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geschrieben 2021 von Isbahan (Isbahan).
Veröffentlicht: 30.01.2021. Rubrik: Satirisches


Frau Schrömpel ist doch nicht blöd

Seit gefühlten Stunden steht sie nun schon so da und fühlt sich notorisch unterbelästigt. Sehnsüchtig erinnert sie alte Zeiten, in denen sie die Schnuckies hier noch angesprochen haben. Egal, wenn sie hier weiterkommen will, muss sie wohl ran.
Da drüben steht einer. Endlich! Glotzt in sein Notebook und macht einen auf mega beschäftigt.
Diesmal nimmt sie sich ganz fest vor, nicht gleich zu resignieren, wenn`s nicht gleich beim ersten mal klappt. Natürlich wird es irgendwann wieder aufs Gleiche hinauslaufen. Aber den Weg dorthin könnte man ja mal abwechslungsreicher gestalten.
Sie nähert mich seinem Blickfeld. Und sieht ihm dabei zu, wie er versucht, sie zu ignorieren.
Sie sieht ihn. Er sieht sie. Kommunikationstechnisch stehen sie noch ganz am Anfang.
Er tut immer noch so, als sei er mega beschäftigt.
Zu spät. Sie hat ihn fest im Blick und kommt zügig näher. Gerade, als er die Flucht ergreifen will, sagt sie: „Entschuldigung?“
Irritiert blickt er mit hochgezogenen Augenbrauen von seinem Notebook auf. Dann holt er hörbar tief Luft, sein Oberkörper strafft sich und er bellt, in einer Art Drohgebärde:“Was ist?“
Süß. Da war schon viel Schönes dabei.
„Ich störe Sie nur ungern,“ sagt sie und lächelt gewinnend.
Sie hätte auch sagen können: „Sie sind ein arrogantes, überhebliches Arschloch, unfähig zu kommunizieren, ein fauler Sack, richtig?“
Aber damit käme sie nicht weit. Also fragt sie statt dessen devot:“Wären Sie so liebenswürdig, mir zu helfen? Ich hätte gerne so einen ...!“, dabei weist ihre Hand unkoordiniert in die Abteilungen Waschvollautomaten, Staubsauger, Notebooks und Büro-Zubehör.
Auf seiner Stirn bildet sich eine Unmutsfalte. Sieht so aus, als überlege er sich seinen nächsten Schachzug, der in etwa „hamwernich“ und „mussicherstbestellen“ lauten wird.
„... Laptop!“, vollendet sie ihren Satz.
Der Verkäufer sieht sie mitleidig an – und vermutet bei ihr wohl eine ganz schräge Nummer. Seit dem You tube-Video über das Caspar-Hauser-Syndrom scheint er niemanden mehr gesehen zu haben, der so digital untervögelt aussieht wie sie.
Ihre Mundwinkel initiieren so etwas wie ein dümmlich-harmloses Lächeln: "Im Prospekt steht: Alle Preise inclusive Einrichtung. Stimmt das?“
Er guckt überrascht, als könne er es nicht glauben, dass sie das wirklich gesagt hat.
Sie gibt sich alle Mühe, den Anschein von Harmlosigkeit zu erwecken, als sei sie tatsächlich froh, dass er ihr helfen will, den Überlebenskampf im Umgang mit digitalem know-how zu überstehen.
Angewidert mustert er sie. Wie ein Opfer.
„Wie viele Stunden sind Sie denn täglich im Netz aktiv? Wollen Sie das Notebook beruflich nutzen oder privat? Für Social Media oder Home Office?“, fragt er mit arrogantem Grinsen.
Sie schaut ihn verständnislos an.
„Welches Fabrikat Sie bevorzugen? Was hatten Sie bisher für einen?“, insistiert er und mustert sie abschätzend.
„Was denken Sie denn? Noch keinen. Das wird mein Erster.“
Der Verkäufer starrt entnervt aufs Laminat unter seinen Füßen. Vielleicht hofft er, der Boden unter seinen Füßen würde sich auftun.
„Sie haben doch ein Smartphone“, konstatiert er scheißfreundlich. Als hätte er eine Idiotin vor sich.
Sie schüttelt bedauernd den Kopf.
„Nur ein Handy – und das ist jetzt … ähm … lassen Sie mich überlegen … etwa zehn, fünfzehn Jahre alt. Kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich das gekauft habe.“
„Und wie sind Sie bisher ins Internet gekommen?“, fragt er, mühsam seine aufkeimende Ungeduld im Zaum haltend. „Mit welchen digitalen Medien haben Sie bisher Social Media oder Google benutzt?“
„Gar nicht“, antwortet sie.
„Und Sie wollen … ?“, er starrt sie an, als hätte er gerade eine Erscheinung.
„So was da!“, sagt sie entschlossen und zeigt auf das nächstbeste Notebook. „Ich bin nämlich Hobby-Autorin, wissen Sie?“
Der Verkäufer sieht auf seine Uhr. Dann zu ihr. Er schaut sie flehentlich an.
Doch sie tippt gnadenlos auf den Prospekt: Und hier steht auch: „... und ausführliche Beratung für Senioren, stimmt das?“
Er nickt unweigerlich. Und scheint es gleich danach bereits zu bereuen.
„Na, dann mal los, junger Mann!“, ruft sie enthusiasmiert.
Währen er schleppenden Schrittes voranschlufft, labert sie ihm einen Knopf an die Backe:
„Mit einer elektrischen Schreibmaschine kommt man ja heutzutage nicht weit. Gibt ja auch keine vernünftigen Farbbänder mehr dafür, nä?“
In der Abteilung Büro-Elektronik angekommen, zeigt er ihr zuerst die Stradivari unter den Notebooks.
Netter Versuch.
„Schönes Teil,“ sagt sie anerkennend und befingert wie eine Blinde mit beiden Händen den Monitor, „aber Glas ist das nicht, oder?“
„Üblicherweise werden in Notebooks heute TFT - Flachbildschirme in Größen zwischen 10,4 und 20 Zoll und in Bildauflösungen zwischen XGA und UHD verbaut …“ leiert er und klappt das Luxusteil schnell zu, noch bevor sie ihn mit ihren Wurstfingern weiter entweihen kann.
„Ich hab` leider nur ein begrenztes Budget“, stellt sie bedauernd fest – nachdem sie erst umständlich ihre Lesebrille aus der Handtasche genestelt und danach ausgiebig alle Preise studiert hat.
„Haben Sie vielleicht auch B-Ware? Aufs Aussehen kommt es mir nicht so an. Hauptsache, der hat `ne Tastatur, dass ich darauf Texte tippen kann.“
Mit hängenden Schultern steht er da. Wie einer, der mit seinem Leben abgeschlossen hat.
Mit langsam versagender Stimme krächzt er: „Aber welches Betriebssystem soll denn das Notebook haben, welchen Prozessor, Arbeitsspeicher, welche Bildschirmdiagonale, FHD Display, Festplatten-Typ …?“
„Och. Hauptsache, die Farbe von dem Dingen beißt sich nicht mit meinen Wohnzimmer-Gardinen. Ich hab` nämlich gerade erst renoviert …“
Der Verkäufer reißt sich eine Plastiktüte vom Haken und atmet hinein.
„Ist Ihnen nicht gut?“
„Geht schon“, hechelt er und klammert sich ans Verkaufsregal.
Hinter seinem gramgebeugten Rücken reckt sie jetzt siegessicher beide Fäuste in die Luft und zeigt beide Daumen nach oben.
Ludwig, der mit seiner Kamera hinter den Waschmaschinen gekauert hat, springt hoch und ruft begeistert: „Ey, das Video geht gerade viral, du hast schon fünftausend likes, Alberta!!“

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Susi56 am 01.02.2021:

Herzhaft gekichert... Du hast es drauf! Heul! 😂




geschrieben von Isbahan am 02.02.2021:

Immer wieder gerne @susi56. Es freut mich, dass Du Dich beömmelt hast




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 14.02.2021:

Fies, aber lustig und intelligent 😀




geschrieben von Isbahan am 15.02.2021:

Och komm, sooo fies war das doch gar nicht - stell Dir nur mal einen noch fieseren Verkäufer vor ...

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