Veröffentlicht: 20.03.2020. Rubrik: Kinder und Jugend
Die kleine Hexe hat eine Panne
Die kleine Hexe Marie gab tüchtig Gas, denn sie war mal wieder spät dran. Ausgerechnet heute, wo sie in der ersten Stunde Tränkebrauen bei Frau Blitzschlag hatte, musste sie unbedingt pünktlich sein. Die alte Gewitterhexe war mit Abstand die strengste Lehrerin der gesamten Zauberschule. Marie fasste den Besenstiel noch etwas fester, zog den Kopf ein und legte sich gerade schwungvoll in eine Kurve, als mit einem wilden Röhren dicke Rauchwolken aus ihrem Gefährt aufstiegen. Sofort verlor Marie an Höhe und landete schlingernd neben der Straße. Erschrocken stieg sie ab und betrachtete ratlos den Besen, der wie festgenagelt neben ihr in der Luft schwebte. Sie zog und drückte, aber er bewegte sich nicht das kleinste Stückchen. Hektisch kramte die kleine Hexe in ihrem Mantel. Endlich fand sie ihre Taschen-Kristallkugel und versuchte erst das Hexkräteriat der Schule und dann den Allgemeinen Druidischen Besen-Club zu erreichen, hatte aber kein Glück. Der Empfang hier am Boden war einfach zu schlecht.
„Verhexter Mist!“, fluchte Marie, als rumpelnd und quietschend ein Eselskarren um die Kurve bog. Darauf saß ein dicker Troll und blickte sie verschlagen an.
„Na, wen haben wir denn da?“ Mit einem gemeinen Grinsen musterte er sie und sprang auf die Straße.
„Ich heiße Marie und...“, setzte sie schüchtern an, aber der Troll unterbrach sie sofort.
„Du bist doch bestimmt eine von diesen Hexen, oder?“, fragte er lauernd.
„Das stimmt, ich bin gerade auf dem Weg zur Zauberschule“, antwortete Marie und wich einen Schritt zurück.
„Ich habe gehört, ihr Hexen könnt Dreck in Gold verwandeln, stimmt das?“, wollte der Troll mit gierig glitzernden Augen wissen.
„Einige von uns schon, aber...“
„Na los, dann rücke mal schnell all dein Gold heraus, kleine Hexe.“ Auffordernd hielt der Troll ihr seine pelzige Hand entgegen.
„Aber Dreck in Gold verwandeln kommt erst im nächsten Schuljahr dran.“
„Soll das etwa heißen, du hast gar kein Gold bei dir?“, knurrte der Troll.
„Ich habe nur mein Milchgeld dabei. Für die große Pause, weißt du?“ Marie zeigte ihm ein paar kleine Kupfermünzen.
„Tja, wenn du mir kein Gold geben kannst, werde ich dich wohl auffressen müssen.“ Der Troll leckte sich böse über die Lippen.
„Du willst mich auffressen?“ Marie war entsetzt.
„Warum denn nicht, wir Trolle machen das halt so“, kam die gleichmütige Antwort und Marie war sehr froh darüber, dass sie im Grundkurs Trolle austricksen so gut aufgepasst hatte.
„Ich könnte dir doch anstatt des Goldes meinen Besen geben“, schlug sie vor.
„Was soll ich denn mit deinem Besen? Das alte Ding ist doch total im Eimer!“
„Quatsch, du hast ja gar keine Ahnung. der Besen funktioniert noch tadellos! Was soll denn daran kaputt sein?“ Die kleine Hexe blickte den Troll herausfordernd an. Wütend trat er vor und machte sich schnaufend an dem Stiel zu schaffen. Er löste die Abdeckung, sah kurz hinein und drehte dann mit einem höhnischem Grinsen ein grünlich schimmerndes Röhrchen heraus.
„Na hier, das sieht ein Fachmann wie ich doch sofort! Der Feenstaub-Kondensator ist total verstopft.“ Er holte tief Luft und pustete kräftig hinein. Tatsächlich verschwand er fast hinter einer rosa Staubwolke.
„Das muss doch so sein! Ich glaube, du hast gar keine Ahnung von Flugbesen“, stichelte Marie und der Troll grollte wütend.
„Keine Ahnung, was? Dann sieh doch mal hier. Die Einblitzanlage ist undicht, da tropfen die Drachentränen ja schon heraus.“ Schnaufend zog er einen Bindfaden aus seiner Hosentasche und wickelte ihn fest um eine winzige Leitung.
„Also, ich weiß nicht, das kann ja jeder sagen“, grinsend reizte Marie ihn noch weiter.
„Ha! Na, dann pass mal auf: Der hermetische Manakrümmer ist ja völlig gerade, wie soll er denn da das Mana krümmen?“ Ächzend bog der Troll ein kompliziert aussehendes Teil zurecht.
„Sei bloß vorsichtig, du machst meinen schönen Besen sonst sicherlich kaputt.“
„Nicht zu fassen, was du für einen Unsinn erzählst! Hier, die Krötenschleimeinspritzung ist komplett verzogen, wie soll man denn da eine ordentliche Beschleunigung hinbekommen?“ Der Troll klopfte eine Weile konzentriert auf dem Besen herum, bevor er die Abdeckung sorgfältig schloss und sich die Hände an seiner fleckigen Hose abwischte.
„Jetzt hast du den Besen ganz bestimmt erst recht kaputt gemacht!“
„Im Gegenteil, jetzt läuft er wieder perfekt, du wirst schon sehen!“ Stolz tätschelte er mit seiner Pranke den Stiel.
„Das glaube ich dir nicht. Wenn du wirklich ein Fachmann wärst, würden die Räder an deinem Eselskarren doch nicht so schrecklich eiern“, behauptete Marie und zeigte hinter den verdutzten Troll.
„Das ist jawohl eine Unverschämtheit! An meinem Karren eiert gar nichts, wie kommst du denn darauf?“, fauchte er zornig und fuhr herum.
Schnell sprang die kleine Hexe auf ihren Besen und ließ ihn triumphierend aufheulen. Noch bevor der überraschte Troll sie packen konnte sauste Marie lachend davon.