Veröffentlicht: 19.09.2023. Rubrik: Persönliches
Pacemaker
Exakt 1 Jahr nach meinem ersten Halbmarathonversuch, stehe ich wieder in der Wachau. Diesmal sollte es ohne Kotzstopp geschafft werden. Rund um mich herrscht ein stetiges Gedränge. Aus den Lautsprecherboxen hört man den Moderator den Start anzählen: Noch 10, 9, 8,….!
Ich bin bereit. Auf jeden Fall bereiter als im letzten Jahr. Die Nervosität ist im normalen Alltagslevel anzufinden. Das Startsignal ertönt und langsam, fast gemächlich bewegt sich der Tropf an Menschenmasse in Richtung Startmatte. Schleppend kommen wir vorwärts. Die Sonne scheint. Die Temperaturen sind beachtlich, beachtlich warm für diese Jahreszeit. Der erste Kilometer ist rasch erreicht. Mein Freund deutet mir, dass die Pace stimmt. Ich strecke ihm meinen nach oben gerichteten Daumen entgegen und merke, dass sich das Tempo nicht gut anfühlt. Wir überholen den Pacemaker im schwarzen Shirt. Die Ärztin hat mir zwar grünes Licht für den Lauf gegeben, mir aber gleichzeitig ans Herz gelegt, doch auch auf meinen Körper zu hören. Mein Körper sagt mir bei Kilometer vier, dass ich langsamer laufen soll. Oder war es ein Befehl? Ich sage es weiter an meinen Laufkumpel und er schleicht neben mir her für die nächsten 10 Kilometer. An meinem letztjährigen Kotzstopp lasse ich ihn davonziehen und treffe ihn erst wieder im Ziel. Die letzten sieben Kilometer sind wieder einmal eine Qual. Mein Körper plagt sich. Mein Verstand motiviert ihn. Die anderen Läufer und Läuferinnen überholen mich, dann überhole ich sie wieder zurück. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Der Pacemaker überholt mich. Ich verfluche die Hitze, verfluche die Idee 20,9irgendwas Kilometer zu laufen, verfluche diesen stoisch, ruhigen Läufer, diese verdammte Pate in meinem Kopf. Sanitäter klauben den einen und anderen Läufer von der Strecke. Die Hitze zollt ihren Tribut. Andere brechen zusammen. Ich gebe nicht auf. Ich halte durch. Das Ortsschild von Krems lasse ich hinter mir. Die nette Dame mit dem Power-UP Plakat lasse ich hinter mir. Es sind die letzten Meter durch diese Stadt. Die letzten Umwege bevor man auf die Zielgerade einbiegt. Ich mobilisiere meine letzten Kraftreserven und gebe noch einmal Gas. Niemals nie, möchte ich über 2 Stunden laufen. Den freundlichen Mann, welcher mir zuvor noch auf die Schulter geklopft hat und mir ein motivierendes: „Geht schon noch!“ zugerufen hat, lasse ich wieder hinter mir. Nur diesen Pacemaker hole ich nicht mehr ein. „Macht nix“, denke ich mir im Ziel, wo mein Laufbuddy schon auf mich wartet. 1,5 Liter Flüssigkeit später, kann ich wieder klar denken. Wir schleppen uns zu den Kleiderbussen und legen die versiffte Kleidung in den Turnbeutel des Grauens.
Ein Bier später reden wir schon vom nächsten Halbmarathon in der Wachau. Die Schmerzen und Qualen sind wie weggeblasen und wir scherzen über die diesjährige Hitzeschlacht.