Veröffentlicht: 23.10.2023. Rubrik: Aktionen
Erntedankfest 1983, eine Erinnerung
Wie jedes Jahr halfen wir Schüler in der GPG 5. Parteitag bei der Ernte oder beim Pflanzen aus.
Dieser Einsatz wurde auch für DDR-Verhältnisse ziemlich gut vergütet, sodass ich mich auch stets freiwillig gemeldet hatte.
Außerdem durften wir Schüler am Erntedankfest der Gärtnerischen Produktionsgenossenschaft teilnehmen.
Im Herbst 1983, ich besuchte damals die 10. Klasse, waren alle Gärtner, Handwerker und Helfer in den Fresswürfel gegenüber des Dresdner Zwingers zum Erntedankfest eingeladen gewesen.
Wie zu DDR-Zeiten üblich, fehlte es bei diesen Festen an Nichts.
Getränke und Speisen vom Allerfeinsten, für Jeden noch zusätzlich ein kleiner Dankeschönbeutel mit Raffinessen aus dem Delikatladen.
Nach einer langatmigen Eröffnungsrede durch die Genossenschaftsvorsitzende, mit dem typischen Blablabla von Planerfüllung u.s.w., was alle Anwesenden wie eine Pfannkuchenernte in Mitteleuropa interessierte, folgte ein 3-Gänge-Abendessen und im Anschluss Tanz inklusive einem bunten Programm.
In besagtem Jahr wurde eine Tanzgruppe von einer anderen Schule aus unserem Stadtbezirk arrangiert, die einen exotisches Tanz nach dem Song "Africa" von Rose Laurens einstudiert und vorgetragen hatte.
Dazu trugen sie selbstkreierte Ratten-scharfe Kostüme.
Im Saal war es bei dieser Aufführung mucksmäuschenstill, so begeistert waren alle Anwesenden.
Eine der Tänzerinnen hatte es mir angetan.
Sie hatte nicht nur eine Top Figur, sondern im Gesicht ein auffälliges Muttermal.
Das machte sie für mich nur noch attraktiver.
Ich sage euch, ich war hin und weg, auch deswegen, weil sie mir während des Auftritts mehrfach verführerisch zugezwinkert hatte.
Leider mussten wir Schüler die Feier schon 21 Uhr verlassen, so verlangte es das Jugendschutzgesetz.
Natürlich gerade dann, wenn es am Schönsten war.
Die nächsten Tage waren für mich die reinste Hölle.
Die Tänzerin ging mir nicht mehr aus dem Sinn.
Mein Geist gaukelte mir immer wieder Bilder vor wie sie ihren Körper im Rhythmus der Musik ekstatisch bewegte und mich dabei anhimmelte.
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Mit unserer Clique gingen wir zwei, drei Wochen später in den Jugendclub zur Disco.
Man, die Überraschung war perfekt, als sie plötzlich vor mir stand!
Ich nahm all meinen Mut zusammen und sprach sie an.
Im Verlauf des Abends näherten wir uns an, tanzten die ganze Zeit eng umschlungen und hatte angenehme Gespräche.
Irgendwann verließen wir den Jugendclub und ich brachte Konstanze, so hieß das Mädchen, nach Hause.
An der Haustür ihres Wohnhauses küssten wir uns leidenschaftlich.
Zum Abschied fragte ich, ob wir uns wiedersehen können.
Sie antwortete ja, aber mache dir bitte nicht allzu viele Hoffnungen, meine Eltern haben einen Ausreiseantrag in die BRD gestellt und wissen bereits, dass die Familie noch vor Weihnachten das Land verlassen wird.
Nein!!!
Ich hätte laut losschreien können, mir zog es vor Schmerz die Beine weg.
Da lernte ich ein Traummädel kennen, wir verstanden uns blendend und wusste doch, dass ich nichts mit ihr anfangen durfte, weil es mir das Herz brechen würde.
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Jetzt, genau 40 Jahre später und angeregt von Mettis Oktoberaktion, erinnere ich mich an diese kleine Anekdote aus meiner Schulzeit zurück.
Ich sah Konstanze nie wieder, hoffe aber, dass sie heute glücklich ist und dass es ihr gut geht.
Und vielleicht liest sie ja auf Kurzgeschichten-stories.de mit...
(C) Jens Richter im Oktober 2023