Veröffentlicht: 20.01.2018. Rubrik: Lustiges
Māma mà má mǎ ma?
An Franz schieden sich die Geister. Jeder war zwar in der Regel beeindruckt, wenn er ihn zum ersten Mal von seinem Hobby, der chinesischen Sprache, reden hörte. Begegnete man Franz aber mehrmals und merkte, dass dies offenbar sein einziges Thema war, wurde man seiner Ausführungen irgendwann überdrüssig.
Wieder einmal hatte Wolfgang das zweifelhafte Vergnügen, auf der Geburtstagsfeier einer gemeinsamen Bekannten auf den Hobby-Sinologen Franz zu treffen. Gerade war dieser dabei, die Töne des Hochchinesischen zu erklären. Wolfgang hatte inzwischen schon herausgefunden, dass Franz niemals in China gewesen war, sondern sein Wissen aus Wikipedia-Artikeln und anderen Internetquellen bezog.
„Der Satz ‚Schimpft die Mutter das Hanfpferd?‘ heißt auf Hochchinesisch ‚Māma mà má mǎ ma?‘“, dozierte Franz, wobei er jede Silbe in einem anderen Ton artikulierte. Er forderte seine Zuhörer auf, den Satz nachzusprechen, was naturgemäß stets misslang.
Wolfgang räusperte sich. „Hör mal, Franz, so etwas Ähnliches gibt es auch im Deutschen.“
Empört schaute Franz ihn an. „Auf keinen Fall!“
„Wollen wir wetten?“, fragte Wolfgang grinsend. „Ich bin mit meiner Frau, unserer Tochter und unserem Schwiegersohn hier. Wir gehören alle vier einer Laienspielgruppe an. Ich frage die anderen drei nur eben, ob sie den Spaß mitmachen. Wenn wir dir beweisen, dass es stimmt, musst du uns alle vier in ein chinesisches Restaurant einladen.“
„Ihr werdet die Wette auf jeden Fall verlieren. Was machst du dann?“
„Das wird nicht geschehen, aber wenn doch, werde ich im Internet deine Chinesisch-Kenntnisse rühmen.“
Um es vorwegzunehmen: eine Woche später genossen Wolfgang und seine Frau mitsamt Tochter und Schwiegersohn auf Franz‘ Kosten ein herrliches Mahl. Wie hatten sie es geschafft?
„Liebes Geburtstagskind, liebe Gäste“, hatte Wolfgang gesagt, „wir wollen euch beweisen, dass Deutsch zwar keine Tonsprache wie Chinesisch ist, aber dass es auch bei uns ein Wörtchen gibt, das auf die unterschiedlichste Weise betont werden kann und dabei mal dies und mal das bedeutet. Meine Frau Betty spielt jetzt eine Regisseurin, die mit zwei Schauspielern – unserer Tochter Tina und unserem Schwiegersohn Kai – eine Szene probt. Tina und Kai spielen Braut und Bräutigam auf dem Weg zum Standesamt, und ich spiele einen Zuschauer.“
Anschließend erfreuten sich die Anwesenden – außer Franz – dann an dem folgenden Glanzstück der Schauspielkunst.
Regisseurin: Gebt euer Bestes, ihr wisst ja!
Braut (drohend, zum Bräutigam): Sag ja ‚ja‘!
Bräutigam (entnervt): Jaaaa!
Regisseurin: Ja!!!
Zuschauer: Ist ja toll! Ja, ja…