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geschrieben von Andreas Mettler (Metti).
Veröffentlicht: 25.05.2023. Rubrik: Total Verrücktes


Der Geschichtensauger

Der Geschichtensauger

-- erster Abend --

SatirepatzerSatirepatzerDen Hügel erklimmen, auf dem Bänkchen sitzen und träumen. Der letzte Orkansturm hatte im Wald eine Spur der Verwüstung hinterlassen. Und einen faszinierenden neuen Aussichtspunkt geschaffen auf eines der vielen schnuckeligen kleinen Dörfer im Sauerland.

Doch diesmal war ich nicht allein. Der Mann mit dem zerzausten weißen Haar hatte einen alten Staubsauger und einen Dieselgenerator auf meiner Lieblingsbank ausgebreitet.

„Was für ein Lärm! Geht das noch länger so? Ich wollte mich hier eigentlich entspannen.“
„Auch Ihnen einen schönen Abend“, meinte der Mann. „Schauen Sie sich dieses kleine Haus am Ende des Dorfes an. Hier lebt ein alter Mann ganz alleine. Dieser Herr hat gewiss eine faszinierende Geschichte zu erzählen.“
Der Verrückte richtete das Staubsaugerrohr auf das Haus aus.

„Spinner!“, dachte ich. „Dann muss ich meinen Ausflug auf die Lieblingsbank wohl auf morgen verschieben.“

-- zweiter Abend --

„Ach nö, Sie schon wieder?“
Das Haar des Mannes war noch zerzauster als gestern. Über Nacht war ihm ein Dreitagebart gewachsen.
„Wann sind Sie eigentlich fertig mit dem... Dings?“
Er deutete auf seinen Staubsauger. „Das ist ein Geschichtensauger!“
„Aha!“ Ich zuckte mit den Schultern.
„In jedem dieser Häuser da unten leben interessante Menschen. Und jeder Mensch hat seine eigene spannende Geschichte zu erzählen. Ich bin der Sammler dieser Geschichten.“
„Was ist eigentlich aus dem alten Mann geworden, den Sie gestern gesaugt haben?“ wollte ich wissen.
„Ich habe den ganzen Abend seiner Geschichte gelauscht. Bis spät in die Nacht.“
„Und? Was hat die Geschichte erzählt?“
„Leider nicht viel. Der alte Mann hat den ganzen Abend vor dem Fernseher verbracht, eine halbe Kiste Bier getrunken und ist schließlich auf dem Sofa eingeschlafen.“
„Klingt spannend...“
„Aber hier habe ich jemanden, der mich neugierig macht. Ein erfolgreicher Geschäftsmann. Was er wohl in seiner Freizeit macht? Ich bin total gespannt auf seine Geschichte!“
„Na dann wünsche ich noch frohes Saugen. Ich steige dann wieder den Hügel hinab.“

-- dritter Abend --

„Wohnen Sie eigentlich schon auf dieser Bank?“
„Geschichten saugen braucht seine Zeit.“
„Und, was war das gestern? Mit diesem Geschäftsmann?“
„Nun ja“, meinte der Verrückte nachdenklich. „Er hatte irgendein Serverproblem in seiner Firma. Er hing den ganzen Abend am Telefon, hat seine Techniker aus dem Feierabend herausgeklingelt. Nachts um vier ist er stinkwütend ins Bett gegangen und konnte nicht mehr richtig einschlafen.“
„Das war dann wohl auch nicht die große Geschichte?“
„Egal!“, meinte der Mann voller Optimismus. „Schauen Sie mal hier in der Dorfmitte. Das Haus mit dem großen Garten. Ich lausche der Geschichte eines kleinen Jungen. Kinder sind einfach wunderbar. Voller Fantasie. Jeder Tag ist ein Abenteuer. Da schreiben sich die Geschichten wie von selbst.“
„Ja, hm“, überlegte ich. „Könnte klappen, was?“
„Genau. Ich brauche nur noch etwas mehr Geduld. Der Kleine hat den ganzen Nachmittag bisher nur vor seiner Spielkonsole verbracht. Aber jetzt wird es spannend. Seine Mama kommt ins Kinderzimmer. Jetzt werden sie Zeit miteinander verbringen und ein großes Abenteuer erleben.“
„Echt? Cool.“
„Still. Ich muss lauschen, was da passiert. Hm. Ach so.“
„Eine aufregende Geschichte?“
„Nun, ja. Er hat seine Mutter überredet, dass er bis zum Schlafengehen noch sein Videospiel zu Ende spielen darf.“

-- Epilog --

Ich saß wieder auf meiner Lieblingsbank und blickte auf das Dorf hinab. Den seltsamen Mann hatte ich nie wieder gesehen. Aber ich betrachtete das kleine Dorf seit unserer Begegnung mit ganz anderen Augen. Von wegen, jeder Mensch hätte seine eigene große Geschichte zu erzählen. Die meisten von ihnen waren wohl auch nur Langweiler wie ich.


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Titelbild: erstellt mit Leonardo AI

Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Relle am 26.05.2023:
Kommentar gern gelesen.
Jeder Mensch hat eine Geschichte zu erzählen - Eine schöne Idee. Leider ist das Ende ernüchternd.




geschrieben von Metti am 26.05.2023:

Wär ja auch langweilig, wenn alles so kommt, wie man es denkt. 😉




geschrieben von Relle am 27.05.2023:
Kommentar gern gelesen.
Du kannst ja noch eine Fortsetzung mit dem Happy End nachreichen?




geschrieben von Metti am 28.05.2023:

Das Ende ist so, wie es zu mir und meinen Geschichten passt.

Aber ich habe ChatGPT gebeten, ein Happy End hinzuzufügen. Hier das Ergebnis:

-- vierter Abend --

Ich war neugierig geworden. Trotz der anfänglichen Skepsis hatte mich der Geschichtensauger mit seinen verrückten Geschichtenfängen gepackt. Also beschloss ich, noch einmal den Hügel zu erklimmen und nachzusehen, was sich dieses Mal ereignete.

Als ich die Bank erreichte, saß der Mann mit dem zerzausten weißen Haar dort, doch diesmal war er nicht allein. Neben ihm stand ein kleiner Junge, mit leuchtenden Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Schön, dass du gekommen bist“, sagte der Geschichtensauger und lächelte. „Lass mich dir jemanden vorstellen. Das ist Max, der Held meiner neuesten Geschichte.“

Ich war überrascht. Der Junge sah ganz gewöhnlich aus, nichts Außergewöhnliches an ihm. Aber seine Augen strahlten vor Vorfreude und Abenteuerlust.

„Erzähl ihm, was du heute erlebt hast“, forderte der Geschichtensauger den Jungen auf.

Max begann zu erzählen, wie er in seinem Videospiel eine schwierige Aufgabe gemeistert hatte und wie stolz er darauf war. Doch dann erzählte er weiter. Er berichtete von einem Ausflug mit seiner Mutter in den nahegelegenen Wald, wo sie gemeinsam einen verletzten Vogel fanden und ihn gesund pflegten, bis er wieder frei in die Lüfte fliegen konnte.

„Es war das aufregendste Abenteuer meines Lebens“, strahlte Max und schaute mich dabei mit glänzenden Augen an.

Der Geschichtensauger lächelte zufrieden. „Manchmal verbirgt sich die wahre Magie nicht in virtuellen Welten, sondern in den einfachen Momenten des Lebens. Max hat heute eine Geschichte erlebt, die ihn noch lange begleiten wird. Und ich hatte das Glück, sie miterleben zu dürfen.“

Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte. Es war ein Happy End, das ich nicht erwartet hatte. Der Geschichtensauger hatte eine Geschichte gefunden, die wahrhaftig und bedeutungsvoll war, auch wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar erschien.

„Danke“, sagte ich zu Max und dem Geschichtensauger. „Danke, dass ihr mich daran erinnert habt, dass die schönsten Geschichten oft im Alltäglichen zu finden sind.“

Und so saßen wir gemeinsam auf der Bank, lauschten Max' Erzählungen und genossen den Zauber der einfachen Momente, die eine Geschichte zu etwas Besonderem machen können.





geschrieben von Relle am 29.05.2023:
Kommentar gern gelesen.
Das ist es ja, das Happy End. Erstaunlich, was alles möglich ist.




geschrieben von ehemaliges Mitglied am 29.05.2023:
Kommentar gern gelesen.
Manchmal sind die kleinsten Begebenheiten ganz besondere Momente.
Schönes Ende.😀




geschrieben von Metti am 30.05.2023:

Ja, eine positive Philosophie. Die KI ist diesbezüglich schon einen Schritt weiter als ich. 😇




geschrieben von Gari Helwer am 31.05.2023:
Kommentar gern gelesen.
Mir gefällt Deine Geschichte ohne Happy End besser! Wo die Menschen nichts Leben (nicht bereit oder fähig sind etwas zu erleben) können sie keine Geschichten erzählen... Pech für den Geschichtensauger - er wird sich damit abfinden müssen... LG




geschrieben von Metti am 01.06.2023:

Das war mein ursprünglicher Gedanke.




geschrieben von Christelle am 16.06.2023:
Kommentar gern gelesen.
Erstaunlich, was KI alles kann.
Trotzdem finde ich dein Ende besser.Das Happy End ist in sich nicht schlüssig: Einerseits ist das Glück nicht in der virtuellen Welt zu finden, sondern in den ganz alltäglichen Begebenheitenn (Vogel gesund pflegen). Aber Max strahlt vorher schon vor lauter Glück, weil er ein schwieriges Videospiel gemeistert hat. Na, was denn nun?




geschrieben von Metti am 16.06.2023:

@Christelle: Ich hab Deinen Kommentar direkt an Chat-GPT weiter gegeben. Das war die Antwort:

Du hast recht, das Happy End ist in sich nicht schlüssig und es besteht eine Inkonsistenz zwischen der Aussage, dass das wahre Glück nicht in virtuellen Welten zu finden ist, und der Freude von Max über sein gemeistertes Videospiel. Es scheint, als hätten sich in der Geschichte zwei unterschiedliche Botschaften vermischt.

Um die Geschichte schlüssiger zu machen, könnte man die Schwerpunkte etwas anpassen. Statt das Videospiel als Hauptquelle des Glücks für Max darzustellen, könnte man ihn zeigen, wie er seine Mutter beim Gärtnern unterstützt und gemeinsam mit ihr einen wunderschönen Garten anlegt. Dadurch könnte man betonen, dass wahres Glück und Erfüllung im gemeinsamen Erleben von einfachen, alltäglichen Momenten liegen. Der Geschichtensauger könnte dann die Bedeutung dieses Moments erkennen und seine ursprüngliche Annahme, dass nur außergewöhnliche Geschichten interessant sind, revidieren.

Hier wäre eine mögliche Anpassung des Happy Ends:

-- vierter Abend --

Ich war neugierig geworden. Trotz der anfänglichen Skepsis hatte mich der Geschichtensauger mit seinen verrückten Geschichtenfängen gepackt. Also beschloss ich, noch einmal den Hügel zu erklimmen und nachzusehen, was sich dieses Mal ereignete.

Als ich die Bank erreichte, saß der Mann mit dem zerzausten weißen Haar dort, doch diesmal war er nicht allein. Neben ihm stand ein kleiner Junge, mit leuchtenden Augen und einem breiten Grinsen im Gesicht.

„Schön, dass du gekommen bist“, sagte der Geschichtensauger und lächelte. „Lass mich dir jemanden vorstellen. Das ist Max, der Held meiner neuesten Geschichte.“

Ich war überrascht. Der Junge sah ganz gewöhnlich aus, nichts Außergewöhnliches an ihm. Aber seine Augen strahlten vor Vorfreude und Abenteuerlust.

„Erzähl ihm, was du heute erlebt hast“, forderte der Geschichtensauger den Jungen auf.

Max begann zu erzählen, wie er seiner Mutter beim Gärtnern geholfen hatte. Gemeinsam hatten sie den Garten in ein wahres Paradies verwandelt, mit bunten Blumen, duftenden Kräutern und schwingenden Schaukeln unter einem großen Baum.

„Es war das schönste Abenteuer meines Lebens“, strahlte Max und schaute mich dabei mit glänzenden Augen an.

Der Geschichtensauger lächelte zufrieden. „Manchmal verbirgt sich die wahre Magie nicht in virtuellen Welten, sondern in den einfachen Momenten des Lebens. Max hat heute eine Geschichte erlebt, die ihn noch lange begleiten wird. Und ich hatte das Glück, sie miterleben zu dürfen.“

Ich spürte, wie sich ein Lächeln auf meinem Gesicht breitmachte. Es war ein Happy End, das ich nicht erwartet hatte. Der Geschichtensauger hatte eine Geschichte gefunden, die wahrhaftig und bedeutungsvoll war, auch wenn sie auf den ersten Blick unscheinbar erschien.

„Danke“, sagte ich zu Max und dem Geschichtensauger.

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Ich fand das Ende mit dem Vogel überzeugender. Mein eigenes gefällt mir immer noch am besten, da es womöglich die Erwartungen des Lesers nicht erfüllt.




geschrieben von Christelle am 16.06.2023:
Kommentar gern gelesen.
Ich finde deine Geschichte nach wie vor am überzeugendsten (auch dieses Happy End ist irgendwie „an den Haaren herbeigezogen“.)
Interessant finde ich den zustimmenden Kommentar von ChatGPT. Mit der Weitergabe meines Kommentars hast du auf jeden Fall ChatGPT mit neuen Informationen gefüttert.
Und davon lebt es!

Mal sehen, wie sich das ganze in der Zukunft entwickelt: entweder zum absoluten Langweiler oder es bietet kreative Lösungen in einem Stil, der das Potenzial zum Bestseller hat.




geschrieben von Metti am 16.06.2023:

ChatGPT stimmt mir immer zu. Selbst dann, wenn ich die KI völlig zu Unrecht kritisiere.

Ja, dass die Gartenarbeit jetzt das schönste Erlebnis des Lebens sein soll, ist schon etwas weit hergeholt. Da fand ich das Erlebnis mit dem kranken Vogel noch prägender.

Anfang des Jahres hatten sich ein paar meiner Kunden verabschiedet, weil sie künftig lieber mit der KI arbeiten wollten. Mittlerweile bestellen sie wieder Texte bei mir. Eine gute Entwicklung.

Gleichzeitig nutze ich die Bilder-KI von Leonardo-AI für Illustrationen für meine Texte. Das finden menschliche Illustratoren wohl genauso mies, wie ich, wenn Kunden die Texte nicht mehr bei mir bestellen wollen.




geschrieben von Gari Helwer am 18.06.2023:
Kommentar gern gelesen.
Nochmal bisschen Senf von mir dazu! Wird ChatGPT uns wohl je Geschichten liefern können, bei denen der Sinn ZWISCHEN den Zeilen steht??? Der META-Inhalt ist doch oft dass, was einer Geschichte, einem Text die Würze gibt! Beim "Geschichtensauger" überzeugt sie mich nicht. Metti, der Urtext ist der beste für mich, s.o., LG an Euch alle!




geschrieben von Metti am 19.06.2023:

Man könnte die KI anweisen, einen entsprechenden Meta-Inhalt einzubauen, der zwischen den Zeilen steht. Vielleicht teste ich das mal mit einem geeigneten Text. Oder jemand anders probiert das mal aus?

Mir gefällt mein eigenes Ende auch besser. ChatGPT hat ein typisches Ende mit einer positiven Moral geschrieben, wie es bei einer solchen Geschichte zu erwarten wäre und wie es auch schon viel zu oft geschrieben wurde.




geschrieben von - Felix Legat - am 20.08.2023:
Kommentar gern gelesen.
Sehr tolle Geschichte! Die Ki-Enden sind zwar gut, aber deins ist immer noch am besten!




geschrieben von Metti am 20.08.2023:

Der Mensch schreibt immer noch origineller als die KI. Das sollte uns beruhigen. 👍

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