Veröffentlicht: 25.12.2021. Rubrik: Menschliches
Ein Kugelschreiber
Ich arbeite im Innendienst einer Versicherungsgesellschaft. Das Unternehmen residiert in einem mehrstöckigen Gebäude. Im Parterre befindet sich ein mittelgroßer Laden, den ich gerne aufsuche. Zu kaufen gibt es, was Büroangestellte so auf die Schnelle brauchen. Geburtstagskarten, Glückwünsche zur Beförderung, Abschied, gute Wünsche für jede Gelegenheit.
Mit Alkohol ist das Geschäft ausreichend bestückt. Es gibt Weiß- und Rotweinflaschen. Dazu härtere Spirituosen wie Whisky und Wodka, auch Likör lässt sich finden. Alles in erschwinglicher Preislage. Schokolade, kleine Tafeln, große Tafeln, Pralinen, Bonbons, Süßigkeiten sind stark gefragt. In einer Ecke gibt es Sandwiches mit verschiedenen Belag, abgepackten Käse, mickriges Obst, alles zum Selbstverpflegen.
Den Verkäufer mag ich. Ein gemütlicher, fülliger Mann. Immer wechseln wir ein paar Worte, sei es die allgemeine Lage, das Wetter, das eigene Wohlbefinden.
Stets wird ein Sonderangebot angepriesen. Halstücher, kleine Plüschtiere, Farbstifte, Porzellanfiguren, künstliche Blumen und so fort. Heute bleibe ich vor einer Wand mit Kugelschreibern stehen. Es handelt sich um behäbige Schreibutensilien in den Farben dunkelgrau und schwarz. Keine eleganten Schreibgeräte. Das Besondere an ihnen ist, dass Männernamen in Goldfarbe eingraviert sind. Die Namen sind sogar alphabetisch geordnet. Ich kaufe den Kuli mit dem Namen Jürgen. Damit möchte ich Jürgen eine Freude bereiten.
Jürgen gefällt der Kuli nicht. Er lehnt ihn ab und will nicht mit ihm schreiben. Ich bin enttäuscht. Unmut steigt in mir hoch. Was hat er nur gegen den Kuli? Etwas zum Schreiben benötigen wir immer. Der Kugelschreiber wird mir von ihm zurückgegeben. Groll wächst in mir. Hatte ich mir doch vorgestellt, dass er sich über das Geschenk freut.
Nächster Tag: Ich frage den netten Verkäufer, ob ich den Kugelschreiber umtauschen darf. Der grinst nur und fragt: Welcher Name darf es diesmal sein? Gerd hauche ich. Zusammen suchen wir, ein Gerd lässt sich nicht gleich finden. Dann schimpfen wir beide auf Jürgen und der Umtausch ist abgeschlossen.
Später beglücke ich meinen Kollegen Gerd mit dem Kuli. Der freut sich richtig. Gerd hält in der Regel nichts von Frauen, aber wir mögen uns. Wir arbeiten erfolgreich zusammen.
An Jürgen liegt mir viel, er ist mein Ehemann.