Veröffentlicht: 25.04.2020. Rubrik: Unsortiert
Hän rakastaa häntä
„Er liebt sie, aber sie liebt ihn nicht.“ Tja, das gibt’s. Überall auf der Welt. Ebenso wie den umgekehrten Fall: „Sie liebt ihn, aber er nicht sie.“
Moment mal! Gibt’s diese Sätze wirklich überall auf der Welt?
Zumindest in Finnland nicht!
Bevor jetzt jemand beschließt, nach Aufhebung der Corona-Reisebeschränkungen sofort nach Helsinki zu fliegen, um dort die große Liebe zu finden, da seine Gefühle ja auf jeden Fall erwidert würden – ganz so einfach ist es leider nicht. Denn natürlich kann man auch im Land der tausend Seen einen Korb kriegen. Nur könnte man das nicht so leicht ausdrücken. Das Finnische unterscheidet nämlich beim Pronomen für die 3. Person Singular nicht zwischen m/w/d (wobei es für ‚d‘ auch im Deutschen noch kein Pronomen gibt!). Alles heißt unterschiedslos ‚hän‘.
Hän rakastaa häntä entspricht also nicht nur den Übersetzungen „er liebt sie“ und „sie liebt ihn“, sondern auch allen anderen auf der Basis von m/w/d möglichen Zweierkombinationen.
Ich fragte eine Deutsch-Finnin, wie man denn die beiden Sätze im ersten Absatz ins Finnische übersetzen könne. Antwort: da müsse man halt die Namen der Betreffenden nennen. Oder mit ‚Mann‘ (mies, ausgesprochen „mi-es“) und ‚Frau‘ (nainen) die Verhältnisse klären. Es gebe auch das Personalpronomen ‚se‘ für Dinge (im Deutschen ‚es‘), das in der Umgangssprache auch für Personen genutzt werde. Wieder aber wisse man nicht, ob er oder sie gemeint sei. Und noch habe ‚se‘ sich nicht für divers durchgesetzt, aber vielleicht käme das noch.
Mir gingen danach zwei Gedanken durch den Kopf, ein ernsthafter und ein lustiger. Zuerst der ernsthafte: Sprachen wie Finnisch sind ideal für Menschen, die sich einer Geschlechtsumwandlung unterzogen haben oder die sich weder als Mann noch als Frau fühlen. Dagegen haben – zum Beispiel – romanisch- und slawischsprachige Muttersprachler es in dieser Situation sehr schwer. Fast jeder Satz richtet sich in diesen Sprachen danach, ob der Sprechende männlich oder weiblich ist (etwas Drittes gibt es nicht). – Ob es bei Finnisch- oder Schwedischsprachigen (Schwedisch hat zusätzlich zum männlichen und weiblichen ein geschlechtsneutrales Pronomen) deswegen eine höhere Akzeptanz gegenüber LGBTQ gibt als in romanisch- oder slawischsprachigen Ländern, habe ich nicht untersucht. Ich halte es aber für möglich.
Und zum Schluss der lustige Gedanke: Man stelle sich vor, ein Deutschsprachiger liest irgendwo, er sei „mies“, und weiß nicht, dass es Finnisch ist…