Veröffentlicht: 31.08.2023. Rubrik: Total Verrücktes
Das Böse im Engel ist überall
Thomas Furunkel, ja Furunkel, richtig gelesen, so hieß er. Dieser alte Haudegen muss so um die 50 gewesen sein, als ich ihn zum ersten und damit auch zum letzten Mal getroffen hatte.
Alles geschah an einem schwülen Mittwochabend im Juli des Jahres 2015. Wien, die Stadt inmitten Europas, das internationale Aushängeschild für Integration und Rechtspopulismus durfte Austragungsort dieses besonderen Abends sein und ich als kleines Puzzleteil saß mittendrin in dem Schlamassel.
Café Engel so gegen 17:00 Uhr, ich war gleich nach Büroschluss hin um mir mein Feierabendbierchen zu gönnen als auf einmal die Türe aufflog und Furunkel hereinstürmte. Thomas Furunkel, der alte Haudegen kam herein in der einen Hand hielt er eine Pistole aus dem zweiten Weltkrieg, ich denke es war eine Luger und in der anderen hielt er ein Plastiksackerl von Lidl.
Geld her oder ich baller das Engelchen nieder, brüllte er mit verzweifelter Stimme und knallte dabei mit der Pistole auf den Mahagonitisch. Die bulgarische Bardame nahm artig die Hände in die Höhe und fragte dann mit seichten Balkanakzent, magst du auch ein Bier, Schatzi?
Furunkel, mittlerweile schweißgebadet, nickte ihr zu und sie betätigte den Zapfhahn. "Brauchst du gar nix bezahlen", geht aufs Haus, erklärte sie ihm und er nickte abermals. Dann setzte er sich hin und schnaufte mit Adam, einem 76 jährigen Juden, der ein Atemgerät brauchte, um die Wette. Gerade als Furunkel wieder zu Luft kam, nahm Adam seine Sauerstoffmaske ab und fragte "was wüst du eigentli von uns, san ma net alle Freinde?" Nickend und triefnass sah Furunkel sich um, jeder Gast im Engel, war ein Bekannter, ein Saufkumpane, ein Freund von ihm. Diese Menschen wollte, nein konnte er nicht ausrauben.
Da hatte ich nochmals Glück gehabt, dachte schon ich muss mich mit ihm anlegen und ihn überwältigen. Aber soweit sollte es nicht kommen, das Bierchen aufs Haus ließ ihn beruhigen, der Angstschweiß auf seiner Stirn wurde langsam weniger und die Luger verschwand im Lidlplastiksackerl. Um 17:43 Uhr war der ganze Wirbel vorbei und wir soffen in Ruhe dem Engel das Bier aus. Die Hitze half der Bardame und es sollte ein rauschiger Abend werden.
Um 18:12 Uhr kam Igor, der Besitzer, ins Café und bekam gerade noch mit, wie Adam versuchte seine Sauerstoffflasche mit seinem gediehenen Körper aus der Eingangstür zu manövrieren. Als es Adam dann endlich packte und die Tür wieder ins Schloss fiel, mussten wir alle laut loslachen. Igor, von kastenähnlicher Figur, lachte am lautesten, dann sagte er, "Vodka für Alle, wir müssen feiern".
Also bekam ich von der bulgarischen, fast Schönheit, einen doppelten Vodka auf den Tisch geknallt, welchen wir vier nach einem kurzem, Prost, auch schon wieder vernichtet hatten.
Thomas Furunkel hing schon mehr über dem Tresen als dass er sich noch gerade halten hätte können. Er starrte vollkommen überfordert in das tiefe Dekolleté der zuvorkommenden, bulgarischen Gastarbeiterin und vergaß darüber hinaus seinen Zeitplan einzuhalten. Während sich so gegen 19:37 Uhr das Café mit ein paar Hipster füllte, taumelte er nach draußen mit den Worten, Jungs, ich bin nun reich, ab auf die Bank.
Sein Schatten torkelte auf den Gehsteig und genauso rasant, wie sein bösartiger Überfall geplant war, genauso schnell war er verschwunden und in die magische Wiener Nacht gestolpert. Übrigens fand man ihn schlafend am nächsten Morgen, vollkommen besoffen auf einer Bank liegend. Er konnte sich an nichts mehr erinnern. "Selbst das Plastiksackerl war verschwunden", erzählte er allen.
Zurück im Engel war ich eingepfercht mit den 5 Hipsterfreunden und bemühte mich um Contenance. Ihre verschmierten, gestylten Bärte machten mich wahnsinnig und ich versuchte meinen Wahnsinn zu verbergen. Igor, wohlgemerkt, der Besitzer, konnte mit der wohl ernstgemeinten Frage, ob es denn einen veganen Toast gäbe, nichts anfangen und konterte mit dem Spruch, bevor mein Toast vegan ist, ess ich Hipster zum Nachtisch. Leicht um frische Luft bemüht, schlichen die 5 Hipsterkameraden aus dem Engel und Igor, Sveti (Svetlana) =die Bardame und ich waren nun endlich wieder unter uns im Engel. Igor setzte sich zu mir und obwohl ich schon einiges intus hatte, konnte ich noch ohne zu lallen mit ihm kommunizieren. Er erzählte mir von gestern Abend und dass er die Frau seines Lebens entdeckt hätte und dass ich sie heute noch unbedingt kennenlernen müsste.
Ich war erstaunt über so viel Vertrauen, denn bis auf eine kurze Unterhaltung am Häusl, hatten wir beide noch nie viel geredet. "Um 20:30 Uhr kommt sie, du wirst sehen, sie ist wie Granate". Na gut die paar Minuten werde ich noch aushalten, dachte ich mir und vor meinen Augen lief eine heiße Granate im Engel auf und ab, quasi Laufsteggranatentraining. Sveti setzte sich zu uns und sagte "Weißt du wie scheen du bist, magst net a bissal fummeln?" Mein Mund musste offen stehen, denn sie berührte meine Lippen mit ihrem Zeigefinger und schloss ihn mir. Sie zwinkerte mir zu und dann griff sie mir einfach so, schamlos in den Schritt. Verflucht, dachte ich mir und doch genoss ich den Moment, leicht erregt und leicht schwitzend. Igor saß vis a vis und grinste nur, nickte und meinte "Ist schon ok, Sveti ist supa Puppe, kostet nix viel."
Endlich bekam ich wieder Luft, die Türe flog auf und ein wahrhaftiger Engel betrat das Café Engel. Blonde, lange Haare, ein voller Busen prallte gegen ein enges, viel zu enges, rotes Kleid und Beine so lang, dass man sich auf ihnen verlaufen hätte können. Igor sprang sofort auf und empfing die Dame im knappen Roten überschwänglich. Küsschen links, Küsschen rechts, eine Umarmung, aus der sie nicht so leicht rauskam und dann blieb die Welt für einen Moment stehen oder mein Herz setzte für einen kurzen Augenblick aus. Diese fragile, unnahbare Schönheit blickte mir tief in die Augen und ich sah ihre Furcht, ihre Angst die nur durch ihre vollkommene Art verborgen wurde. Atemberaubend mit einem vollkommenen Wesen, einer Aura so rein, wie die Unschuld eines Neugeborenen, so empfand ich die Dame. Sie wurde mir von Igor vorgestellt "Siehste hab ich nicht zu viel versprochen, Natascha heißt sie und heiß ist sie."
Igor nahm sie auf seinen Schoß, Sveti brachte uns einen neue Flasche Vodka und wir stießen wieder an. Während mich die bulgarische, fast Schönheit weiterbearbeitete, knutschten Natascha und Igor wild herum. Er grunzte und sabberte dabei und sie tat mir leid. Ihre Augen flehten um Hilfe, doch ich war hilflos und ohne jeglicher Motivation.
Ein Pärchen verirrte sich zu uns ins Café, es musste so gegen 21:45 Uhr sein, die Sonne war weg und das augenscheinlich, frisch verliebte Paar bestellte bei Sveti zwei kleine Bier. Minutiös nippten die beiden abwechselnd am Seidel und brauchten eine kurze Ewigkeit, 12 Minuten um genau zu sein, um ihre Gläser geleert zu haben um dann mit einem 100 Euroschein bezahlen zu wollen. Igor und Sveti schüttelten die Köpfe und sagten fast gleichzeitig "Na, nix da, 100er nemma net, gehst ummi zum Automat und holst a göd." "Dei Puppal bleibt so lange auf Leihbasis da", gab ihm Igor noch mit auf den Weg. Schnell wie der Blitz lief er los und während sich die Drei unterhielten, griff Natascha nach meiner..... HAND.
Ihre kastanienfarbenen Glubschaugen baten mich um Hilfe und ausgelöst durch die Berührung war ich nun auch willens ihr diese zu gewähren. "Was?", flüsterte Ich ihr zu, doch sie packte meinen Kopf und zog mich unter den Tisch. Es wurde laut, richtig laut. Es knallte und ich hörte Kugeln die am Boden fielen. Ich sah wie Sveti's Brüste auf die harten Eichendielen aufschlugen und dann noch einen Moment auf und ab pendelten. Ein blutverschmierter Igor kniete und schrie, du gottverdammter..... Peng, weiter kam er wohl nicht..
Das Schließen der Türe machte einen lauten Knall. Igor nahm zwischen seinen Gästen Platz und dann begann die Show. Sveti und ihr Busen, insgeheim fing ich wieder an zu schwitzen...
Die Scheibe ist ein Traum, sagte ich mir innerlich, als ich die Worte der EAV aus dem Wurlitzer wahrnahm: Das Böse ist immer und überall.