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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Jan Salitz (Jan Salitz).
Veröffentlicht: 04.10.2024. Rubrik: Kürzestgeschichten


Rot ist der Morgen

Rot ist der Morgen

Es war späte Nacht, als ich aus dem Schlaf gerissen wurde. Die Dunkelheit der Traumwelt verflog allmählich und zum Vorschein kam die graue Realität. Mühsam schob ich den matten Körper aus der Pritsche, die Glieder steif, der Kopf benommen. „Bist du taub Gefreiter, raus da!“, fuhr mich eine Stimme an. Hauptmann Haak, mein Vorgesetzter ragte wie ein Turm vor mir auf. Die steinerne Miene, finster wie eh und je, tötete mich nahezu mit reinen Blicken, die Pranken von Armen, die einen Mann gut geziehlt den Kopf abschlagen konnten, mal abgesehen. Seitdem ich seinem Zug zugewiesen wurde, hatte er es auf mich abgesehen. Um so früh am morgen es nicht noch schlimmer zu machen, antwortete ich so laut und klar, wie in meinem Zustand nur möglich: „Jawohl, Herr Hauptmann!“ Haak grunzte abweisend und setzte dann aber seinen gang fort. Seufzend stand ich auf: Das schlimmste war geschafft. Meine Gedanken sammelnd, sah ich mich um: Soldaten, überall, teils bereit, teils vorbereitend, teils noch liegend. Sie alle kannten den Krieg. Es war ihnen nicht unbekannt, kamen sie auch aus den abgelegensten Orten, so hatten sie diesen Fakt alle gemein, das war ihre Welt, nicht die des Arbeiters, des Bürgers oder des Industriellen. Nein, sie waren nicht Befohlene, nicht Gesandte: Soldaten. Der Krieg war ihre Heimat, ihre Arbeit, ließ ihr Herz schlagen. Er machte Sinn, es war einfach und machte sie verdammt. Sie lebten in einer Welt, die verdammt war zu Enden, eines Tages käme es zum Beschluss: der Krieg wäre vorbei, diese Welt wäre vorbei, doch ihre Bewohner würden bleiben. Verdammt in eine Welt, die sie nie akzeptieren oder verstehen würde. Als ich so durch den Gang zu meinem Spind lief, erschienen die dutzenden Gesichter, jedes mit seiner Geschichte, manche erinnert, viele vergessen. Namenlose, durch ihr Ideal zu etwas geformt. Das würde man erinnern, nicht die Soldaten. Ich kam an. Schloss die Truhe auf, meine Habseligkeiten offenbarend. Die vom Schlamm braun-grau, abgetragenen Stiefel, sie trugen mich schon weit, die geflickte Uniform hing an mir wie eine zweite Haut und der Helm, er bewahrte mich schon vor mancher Kugel und frühen Tod. Mein Tornister, Patronentaschen, Brotbeutel, Feldkompass, Kochgeschirr, zu allem hatte ich, wie jeder, eine Geschichte, sie gehörten zum Mann dazu. Zuletzt mein Gewehr und Pistole. Ich polierte sie oft, reinigten sie doch gute Dienste, was hier unentbehrlich war. Gebannt schweifte mein Blick über den Lauf. Dies war Werkzeug, ich der Arbeiter, dieser Krieg die Fabrik, Tod der Betrtiebsunfall. Stramm schnallte ich sie mir auf den Rücken, Pistole ins Halfter. Der Inhalt klappernd, ging es weiter. Am Ausgang stieß ich dem Trupp hinzu, reihte mich ein. Wir verließen die Barracke. Reihe um Reihe hieften wir uns auf die Lastwägen. Aufgesessen, schweifte mein Blick über die Szenerie. Stille, hier war es still. Ich versuchte mich nicht dran zu gewöhnen, denn wir alle wussten es war nicht von Dauer, sie dauerte nur kurz, für wenige Priveligierte. Die Motoren starteten, die Reifen quietschten und wir setzten uns in Bewegung. Ich starte auf den Boden, meine Waffe umklammert, der Lauf fühlte sich vertraut an, schon lange war er das. „Das muss er. Er ist meine Absicherung. Das Zahnrad, dass die Kettenreaktion auslöst, das meine Leben rettet, ein anderes stiehlt“, das dachte ich oft schon habe ich es erfahren, oft war ich geschockt, habe gezittert, gezweifelt. Doch nun nicht mehr. Es war Rutine. Es ging zurück. Für uns alle. Mein Blick lag nach hinten. „Zum zweiten Mal heute wurde ich aus einem Traum gerissen. Diese Idylle war vorbei.“ Ein schiefes Lächeln kam hervor, ich wollte es, ja sehnte mich danach. Und jeden Moment kam ich dem Schlachtfeld näher, während das Verlangen größer wurde und dieser neue Frontdienst seinen Anfang nahm. Die Sonne ging auf. Rot in grellen Strahlen. Rot. Etwas was ich nur allzu oft gesehen habe und nun wieder werde. Noch am heutigen Tag.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Metti am 04.10.2024:

Diese Kürzestgeschichte ist länger als manche Kurzgeschichte. Nicht so schlimm, nur ein Gedanke.

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