Veröffentlicht: 10.03.2020. Rubrik: Menschliches
NUR DREI WORTE
Die einen sammeln Schmetterlinge, andere Autos. Ich kannte jemanden, der sammelte diese kleinen Zuckertütchen die meist mehr oder weniger unbeachtet ihres Äußeren mit einer Tasse Heißgetränk gereicht werden. Bei jeder Gelegenheit, in jedem Urlaub, aus der ganzen Welt.
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Ich sammelte nichts. Nichts, bis ich eines Tages auf etwas gar seltsames stieß. Seltsam, schön und fremd zugleich. Ein Wort! Ein kleines, unscheinbares Wort. Versteckt unter allerlei unnützem Krimskrams nahm ich es heimlich auf und tat es ganz behutsam in eines der unzähligen Fächer. Und mit der Zeit fand ich Gefallen daran Worte zu sammeln. Kurze, lange, humorvolle, traurige, gewalttätige, sanfte, einheimische und fremdsprachige. Aus einer anfänglichen Laune wurde Leidenschaft und schließlich Manie. Die Zeit verging und ich begann vorsichtig aus den Worten erste Sätze zu bilden. Erstaunt über die Vielzahl an Möglichkeiten kombinierte ich fortan alles wie es mir gerade so in den Sinn kam. Eine bis dahin ungeahnte Freude kam in mir auf. Und dann geschah es. Plötzlich und unvermittelt lagen sie vor mir. Nie zuvor hatte ich etwas schöneres gesehen. Sofort war mir klar, dass es sich hier um einen ganz besonderen Schatz handeln musste. Insgeheim begann ich mich ein wenig umzuhören. Mein Verdacht bestätigte sich. Es gab niemanden auf der Welt der sich nicht nach diesen drei Worten sehnte. Im gleichen Augenblick wurde mir zum ersten Mal der eigentliche Sinn von Buchstaben, Worten bzw. Sätzen bewusst. Er besteht darin sie anderen mitzuteilen. Ich beschloss, diese drei Worte für eine ganz besondere Gelegenheit, einen ganz besonderen Menschen, in einem ganz besonderen Moment aufzuheben. Sie aufzuschreiben war leicht, aber würde ich sie auch aussprechen können? Ich wusste es nicht.
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Am ganzen Körper zitternd, mein Herz schlug mir bis zum Hals, umfasste ich sanft ihre Taille. Ihre strahlend blauen Augen sahen mich erwartungsvoll an. Verzweifelt suchte ich die Fächer mit den richtigen Worten. Es war noch schwieriger als ich es mir vorgestellt hatte. Und da waren sie wieder. Schön, rein und klar, mit einer gar zauberhaften Magie umgeben. Leise flüsterte ich sie ihr ins Ohr: „Ich liebe dich!“
ENDE