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geschrieben 2024 von Jürgen Berus (Jürgen Berus).
Veröffentlicht: 10.09.2024. Rubrik: Nachdenkliches


Realitätsfern

Carmen wusste, dass sie sich in einem luziden Traum befand und sie wollte dies auch ausreizen. Denn hier konnte sie ihre Handlungen beeinflussen, so wie im wirklichen Leben. Das interessanteste aber war, dass hier die Naturgesetze nicht galten. Hier konnte sie fliegen und sich in entfernte Gegenden bringen, ganz wie sie es wollte.

Oft hatte sie diese luziden Bewusstseinszustände nicht, denn meist waren ihre Träume eher durcheinander und wirr. Warum sie aber jetzt mit vollem Bewusstsein träumte, wusste sie nicht. Im Moment war es ihr auch egal. Sie wollte sich daran erfreuen. .

Mal beobachtete sie die Bewohner der anders erscheinenden Zivilisation, dann aber schwebte sie über die verschiedenen Landstriche. Im Augenblick beobachtete sie eine kleine Menschengruppe, die ein Lied einzustimmen schienen. Sie befanden sich in einer kleinen Siedlung, die von dreieckigen bis zu runden Gebäuden umsäumt waren.

Carmen kannte diese Gegend nicht, wahrscheinlich war sie gar nicht auf der Erde. Aber darüber machte sie sich nicht so viele Gedanken. Sie wollte eher Kontakt mit den Personen aufnehmen. Also ging sie mutigen Schrittes zu der kleinen Gruppe hin. Alle waren sehr vertieft in ihren Singversuchen und sie stellte sich extra so hin, dass sie wenigstens einige sehen mussten.

Die Menschen nahmen aber keinerlei Notiz von ihr. Konnten sie mich überhaupt sehen? Sie wartete und genoss sichtlich den Gesang. Nach einer Ewigkeit ertönte die Schlusssilbe und der angenommene Chorleiter sprach etwas in einer ihr unbekannten Sprache, worauf sich die Ansammlung langsam verstreute.

Carmen wollte sich aber bemerkbar machen und so lief sie einfach „rein zufällig“ auf zwei Kinder zu. Sie musste zwangsläufig mit ihnen zusammenstoßen. Allerdings lief sie einfach durch sie hindurch. Bin ich in dieser Welt ein Geist? fragte sie sich. Plötzlich wurde sie aus dem Traum herausgezogen und sie wurde wach.

Sie wunderte sich über manche Unstimmigkeiten. Die Wohnung sah ein wenig gekünstelt aus. Obwohl die Küche und das Wohnzimmer sehr modern eingerichtet waren und sie auch nach draußen blicken konnte, fehlte hier doch das Lebendige. Alles war sauber und aufgeräumt und sie fragte sich, ob dies ihre wirkliche Wohnung war. Zu steril, um darin wohnen zu können.

Die elektrischen Geräte ließen sich nicht bedienen, denn als sie versuchte, sich einen Kaffee zu machen, schwiegen die Maschinen. Als ob nichts eine Funktionalität hätte, einfach nur Attrappen in dieser komischen Umgebung. War diese Umgebung ihr Zuhause? Irgendwie hatte sie andere entfernte Erinnerungen an ihr Leben.

Die Fenster ließen sich nicht öffnen und auch die Haustür nach draußen war bombensicher verschlossen. Was ging hier vor?

Sie schien gefangen zu sein in diesem Haus.

Auf dem gemütlich, weichen Sofa schlief sie dann wieder ein und wunderte sich, dass sie schon wieder in einem luziden Traum gelandet war. Diesmal sah sie in weiter Ferne einen imposanten Wasserfall. Sie flog über gewaltige Schluchten, bis sie plötzlich ein kleines Dorf entdeckte.
Emsiges Treiben schien nur auf dem Marktplatz zu sein. Hier pulsierte das Leben. Also entschloss sich Carmen, diesen Ort zu besuchen. Sie schwebte zum Anfang des Standorts und legte den Rest des Weges zu Fuß fort.

Nach einiger Zeit erreichte sie den ersten Stand und auch die ersten Menschen. Bunt und farbenfroh präsentierte sich der Markt vor Carmens Augen. Allerlei Waren wurden dort angeboten, allerdings erkannte sie das meiste nicht. Besonders die Gemüse- und Obstsorten waren ihr unbekannt.

Auch hier konnte sich nicht mit den Bewohnern interagieren. Nach unzähligen Versuchen war ihr klar, dass ihre derzeitige Körperpräsenz nicht mit der der Menschen hier übereinstimmte. Sie ging weiter und wollte gerade in die Seitenstrasse gehen, als ihr Gefühl ihr sagte, dass gleich alles zu Ende war.

Plötzlich wurde sie recht unsanft aus ihrem Traum geweckt. Stimmen riefen ihren Namen und irgendwie hatte sie das Gefühl, als ob jemand sie rüttelte. Sie lag auf dem Sofa, doch irgendetwas erschütterte ihren Körper. Blitzartig war sie in einer anderen Umgebung und das Licht blendete ungemein. Noch ein wenig benommen setzte sie sich auf.

Ihre Mutter hatte ihre Wohnung mit einem Nachschlüssel geöffnet, nachdem sie sich eine Woche lang nicht gemeldet hatte. Sofort war der Mutter klar gewesen, dass die neue Spiele- Apparatur schuld an Carmens Zustand war. Sie schaltete die Maschine aus und nahm ihr die Brille vom Kopf.

Jetzt war Carmen endlich in der wahren Realität und konnte auch ganz normal mit ihrer Familie und ihren Freunden agieren. Nun erinnerte sie sich auch vollends an ihre Wohnung und ihr Leben in dieser Welt.

„Ich bin so froh, dass du mich geweckt hast, ohne Dich wäre ich wahrscheinlich ewig gefangen gewesen.“ „Es ist mir ein Rätsel, warum du dich so stark mit dieser neuen Technologie identifizierst? Diese Technik ist so neu und wurde auch noch nicht richtig getestet.“

Ihre Mutter schaute sie vorwurfsvoll und gleichzeitig ungläubig an, so als ob sie die Tochter wie ein kleines Kind tadeln wollte. Sie umarmte ihre Mutter und versprach, dass sie diese Maschine entsorgen würde.

„Dann aber sofort!“ Ihre Mutter ließ keinen Widerspruch zu und so packte Carmen die Sachen zusammen und ging aus dem Haus, um das „Teufelszeug“ zu entsorgen.

Für einen kurzen Moment genoss sie die Sonne und die herrliche Luft, die nun ungehindert ihren Leib benetzte. Nach einer Woche Abgeschiedenheit in ihrer stickigen Wohnung, eine wunderbare Wohltat für ihren Körper.

Die ganze Zeit über war sie an einer Simulationseinheit angebunden gewesen. Sie war wohl, während sie an dieser Maschine angeschlossen war, ganz einfach eingeschlafen. Da der Traum so interessant gewesen war, vergaß sie einfach, dass sie in der wirklichen Realität an einer Maschine angeschlossen war, die die reale Welt einfach nur vortäuschte.

War sie wirklich in der echten Realität? Auf jeden Fall in der ehemals gewohnten Realität.

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