geschrieben 2022 von Andreas Mettler (Metti).
Veröffentlicht: 11.09.2022. Rubrik: Fantastisches
Die große Auferstehungs-Show
-- 1 --
„Versprochen. Wir bringen dir deine Mama zurück!“, erklärte ich dem kleinen Mädchen mit den dunklen Ringen unter den Augen.
„Vielen Dank“, meinte der Papa. „Seit dem Tod meiner Frau ist sie völlig durch den Wind. Sie schläft nicht mehr, sie passt in der Schule nicht mehr auf und sie spielt nicht einmal mehr mit dem Handy.“
„Kein Problem. Wir bekommen das schon hin!“
Gregor, das geniale Genie nahm mich zur Seite. „Wir haben das noch nie geschafft“, flüsterte er. „Kannst du dich mit deinen vollmundigen Versprechungen ein bisschen zurückhalten?“
„Hey!“, antwortete ich. „Ich bringe deine Erfindung jetzt ganz groß raus. Wo bleibt eigentlich die Presse?“
„Ok, wie lange ist deine Mama schon tot?“, fragte Gregor das Mädchen.
„Das war vor fast genau einem Jahr“, sagte der Papa, noch ehe das Kind antworten konnte.
„Oh, doch schon so lange?“ Gregor schüttelte den Kopf.
Gregor verschwand mit mir hinter dem 11-dimensionalen Kompressor. „Die Mutter des Kindes ist viel zu lange tot. Die Frau hat sich längst mit der 11-dimensionalen Mentalsuppe verbunden.“
„Du kannst sie nicht zurückbringen?“
„Ich kann eine Person extrahieren, die so aussieht wie die Mama des kleinen Mädchens. Oberflächlich betrachtet werden auch einzelne Persönlichkeitsmerkmale wiederzuerkennen sein. Mehr aber nicht.“
„Für die Presse wird das genügen“, meinte ich.
„In dieser Sekunde werden wir das größte Schreckgespenst des menschlichen Daseins überwinden!“, predigte ich. „Den Tod!“
Ein kurzer Blick zu Gregor, der in die Anzeigen auf dem Display des 11-dimensionalen Kompressors vertieft war.
Er nickte mir zu.
„Sehen Sie diesen rosa Nebel? Das ist die Brücke ins 11-dimensionale Universum. Und in wenigen Sekunden ist es so weit“
„Drei“
„Zwei“
„Eins“
Eine Frau mit blonden Haaren torkelte aus dem Rauch.
„¿Qué mierda es esto ahora?“, fragte sie.
„Oh Mama!“, das kleine Mädchen nahm die Frau in die Arme. „Endlich bist du wieder da!“
„Quien es esta chica?“
Das kleine Publikum applaudierte. Die Besucher von der Presse werkelten begeistert an ihren Kameras herum.
-- 2 --
„Und wieder ist der große Augenblick gekommen. Wir werden einen Menschen zurück ins Leben holen!“
„Das Publikum in der Halle klatschte eifrig mit den Händen und trampelte mit den Füßen.“
„Sie haben die Wahl!“ Ich streckte meine Arme aus. „Wen möchten Sie wiedersehen?“
Viele Stimmen. Ein großes Durcheinander.
Dann die ältere Dame aus der ersten Reihe: „Elvis Presley!“
‚Wunderbar!‘, überlegte ich. ‚Wir bringen den King of Rock zurück ins Leben! Diese Schlagzeile geht durch die Decke!‘
„Elvis ist seit 45 Jahren tot!“, sagte Gregor kopfschüttelnd. „Was wir da zurückholen, hat mit dem King of Rock nicht mehr viel zu tun.“
„Hey, das hast du letztes Mal auch gesagt. Die Mama des kleinen Mädchens war doch recht überzeugend. Schau doch, wie viel Publikum wir jetzt haben.“
„Ok“, seufzte Gregor. „Auf deine Verantwortung...“
Und schon wenige Minuten später trat ein dicker alter Mann mit verschwitzten schwarzen Kotletten aus dem rosa Nebel.
„Freunde“, rief er begleitet von einem kecken Hüftschwung. „Ich hoffe doch, Ihr habt mich nicht vergessen in all dieser Zeit?“, kokettierte er aus einem schiefen Mundwinkel heraus.
Das Publikum tobte.
„Meine Gemälde müssen ja inzwischen ein Vermögen wert sein?“
Das Publikum wurde etwas leiser.
„Ich freue mich so, dass ich wieder bei euch bin“, rief er. „Da kann ich meinem Œuvre wohl noch ein paar Werke hinzufügen, was? Ich werde mich gleich an die Arbeit machen. Wo ist meine Staffelei?“
Ein verhaltener und leicht verwirrter Applaus aus dem Publikum.
-- 3 –
Chöre im Stadion. Das Tröten von Vuvuzelas. Eine La-Ola-Welle an der Nordkurve.
„Niemand ist für immer tot!“, hörte ich meine Stimme durch die Lautsprecher dröhnen. „Und wieder werden wir Geschichte schreiben! Welche große Persönlichkeit wird heute ins Reich der Lebenden zurückkehren?“
Viele Stimmen. Ein großes Durcheinander.
Dann ein alter Mann aus dem rechten Rand des Publikums: „Adolf Hitler!“
Ein kurzer Blick zu Gregor. Er schüttelte hektisch mit dem Kopf. Seine Lippen formten ein klares „Nein!“.
„So ist es also entschieden. Wir bringen Adolf Hitler zurück ins Leben.“
‚Ha, wer ist schon Elvis Presley?‘, dachte ich. ‚Die Welt wird nach dem heutigen Tag nicht mehr dieselbe sein!‘
Das Publikum war vollkommen verstummt.
Das Stadion roch nach Angstschweiß.
Und dann trat er aus dem rosa Nebel.
Eine feldgraue, zweireihige Uniformjacke. Eine schwarze Hose. Das eiserne Kreuz erster Klasse an der linken Brustseite. Ein schwarzer Schnurrbart, ein strenger Seitenscheitel. Die zitternden Hände hinter dem Rücken verschränkt.
„Ääääääach bäääään zorööööööck!“, brüllte er mit bebender Stimme in das Mikrofon.
„Der grääääääääßte Gynäkologäää allerrrr Zeitäääään! Welche Frrrrrau määäächte sääääch jääääätzt von määäär ontersooooochen lassen?“