Veröffentlicht: 20.10.2017. Rubrik: Persönliches
Ein Ladenhüter vom Flohmarkt.
Der Ladenhüter vom Flohmarkt.
In unserer Stadt wurde im Sommer für einen Samstag ein grosser Flohmarkt angekündigt, der sich über die gesamte Innenstadt ausdehnen sollte. Das war zu der Zeit, als die Geschäfte um 14 Uhr ihre Türen geschlossen hatten. Das deutete auf eine außerordentliche Veranstaltung hin, sodaß man Überlegungen anstellte, vielleicht daran beteiligt zu sein. Wenn ich an unseren Keller dachte, dann sollte die Entscheidung nicht schwer fallen. Ich setzte mich mit dem Veranstalter in Verbindung, um Einzelheiten zu erfahren. Es war notwendig sich anzumelden, um einen Standplatz zu sichern. Die belebtesten Plätze in der Fussgängerzone konnte man sich zunächst noch aussuchen. Es waren auch Gebühren fällig, dafür wurde der Standplatz allerdings genau festgehalten, sodass man sich dieser Stelle auch sicher sein konnte. Ich rührte die Werbetrommel in der Familie, denn ganz alleine wollte ich nicht da stehen. Meine ältere Schwester war sogleich hell begeistert, sie hätte sogar erwas zu veräussern, sagte sie mir. Mein jüngerer Bruder reiste mit dem PKW an, denn in seiner Stadt gab es bislang solch eine
Veranstaltung noch nicht. Der Flohmarkt warf seine Schatten voraus. Ich verbrachte etliche Zeit damit, die Regale im Keller zu sichten. So wurden viele Dinge bereit gestellt, die einer Oberflächenreinigung
bedurften. Manches Stück nahm ich mit etwas Wehmut in die Hand, denn es war alles mit Erinnerungen behaftet. Der besagte Samstag war angebrochen. Man traf sich im Laufe des Vormittags, um gemeinsam zum
Mittag zu essen. Das Wetter zeigte sich von der schönsten Seite. Nach dem Essen ging man daran, einen Holzkarren, der mit Luftbereifung ausgestattet war, zu beladen. Es war schon ein eigenartiges Gefühl, mit solch einem Gefährt durch die Strassen zu ziehen. Je mehr man sich dem Zentrum näherte, umso öfter traf man auf Ähnliches, man war dann unter seines Gleichen. An unserem reservierten Standplatz angekommen, wurde zunächst der Tapeziertisch aufgestellt. Für die seitlichen Kanten hatte ich Stangen vorbereitet, die schnell mit Schrauben angebracht waren. So konnte man auch an diesen Stellen geeignete Dinge platzieren, damit sie sogleich ins Blickfeld geraten. Es war ein fast perfekter Gauklerstand wie vom Rummelplatz. Das bunte Treiben hatte längst begonnen, unsere Auslagen waren nicht einmal alle platziert, da schauten die Leute schon in unsere Kisten und Kartons, wohl in der Annahme, es könnte etwas ganz besonderes zum Vorschein kommen.
Die Menschen schlenderten vorbei, schauten nach rechts und nach links. Zwischen den vielen Sachen auf unserem Tisch, hatte auch eine etwas ältere, kleine Handtasche meiner Schwester ihren Platz gefunden. Sie suchte ständig nach einer kleinen Lücke, um diese Tasche etwas
mehr in den Vordergrund zu rücken. Sie schien sehr daran interessiert zu sein, dass dieses Stück einen Abnehmer findet. Wir waren allesamt sehr erstaunt, dass unsere angebotenen Sachen recht schnell einen Käufer fanden. Man war ja auch sehr entgegenkommend, wenn jemand interessiert war, das ein ordentlicher Preisnachlass sofort den Kauf besiegelte. Nach ein paar Stunden, die wie im Fluge vergangen
waren, klingelte so manche Münze in der Kasse, das Angebot auf unserem Tapeziertisch hatte sich merklich verringert. Meine Schwester drehte und wendete immer noch die Handtasche, sie suchte weiterhin einen exponierten Platz dafür. Mir schien es, als würde das Ansehen dieser ältlichen Handtasche immer mehr an Anreiz verlieren. Sollte es ein Ladenhüter werden? Die Stimmung unserer grossen Schwester sank ständig mehr dem Nullpunkt entgegen. Plötzlich sagte sie, dass sie Appetit auf ein Fischbrötchen hätte, da dieser Duft von einem nahen Verkaufsstand kam. Zu diesem Zweck musste sie sich durch das Getümmel der Menschen zu einem Verkaufswagen begeben.
Als wir sie nicht mehr im Blickfeld hatten, überredete ich meinen Bruder, er möge die Handtasche doch schnell in einem nahe gelegenen Abfallbehälter entsorgen. Gesagt getan, der Ladenhüter war nicht mehr vorhanden. Meine Schwester kam zurück und fragte sehr erstaunt, ...habt ihr die Tasche verkauft? Ja, gerade eben ist sie über den Tisch gegangen, ...flunkerten wir. Ich drückten ihr drei Mark in die Hand, mit den Worten, mehr hat es nicht eingebracht. Ein verhaltenes Lächeln überzog ihr Gesicht,...naja, dann habe ich mein Fischbrötchen ja umsonst. Unsere Gesichter waren von der Sonne etwas grötet, somit war die Notlüge optisch nicht zu erkennen und einen Ladenhüter gab es nicht mehr.
Ende