern.
Zum Beispiel:
Ein mutiger Auftritt von Joan Baez während des Krieges in Sarajevo. In dieser schönen Stadt sang sie im Freien – Kriegslärm im Hintergrund – ihre pazifistischen Lieder, unter anderem Amazing Grace, das eine ganze Stadt tief bewegte. Nie wieder Krieg!
Ein mitternächtlicher Besuch der ehemaligen amerikanischen Botschaft im früheren Saigon. Der Reisende sah in seinem Innersten den Flug des Hubschraubers, der gerade noch über die Mauer kam und die letzten Mitarbeiter ausflog. Er konnte die Schrecken und Grausamkeiten, die sinnlosen und letztlich vergeblichen Verwüstungen durch eine „Großmacht“ nachempfinden. Nie wieder Krieg!
Ein Aufenthalt in Ruanda, nur Tage vor dem schrecklichen Bürgerkrieg und Völkermord, der Hunderttausende einer Volksgruppe das Leben kostete. Wie zerstörerisch und menschenverachtend, wie furchtbar kann religiöser Fanatismus oder Hass auf andere Volksgruppen sein. Nie wieder Krieg!
An eine Kirche in Frankfurt – die Frauenfriedenskirche – die nach dem Krieg durch Spenden und Engagement von Frauen aus ganz Deutschland erbaut wurde – zum Gedenken an die Gefallenen und Vermissten. Nie wieder Krieg!
Ein Sommerabend vor der Frauenkirche in Dresden mit zwei Musikern aus Osteuropa. Ich bekomme heute noch Gänsehaut wenn ich daran denke, wie eindringlich und doch einfühlsam sie ihre Musik präsentierten und für ihre Länder und gegen Unterdrückung warben. Alles für den Frieden!
Der kleine Junge, der während der Nacht irgendwo in Zentralamerika für Touristen Landschaftsbilder malte und dadurch zum Unterhalt seiner Familie beitrug. Tagsüber musste er arbeiten oder ab und zu zur Schule gehen. Es sollte nicht sein, dass viele Menschen zwar leben dürfen, aber absolut keine Perspektive haben!
Natürlich müssen wir die vielen wunderbaren und positiven Erinnerungen und Begegnungen ebenso wertschätzen und pflegen. Auch sie sind Teil unserer Persönlichkeit, formen uns und zaubern hin und wieder ein Lächeln in unser Gesicht. Sie sind unverzichtbar - auch sie sind wichtig.
Heinz Werner
(März/April 2021)