Kurzgeschichten-Stories
Autor
Schreib, wie du willst!
Startseite - Registrieren - Login - Kontakt - Impressum
Menu anzeigenMenu anzeigen
1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2018 von Carl-Paul Hénry (Carl-Paul Hénry).
Veröffentlicht: 07.03.2018. Rubrik: Nachdenkliches


Kriegsbeil begraben

Nie hätte ich gedacht, dass es mir so leicht fallen würde, dies’ zu tun. Im Gegenteil. Alle Appelle an mich waren verhallt und von der Wand meiner festen Überzeugung abgeprallt. Denn ich war stolz und überzeugt von der Richtigkeit, dass ich es dort über dem Kamin hab’ hängen lassen. Einmal in der Woche allerdings nahm ich es ab, um seinen Schaft aus dem Holz einer Atlaszeder und den Keil aus Edelstahl, mit einem Stück Lammfell zu polieren. Einst hatte ich mir überlegt, all’ die Namen derer, die sich mir als Feinde entgegengestellt hatten, und/oder die auch ich Feinde nannte, in den Schaft zu ritzen. Doch ich hatte es sein gelassen und sie alle zusammen hätten dort eh nicht genug Platz gehabt.

An diesem Spätnachmittag aber stand ich von meiner Couch auf und ging die sieben Schritte bis zum Kamin, um es ein letztes Mal vom Nagel zu nehmen: Mein geliebtes Kriegsbeil. Ich weiß genau, es war der sechste Jänner und deshalb ein Feiertag. Draußen dämmerte es schon, und das war genau der richtige Zeitpunkt, es zu tun. Nicht, weil mich wieder einmal jemand dazu gemahnt hatte, sondern ganz aus freien Stücken. So lag es da, in meinen Händen, geschmückt mit zwei Taubenfedern und einigen bunten Lederschnüren. Von meiner kleinen Dachwohnung in den Keller und von dort in den Garten, machte ich mich auf, mein Kriegsbeil im Schutze der Dunkelheit im Garten zu vergraben. Ich entschied mich für die Stelle zwischen dem alten Apfelbaum, es war ein Boskop, und dem Eck, wo die beiden Nachbargrundstücke an meinen Zaun stießen.

Was war geschehen? Wieso tat ich mit einem Male, was ich zuvor vehement verteidigte? War es der stete Tropfen, der dann doch letztlich den Stein aushöhlte? Hatte ich, wie einst Saulus von Tarsus, ein Damaskuserlebnis gehabt, und war zum Paulus geworden? Oder war es das prophetisch drohende „wer das Schwert nimmt, der soll durch das Schwert umkommen“, dass ich – oft von mir ignoriert – nun wieder leise, aber doch deutlich, in mir hörte?

Ist dem Leser bewusst, dass es im und durch einen Krieg immer nur Verlierer gibt? Dass der Hass einen selbst mehr vergiftet als den, dem er eigentlich galt? Und – und das ist noch gravierender – dass fast immer der den Krieg „wirklich verliert“ derjenige ist, der ihn begonnen hatte? Man schaue sich die Kriege des 20. Jahrhunderts an. Sie bestätigen diese These aufs Deutlichste. Wir brauchen nur zwei von ihnen als Beispiele herauspicken: den Weltkrieg II. (Deutschland) und den Vietnamkrieg (die USA).

Es war wohl alles zusammen, was mich an diesem Abend veranlasste und dazu brachte, Spatenstich für Spatenstich mein Werk zu vollbringen. Natürlich weiß ich aus den Karl May Büchern meiner Jugend und ihren Verfilmungen, dass nach dem Kriegsbeilvergraben das Rauchen der Friedenspfeife folgt. Heißt, dass sich meine Haltung gewissen Menschen gegenüber auch verändert. Da ich mich nun seit über 55 Jahren kenne, gebe ich mich keiner Illusion hin. Es wird dauern, es wird ein Prozess (natürlich im Guten) sein, der womöglich meinen vorletzten Lebensabschnitt dauern wird Und gewiss wird es Rückschläge und Rückfälligkeiten geben.

Doch weiß ich, es wird am Ende gelingen, denn statt einmal in der Woche mein Kriegsbeil zu „hegen und zu pflegen“, werde ich Morgen ins Wäldle gehen, um mir ein passendes Stück Holz zu suchen. Aus ihm werde ich mir selbst eine Friedenspfeife schnitzen, was bei meiner „Begabung“ für das Handwerkliche sicher lange dauern wird. Aber das ist gut so. Denn bei jedem Messerschnitz werde ich an die denken, die ich einst verletzt habe, oder wo ich ihr "Böses mit dem Meinigen“ vergolten habe. Der Leser wird sicher verstehen, dass ich ihre Namen nicht preisgebe - aus Datenschutzgründen natürlich :)

counter1xhab ich gern gelesen

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

Einen Kommentar schreiben

Weitere Kurzgeschichten von diesem Autor:

Ein Brief, der nie geschrieben wurde
BAMBUSVOGEL
Im Spannungsfeld von Integration & Assimilation
Mit den Autos durch die 1960er und 1970er Jahre
Wahrheit ist, was im Leben Bestand hat