Veröffentlicht: 20.01.2021. Rubrik: Satirisches
Frau Schrömpel kriegt die Krise
Erster Lockdown:
In Zeiten wie diesen bete ich jeden Tag, bevor ich online gehe: Lieber Gott, gib mir die Kraft, jede Dramödie des Tages anzuschauen, die sich mir zur Ansicht aufdrängt. Hashtag: Der heißeste Scheiß zu Corona.
Berufsnarzissten gehen mir im Internet auf den Senkel, die diese Pandemie als eine witzige, neue Challenge missverstehen wollen und aus einem akuten Aufmerksamkeitsdefizit heraus stündlich Podcasts aus irgendeinem Promi-Wohnzimmer senden. Angeblich, um mich in diesen schweren Zeiten zu „unterhalten“. Für mich persönlich wäre es gar nicht schlimm, wochen- und monatelang nichts mehr von bestimmten A-Z-Promis hören oder sehen zu müssen. Ich würde es sogar außerordentlich genießen.
Wenn Marco Schreyl am Nachmittag im TV nicht fragen würde: „Und wie kriegen Sie geholfen?“
Doch Podcast geht immer. Leider. Ich finde: In Krisenzeiten sollte man nicht jeden Mist teilen - nur das Klopapier.
In den ersten Wochen als „Risikogruppe“ war im Rahmen meiner Möglichkeiten engagiert besorgt. Morgens, gleich nach dem Aufwachen, habe ich, noch im Bett, gleich Nachrichten gehört: Ob es überhaupt noch lohnt, meine Kompressionsstrümpfe anzuziehen …
Ich war auch recht umtriebig: Mit exzessivem Frühjahrsputz und manischem Schränke aufräumen. Sämtliche glatten Oberflächen, die sich finden ließen, habe ich Türkis angestrichen. Nachdem alle Wollreste weggestickt waren, die ich im Keller und Dachboden finden konnte – und ich alle Neuerwerbungen von Literatur durchgelesen habe, die sich im Bücherregal gestapelt hatten. Alles wurde kreativ bemalt, umdekoriert, neu arrangiert, was sich nicht wehren konnte und ich habe sämtliche Rezeptvorschläge von TV-Starköchen nachgekocht …
Zweiter Lockdown
Es soll Leute geben, die immer noch Hamsterkäufe machen. Ist mir unbegreiflich. Ich würde davon Verdauungsprobleme kriegen: Montags Hamsterfondue, Dienstags Hamsterbouletten, Mittwochs Hamstereintopf … und am Sonntag Hamsterrouladen? Ganz ehrlich: Lieber esse ich vier Wochen lang Möhreneintopf.
Ich hab `auch die Haare wieder nicht schön. Was ich auf dem Kopf trage ist schon lange keine Frisur mehr, sondern ein Schrei nach dem Coiffeur. Allein deshalb ist Zuhause bleiben angesagt.
Es ist ja nicht so, dass ich Hausarrest nicht kenne – aber als Kind hatte ich mir den auch redlich verdient und etliches angestellt, was verboten war. Heute bin ich eine von Millionen, die zum zweiten mal über Wochen Stubenarrest bekommen hat. Schon wieder hänge ich komatös auf dem Sofa, popele in der Nase und starre die Zimmerdecke an – obwohl sie ursächlich nix schlimmes angestellt habe. Das zermürbt. Seit Corona führe ich ein Leben wie die Amish-People: Keine Disco, keine Kneipen, kein Shoppen, kein Poppen … Ich schneide mir die Haare selbst und stricke meine Westen, Stirnbänder, Socken … selbst. Ich rühre auch meine Hautcremes wieder selber zusammen. Meine Nachtcreme könnte ich mir auch aufs Brot schmieren – falls hier noch alles dichtgemacht wird. Ich denke ernsthaft über die Aufzucht von Cannabis im Heizungskeller nach, damit ich ein bisschen Spaß habe.
Ich mache mir große Sorgen, dass es bald zu spät sein könnte, nochmal ordentlich über die Stränge zu hauen, bevor man mir einen Zettel an den Zeh hängt und mich in einen Kühlcontainer schiebt.
Deshalb habe ich mir jetzt vorgenommen: Wenn diese Sozialquarantäne schon wieder in Verlängerung geht, dann mache ich es mir so gemütlich wie möglich: Corona verträgt keinen Alkohol. Ich schon. Mein Sundowner besteht aus einem Drittel Wodka und zwei Drittel Multi-Vitaminsaft. Ich nenne ihn zärtlich meinen "Quarantänie“.
Zur weiteren Stimmungsaufhellung habe ich mir im Internet einen Erreger bestellt. Gestern kam das Päckchen , diskret verpackt, mit der Post. Leider hat es sich unser Postbote bei der Zustellung nicht nehmen lassen, laut im Treppenhaus zu singen:
... und es rappelt in der Kiste
und es rappelt im Karton
Ton Ton Ton …
Zeitgleich sprangen sämtliche Türen bei meinen Nachbarn auf, weil jeder dachte, das Paket sei für ihn. Nun mutmaßen alle, dass ich in der Quarantäne keineswegs vereinsame und verdorre, sondern Claudia-Obert-like, mit Sex & Drugs & Rock`n Roll beschäftigt bin:
I can't get no desinfaction
I can't get no desinfaction
'Cause I try, and I try, and I try, and I try
I can't get no, I can't get no …
Hey, hey hey …
Mein glutäugiger Nachbar aus Kaffeeland kümmert sich rührend um mich. Er ist sehr tolerant gegenüber deutschen Nachbarn, die durch die Isolationshaft wieder zum Exkremismus neigen. Und er scheint gewisse Kontakte zu haben. Zur Klopapier-Mafia. Gestern Abend hat er mir einen Zettel unter der Tür durchgeschoben: Kukstdu morgen ALDI: komt gans frisch Liefarung Klopapia. Gruß, Osman!
Gegen sechs Uhr in der Früh hetze ich, wieder im Beschaffungsmodus, los und mache Beute. Und habe mir vorgenommen, mich bei Osman dafür erkenntlich zu zeigen.
Als er wieder an meiner Tür geklingelt und gefragt hat, ob ich noch was brauche, habe ich ihn in radikaler Akzeptanz in meine Wohnung gezogen:“ Schön, dass wir zwei so eine gute Nachbarschaft pflegen: Du kannst mir gleich mal den Rücken eincremen!“
Osman wollte sich aus dem Staub machen, doch ich habe milde gelächelt wie Desiree Nick und geflötet: „Ausgangssperre, Darling. Du kommst hier nich` wech!“
Ich finde: Quarantäne ist doch mal eine schöne Gelegenheit, im Bett zu frühstücken. Mit dem Nachbarn …
Im Ranking geht `s mir in der erneuten Sozialquarantäne gerade so kurz vor krass. Das Einzige, was ich in diesen Zeiten wirklich fürchte, ist ins Krankenhaus zu kommen. Mein letzter Aufenthalt dort - noch in Friedenszeiten - war sehr … speziell.
Als ich nach der Narkose aufgewacht bin, dachte ich, ich sei tot. Weil an meinem Bett ein weißgekleidetes Mädchen stand.
Doch es hat mich angelächelt und gesagt: „Hallo, Frau Schrömpel. Haben Sie gut geschlafen? Ich bin Lernschwester Cindy und darf Ihnen jetzt einen Katheter legen. Ich bin etwas aufgeregt, es ist mein erstes Mal … „
Weiter ist sie nicht gekommen. Ich habe so laut angefangen zu beten, dass der Stationsarzt angerannt kam. Der war zwar auch beunruhigend jung, aber hat sein Bestes gegeben, mich zu beruhigen.
Nur meine Bettnachbarin hat dauernd dazwischen gequatscht: „Keine Angst, unser Doktor ist eine Konifere auf dem Gebiet des Verlegens von Blasenkathetern. Der fällt nicht wie eine Hygiene über Sie her. Er sieht doch ganz korpulent aus und ist so reizend, trotz der ganzen Syphillisarbeit ...“
Ich habe patzig geantwortet: „Mir können Sie mit Ihrem Fremdwortschatz nicht imprägnieren. Ob der Doktor das große oder kleine Latrinum hat: Mir doch egal! Isch kann och Latein, sogar op Kölsch: et situs vilate inis et avernit!
Also, Doktorchen: Ich habe doch keinen Morbus Bahlsen (einen an der Waffel). Rollen Sie ab mit Ihrer Gerätschaft. Bei mir wird nicht in Körperöffnungen herumgewerkelt, in die niemals die Sonne hineinscheint - jedenfalls nicht ohne Gegenwehr. Falls Sie mich mit einer Beruhigungsspritze abschießen wollen – damit ich mich hinterher high, entwürdigt und gedemütigt auf meiner Bettstatt wiederfinde und nur noch lallen kann: „Das finnichnichgut …!“, vergessen Sie` s einfach! Und falls ich mal beatmet werden möchte, dann von George Clooney!“