geschrieben 2001 von Wolfgang Weigel (OldWulf).
Veröffentlicht: 03.09.2020. Rubrik: Satirisches
Eine Fahrordnung für Einkaufswagen im Supermarkt
Forschungsmemoranden des Forschungsinstituts für Memorandumsforschung
Eine Fahrordnung für Einkaufswagen im Supermarkt
von Jakobus Pull und Andras Pusch
Forschungsmemorandum 01-2009
Impressum: Forschungsinstitut für Memorandumsforschung der Universität zu Schilda an der Gleichung, Abteilung 08/15
Postfach 007
Redaktion: W.A.S.I.Nix
Eine Fahrordnung für Einkaufswagen im Supermarkt
von Jakobus Pull und Andras Pusch
Befund
Zusammenstösse, Verwechslungen, gegen-die-Richtung-Fahren: Solche Unzukömmlichkeiten bei der Verwendung von Einkaufswagen im Supermarkt rufen zwar im Allgemeinen geringen Sachschaden hervor, der ideelle Schaden indessen ist hoch!
Einen Beweis liefern Ermittlungen von Konstatos Messoupolous, wonach auf seiner Frustrationsskala beim Auftreten genannter Unzukömmlichkeiten eine Qualitätseinbuße beim Einkaufsvergnügen regelmäßig Werte von nahe 8 erreicht werden. Das sind nur zwei Punkte weniger als die Frustration beim ersten kleinen Lackschaden am eigenen Automobil! Es erübrigt sich jeder weitere Kommentar.
Auftrag
Das Staatssekretariat für Konsumentenschutz in Zusammenarbeit mit dem Minister für Verkehr beauftragte daher das Forschungsinstitut für Memorandumsforschung mit der Erstellung eines Codes des Wohlverhaltens bei der Benützung von Einkaufswagen in Großmärkten
Ausführung
1. Diagnose
Die beiden für die Erstellung des Codes verantwortlichen Fachreferendare, Jakobus Pull und Andras Pusch identifizierten im ersten Schritt durch Beobachtungen und intensive Feldversuche folgende Quellen gesellschaftlicher Schäden
 Die Verwendung falscher Münzen oder von Knöpfen bei der Entnahme des Einkaufswagens vom Parkplatz
 Fahren gegen den Strom
 Parken an Engstellen
 Vergessen
 Verwechseln
 Überladen
 Überholen
 sowie Benützung an sich
Einzelbefunde:
 Der Nutzen der Verwendung falscher Münzen oder von Knöpfe bei Entnahme des Einkaufswagens vom Parkplatz liegt in der vermeintlichen Ersparnis einer 1 oder 2€ Münze; und das meistens wegen Nicht – Vorhandenseins von Wechselgeld bei gleichzeitig weitem Weg zur Kassa
 Eine Form der Abhilfe wäre die Abschaffung des Pfandes überhaupt. Das würde den Einkauf zwar erleichtern, würde aber von einem breiten Publikum als Verbilligung von Einkaufswagen angesehen werden: Ihre missbräuchliche Verwendung durch Clochards zwecks kommoder Aufbewahrung des Hab und Gut und von Maurerpartien zwecks Beförderung von Wurstsemmeln und Getränken ist jetzt schon epidemisch.
 Fahren gegen den Strom hat damit zu tun, dass zwei unheilvolle Komponenten zusammentreffen: Die Vergesslichkeit und die falsche Anordnung der Waren in den Regalreihen. Geprüft wurden zwei Möglichkeiten der Abhilfe:
- Die wiederholte Aufstellung der Waren so, dass frustrationsgeneigtes Fahren gegen den Strom minimiert wird
- Die Ausgabe eines Leerformulars für einen Einkaufszettel, auf dem die Waren und Warengruppen nach ihrer Erreichbarkeit geordnet erscheinen, beim Eingang; dafür müssten aber im Eingangsbereich auch Stehpulte zwecks Übertragung mitgebrachter auf vorgedruckte Einkaufslisten vorgesehen werden, die sich als Raum- und Kostenproblem erweisen
 Parken an Engstellen ist eine verbreitete Unsitte und eine Hauptquelle von steigernden Adrenalinausschüttungen während des Einkaufsvorganges, was durch durchgehende mehrspurige Korridore, Halteverbotszeichen und sogenannte Flüssigkeits-Sherriffs vermieden werden könnte
 Vergessen von Einkaufswagen tritt hauptsächlich in Verbindung mit dem vorzeitigen Abbruch eines Kaufvorganges auf. Die offenbar eiligen Kunden verzichten dabei oft sogar auf das Pfand. Eine Abhilfe könnte am ehesten dadurch erzielt werden, dass dem Personal das Pfand als „Wagerlgeld“ zugestanden wird, wenn die Findlinge retourniert werden. Ein Experiment wäre angesagt.
 Verwechseln ist ein sehr ernstes Problem, das unter anderem auch mit der Angewohnheit mancher Kunden zu tun hat, eine „Basisstation“ für ihren Einkaufswagen zu küren und dann Waren durch erratische Fortbewegung zwischen den Regalreihen zusammen zu tragen: Bei der Rückkehr zur Basisstation kommt es dann zu Fehlleistungen
 Überladen ist eher ein Problem des Herabfallens. Bisweilen steht es in Verbindung mit der Nutzung der Einkaufswagen als Kinderwagenersatz. Abhilfe ist heikel, denn Wagen mit Kindersitz werden von kinderlosen und vor allem von kinderphobischen Personen als Zumutung empfunden und sind daher nicht im Interesse der Betreiber.
 Überholen kann ebenfalls die Quelle radikaler Adrenalinstöße sowie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein und sollte eigentlich verboten werden. In einem geordneten Gemeinwesen wird nur zulässig sein, an stehenden Wagen vorbeizufahren. Ab 100 Meter vor den Kassen ist auch Vorbeifahren zu untersagen. Eine Tonband-Durchsage ähnlich jener, die unbeaufsichtigtes Gepäck auf Flughäfen betrifft, könnte eine wirksame Maßnahme zur Durchsetzung des Überholverbots sein
 Benützung an sich bezieht sich auf jene Kunden, die es beharrlich vermeiden, einen Einkaufswagen zu benutzen. Davon gibt es wiederum zwei Unterarten
- „Turmbauer“, und
- „Taschenfüller“
Beide Verhaltensweisen haben fatale Konsequenzen vor allem an der Engstelle jedes Supermarktes schlechthin – an der Kasse. Während Turmbauer of keine Hand mehr frei haben, um die Waren geordnet auf das Band zu legen und dann minutenlang in einer Art Entscheidungsstarre verharren, ehe sie ihren Einkauf auf das Förderband kippen, brauchen Taschenfüller oft ebenso lange, um die Taschen zu lehren, wie sie gebraucht haben, um diese zu füllen. Hier wird der Rationalisierungseffekt des Einkaufswagens sehr deutlich.
2. Schlussfolgerungen und Empfehlung
Auf Grund dieser Analyse wird ein Code des Wohlverhaltens empfohlen, der allen Benutzern von Supermärkten und vergleichbaren Einrichtungen durch die Betreiber nachweislich zur Kenntnis zu bringen ist!
1. Alle Kunden haben bei Einkaufsabsicht stets eine gültige „Wagerlmünze“ bei sich zu führen
2. Alle Kunden haben vor Inbetriebnahme eines Einkaufswagens einen Einkaufsplan vorzulegen, damit Fehlfahrten so gering wie möglich beiben
3. Es ist geboten, das Einkaufsvergnügen der Mitmenschen nicht durch Behinderung jedweder Art zu trüben
4. Es ist geboten im Zweifel den eigenen Einkaufswagen bis zur Kasse zu schieben
5. Zuvorkommende Nutzer von Einkaufswagen markieren den ihren vor Beginn der Fahrt unmissverständlich
6. Zuvorkommende Nutzer minimieren das Risiko herabfallenden Gutes durch überlegten Ladeplan vor Beginn der Fahrt
7. Es ist ein Zeichen geordneter Gesinnung, streng zwischen Vorbeifahren und Überholen zu unterscheiden
8. Als gesellschaftlich verträglich erweist sich nur, wer einen Einkaufswagen benutzt
9. Als gesellschaftlich verträglich erweist sich nur, wer die Geldbörse nicht unter den eingekauften Waren vergräbt
10. Supermarktbetreiber sind gehalten, Kunden, die diesen Code während 10 Einkäufen befolgen, ein Ehrendiplom für „Gute Kundschaft“ zu verleihen, das sichtbar getragen werden kann
Jakobus Pull und Andras Pusch, Schilda, 30.Februar 2009