Veröffentlicht: 18.02.2021. Rubrik: Menschliches
Eine Geschichte übers Flirten und die Liebe- Teil 2
Schnell suchte Jessy die Unterlagen für den Großauftrag von Herrn Lauter. Jens Lauter war ein Großunternehmer und er hatte beschlossen ein Neubaugebiet nach dem anderen aus dem Boden zu stampfen. Gleich würde er kommen und es war das erste Mal, dass sie bei einem Kundengespräch mit dabei war.
Mit einem Stapel Unterlagen auf dem Arm machte sie sich auf den Weg zum Versammlungsraum.
Ihr Chef Herr Ackermann und Stefan würden auch mit dabei sein. Letzterer unterhielt sich im Eingang mit Ulla, die sich gerade auf den Nachhauseweg machen wollte.
„Grüß Janni von mir“, hörte sie sie sagen.
„Klar“, meinte Stefan mit einem breiten Grinsen. „Das mache ich doch jeden Tag.“
Als er Jessy kommen sah, sagte er: „Alles bereit?“
„Ja, ich bin so weit.“
Zusammen begaben sie sich in den Versammlungsraum.
Herr Lauter ging schnellen Schrittes vorweg und Louisa hatte Mühe mit ihm mit zu halten. Eigentlich sollte ihre Kollegin ihn heute begleiten, doch die war kurzfristig Krank geworden. Hätte Louisa das heute Morgen schon gewusst, hätte sie sich andere Schuhe angezogen. So stolperte sie ihrem Chef nun hinterher in das Bürogebäude. Sie wurden gleich in den Versammlungsraum durchgeführt, wo sie schon von den Auftragnehmern erwartet wurden.
Eine der drei anwesenden Personen kannte sie. Es war Jessy. Diese ließ es auch nicht unerwähnt und verkündete stolz: „Wir kennen uns.“
Ob ihr das nun Bonuspunkte bei ihrem, ebenfalls anwesenden Chef, einbrachte?
Da Louisas Chef sich gleich mit Jens vorstellte machten es ihm alle anderen nach und so blieb es bei Vornamen. Anwesend waren außer ihrem Chef und Jessy auch Kai, der Chef, und Stefan, der zuständige Auftragsleiter.
Es wurde gleich munter darauflos geredet. Jens Lauter war ein gesprächiger Mensch und so hatte er den größten Gesprächsanteil. Während er von seiner perfekten Bauorganisation erzählte, blieb Louisa Zeit Jessy zu beobachten. Offenbar machte ihr Jagdtrieb nach Männern auch nicht vor Kollegen halt. Sie flüsterte zwischendurch immer wieder mit Stefan und warf mit einem Augenklimpern die Haare zurück.
Wenn Louisa das machte, sah das albern aus. Jessys mindestens fünfzehn Jahre älterer Kollege entgegnete ihr ein Lächeln. Ob es nur ein höfliches Lächeln war, oder ob er den Anstand besaß nicht in aller Öffentlichkeit darauf ein zu gehen, war schwer zu beurteilen.
Ihr Chef war inzwischen bei den Bewohnern der neuen Immobilien angelangt.
„Also wir haben hier in erster Linie Reihenhäuser. Zwischen den einzelnen Riegeln sollte genügend Platz für Grünflächen sein“, führte er aus. „Es soll einen kleinen Park geben und auch einen Kinderspielplatz. Alles so ausgelegt, dass sich dort junge Familien wohl fühlen.“
„Das klingt auf jeden Fall sehr gut“, meinte Kai, offensichtlich bemüht ihm Honig um den Mund zu schmieren. „Wir hätten da auch noch ein paar Vorschläge zu.“
Als hätten sie nie etwas anderes gemacht, breiteten Jessy und Stefan zusammen einige Pläne auf dem Tisch aus. Stefan begann auch gleich zu erläutern, was sie sich dabei gedacht hatten.
„Klingt vielversprechend und vor allem so, wie ich mir das vorgestellt hatte“, meinte ihr Chef. „Ich hatte sogar schon eine Broschüre fertig, aber die war nicht divers genug. Man muss ja heutzutage auf alles Rücksicht nehmen. Nicht nur auf Mann und Frau, sondern auch alles, was es da sonst noch so gibt. Aber ich glaube nicht, dass da so ein queres Paar einzieht. War jedenfalls nicht vorgesehen.“
Louisa entging nicht, wie Kai die Augenbraue hoch zog und Stefan einen prüfenden Blick zu warf. Aber dieser war ganz in die Pläne vertieft und Louisas Chef redete auch schon weiter.
So ging der Nachmittag dahin und wurde zum Abend. Louisa hatte schon mehrfach das Gefühl, dass sich das Treffen dem Ende näherte. Doch irgendwem viel immer noch etwas ein, was es zu besprechen galt.
Ein melodisches Handyklingeln unterbrach das Gespräch.
Schuldbewusst kramte Stefan sein Telefon aus der Tasche und murmelte: „‘Tschuldigung.“
Er warf einen kurzen Blick drauf und drückte den Anrufer weg.
„Du kannst auch rangehen“, bot sein Chef an.
„Nein, war nur Janni“, meinte Stefan.
„Wer ist denn das? Die Freundin?“, wollte Luisas Chef neugierig wissen.
„Ja“, entgegnete Stefan knapp.
„Die sollte man aber nicht warten lassen“, meinte Jens.
„Janni kennt das“, sagte Kai mit einem Lachen.
„Na ja gut. Eigentlich haben wir ja auch schon alles besprochen.“
Die Versammlung gestern war gut gelaufen. Jessy lehnte neben Stefan am Schreibtisch. Zusammen fertigten sie eine Mappe mit allen wichtigen Unterlagen an. Louisa sollte sie gleich abholen kommen.
Während sie Stefan in ein belangloses Gespräch verwickelte, rutschte sie immer näher an ihn heran. Soweit bis sich ihre Körper streiften. Daran schien er sich nicht zu stören.
Als unerwartet ihr Chef in der Tür erschien spannte sie sich an, riss sich aber zusammen, nicht schnell zurück zu weichen. Nichts wäre auffälliger gewesen. Schließlich waren sie doch bei nichts ertappt worden.
„Wann wollte Janni das Muster für die neuen Werbetassen vorbei bringen?“, fragte er. „Ich muss in einer Stunde weg, zu einem Termin.“
„Eigentlich vor einer halben Stunde“, meinte Stefan mit Blick auf die Uhr.
„Ihr nehmt das beide nicht so genau, mit der Pünktlichkeit, oder?“, sagte er und verschwand wieder.
Stefan schob die Mappe in einen Umschlag und drückte ihn Jessy in die Hand.
„Wir könnten die Sachen schon mal zum Empfang bringen“, schlug er vor und meinte damit offenbar Jessy.
„Okay“, sagte sie und während sie nach unten ging, dachte sie darüber nach, dass ihm vermutlich gerade bewusst geworden war, dass seine Freundin hier jeden Moment aufkreuzen könnte.
Louisa stand tatsächlich schon am Empfang. Pünktlichkeit war wohl nicht ihr Problem.
Nach einer kurzen Begrüßung drückte sie ihr den Umschlag in die Hand.
Louisa wollte sich auch gleich schon wieder zum Gehen wenden, als hinter ihr die Tür aufging und ein Mann hereinkam.
Er hatte einen Dreitagebart, einen kleinen Genießerbauch und war um die fünfzig Jahre alt.
„Hallo“, grüßte Jessy. „Kann ich ihnen helfen?“
„Ich wollte zu Kai Ackermann“, sagte der Mann. Weiter kam er nicht mit seiner Ausführung. Jessy’s Chef kam schnellen Schrittes auf sie zu und rief: „Bist du auch mal da!“
„Ich hatte eben noch eine Lieferung, die hat etwas länger gedauert“, versuchte er sich zu rechtfertigen.
„Das ist übrigens meine neue Angestellte“, stellte Kai Ackermann sie schnell vor, während er eine kleinen Karton in Empfang nahm. „Und das ist Janni, Stefans Freund.“
Jessy versuchte ruhig ihre Gedanken zu ordnen und nahm verärgert zur Kenntnis, dass Louisa neben ihr krampfhaft versuchte ihr Lachen zu unterdrücken. Oben an der Treppe erschien Stefan und kam schwungvoll herunter gelaufen.
„Hey“, grüßte er kurz und kam neben Janni zum Stehen.
Jetzt kam in Jessy doch ein bisschen Wut hoch, die sie auch sogleich loswerden musste.
„Hättest du nicht mal erwähnen können, dass Janni ein Mann ist?“, fragte sie ihn verärgert.
„Stefan erzählt dieses Detail nicht gerne herum“, erklärte ihr Chef, während er die Porzellantasse betrachtete. „Außerdem gibt es Kunden, die solche Sachen nicht gerne hören.“ Dabei schielte er zu Louisa herüber.
„Ich würde mich ja für Herrn Lauter entschuldigen, aber ich weiß nicht ob das so viel Sinn ergibt.“
„Nein, da haben Sie gar nichts mit zu tun“, meinte Kai Ackermann und steckte die Tasse zurück in den Karton.
Jessy sah Louisa an und sah, wie sie sich auf die Lippe biss, um ihren Gedanken nicht laut aus zu sprechen. Die Botschaft kam trotzdem bei ihr an: Man verführt keine Männer, die eine Freundin haben. Da geschieht es dir Recht, dass er gar nicht auf Frauen steht.
„Ist gut so“, meinte ihr Chef zu Janni. „Ich würde mal sagen wir nehmen fünfzig Stück.“
„Okay“, sagte Janni. „Dann verschwinde ich jetzt auch schnell wieder. Dann könnt ihr euch noch bisschen aussprechen“, fügte er mit einem Zwinkern hinzu.
„Worüber sollen wir uns aussprechen?“, fragte Stefan.
„Nun tu doch nicht so unschuldig“, sagte Janni und machte Anstalten ihm einen Kuss zu geben. Aber Stefan wich aus. „Nicht vor so viel Publikum“, schimpfte er.
„Na gut. Ich dachte nur, sonst glauben sie das nicht.“
„Mach, dass du weg kommst“, rief Stefan schmunzelnd.
„Auf Wiedersehen“, sagte Janni.
Jessy war noch zu verwirrt um etwas zu antworten.