Veröffentlicht: 11.03.2020. Rubrik: Lustiges
FRAU UM DIE 40 - SAMSTAGABENDS
Der Abend konnte kommen.
Der vom Staub befreite Fernseher, das Sofa mit der kuscheligen Decke, die Schale mit den Chips, die eisgekühlten Getränke, und Astor, der ewig hungrige Kater auf der Fensterbank, neugierig das emsige Treiben unter ihm beobachtend, alles weist auf einen geruhsamen samstäglichen Fernsehabend hin, als ihr plötzlich einfällt, dass am Montag ja Feiertag ist und es wohl besser wäre, noch ein paar Dinge im nahegelegenen Discounter einzukaufen. Kurzerhand nimmt Sie ihren Jutebeutel, etwas Geld, und macht sich auf den Weg. Sie, eine Frau um die 40, Single, rotblondes Haar, lindgrüne Bluse, Jeans, hübsch anzusehen. Auf der anderen Straßenseite sieht ein Mann gelangweilt aus dem Fenster.
Kurze Zeit später kommt Sie mit dem prall gefüllten Jutebeutel in der Hand und ihrem sympathischen Lächeln im Gesicht zurück. Die Lichter der Straße werfen erste Schatten in die Dämmerung des hereinbrechenden Abends, als Sie erstaunt stehenbleibt.
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Mit dem Jutebeutel in der Hand und ihrem sympathischen Lächeln im Gesicht verlässt Sie fluchtartig die Wohnung. Bestimmt hat Sie wieder das Katzenfutter vergessen, mein Frauchen, um die 40, Single, rotblondes Haar, lindgrüne Bluse, Jeans, hübsch anzusehen. Ich, Astor, ihr Kater, sitze wie üblich auf der Fensterbank, sehe ihr noch ein paar Meter hinterher. Ach wie schade, dass ich diese verdammt leckeren Chips nicht vertrage! Hätte auch wenig Sinn. Denn alles was in unserer Wohnung vor sich geht bekommt Sie mit. Die zwei gierigen Augen auf der anderen Straßenseite aber bleiben ihr anscheinend verborgen.
Ah, da ist Sie ja endlich! Warum aber kommt Sie nicht hoch?
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Seit langem schon bin ich, von Natur aus schüchtern, wahnsinnig aber unglücklich verliebt. Verliebt in die Frau, um die 40, Single, rotblondes Haar, lindgrüne Bluse, Jeans, hübsch anzusehen, die vis a vis von mir auf der anderen Straßenseite wohnt. 40, schätze ich, Single, ahne ich, und dass ihr Kater Astor heißt, er sitzt am liebsten den ganzen Tag auf der Fensterbank, weiß ich, da Sie ihn im Sommer bei offenem Fenster gern einmal von der Straße aus mit Namen ruft. So eilig wie Sie mal wieder mit dem Jutebeutel in der Hand und ihrem sympathischen Lächeln im Gesicht die Wohnung verlässt, will Sie bestimmt noch etwas einkaufen. Kein Wunder, bei dem Kühlschrank. Meinen ganzen Mut zusammennehmend ziehe ich mir etwas Hübsches an, gehe das Treppenhaus hinunter, überquere die Straße und patrouilliere nervös hin und her. Nur noch wenige Meter von mir entfernt, spreche ich Sie an.
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Nein, nicht schon wieder!
Der Kühlschrank ist so leer wie mein Portmonee am Monatsende. Mir fällt es natürlich mal wieder erst des samstagabends auf, kurz bevor die Läden schließen. Dem gutaussehenden Mann von gegenüber, der ab und an mal einen Blick zu mir rüberwirft, ist es mit Sicherheit bereits gestern aufgefallen. Was soll es, jetzt muss ich mich halt sputen. Eine Gemeinsamkeit hätten wir ja schon. Unsere Liebe zu Katzen. Laut unserem netten Postbeamten heißt seine Luzi. Hastig nehme ich mir etwas Geld, meine Jutetasche, versuche trotz des Stresses ein wenig zu lächeln, und verlasse die Wohnung. Beim Hinausgehen werfe ich noch kurz einen Blick über meinen Kater Astor hinweg, der wie immer träge auf der Fensterbank liegt, zu meinem heimlichen Verehrer hin. Scheinbar gelangweilt sieht er aus dem Fenster und findet das Ganze bestimmt wahnsinnig lustig. Glaube nur nicht, dass ich den ersten Schritt tue. Das musst Du schon selber machen, Bürschchen. Fast wieder Zuhause, steht er plötzlich vor mir.
Mein Herz rast!
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„Hallo“, sagt er, „und entschuldigen Sie bitte, dass ich Sie einfach so anspreche.“
„Ein fröhliches Hallo zurück“, antwortet Sie. „Sie haben mir doch nicht etwa aufgelauert?“, und lächelt ihn fragend dabei an.
„Nun ja“, stottert er verlegen, „aufgelauert ist vielleicht nicht das richtige ..., also …, aufgelauert trifft es eigentlich ganz gut, ehrlich gesagt.“
„Bist du denn nur blöd!?“, denkt er, „aufgelauert trifft es eigentlich ganz gut, ehrlich gesagt.“
Sie aber sagt nur: „Ich liebe es, wenn mir gut aussehende Männer auflauern, ehrlich gesagt“, und sieht ihn herausfordernd an.
„Ach ja?“, antwortet er, in der sicheren Gewissheit wie ein Volltrottel dazustehen.
„Sind der Herr vielleicht ein Räuber?“
Im Gegensatz zu ihm, scheint Ihr diese kleine Unterhaltung richtig Spaß zu machen.
„Aber nein, mitnichten!“, antwortet er empört. „Ich bin wohl eher ein Unsichtbarer aus dem Haus auf der anderen Straßenseite, der ab und an einmal in Ihre Wohnung schaut“.
Hatte er das wirklich gerade gesagt? „Der ab und an einmal in ihre Wohnung schaut“. Nach diesen Worten bricht er vollends innerlich zusammen, schließt seine Augen und erwartet heroisch die jetzt übliche und wohl auch verdiente Ohrfeige.
Sie aber hakt sich einfach bei ihm ein, geht weiter ihrem Zuhause entgegen und sagt:
„Dann kennst Du ja noch gar nicht den rückwärtigen Teil meiner Wohnung. Ach ja, und wenn du mich das nächste Mal besuchst, bring doch bitte deine Katze Luzi mit, dann ist sie nicht so lange allein“, mich schelmisch dabei anlächelnd. „Und wer weiß?“
ENDE