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geschrieben 2022 von Georg (Georg).
Veröffentlicht: 21.12.2022. Rubrik: Spannung


Call

Call

Bevor er auf Dienstreise musste, hatte es geknallt, ich dachte mir erst
gar nichts. Wenn wir Streit hatten, gönnten wir uns gegenseitig eine
Auszeit. Wir nahmen Abstand, telefonierten dann erst einmal nicht.
Ich blieb zurück und er trat seinen Weg an, ohne sich zu verabschieden.
Tage später, ein sonniger Tag, eigentlich wollte ich gerade noch los zum
Einkaufen, als mich das Klingeln aus den Gedanken riss.
Ein Telefongespräch mit einer Frau Dr. Tschebe, es klang alles so
unglaublich und doch musste ich mich so schnell wie möglich davon
überzeugen, bestimmt eine Verwechslung dachte ich.
Sie sagte „Es geht um ihren Mann, er ist hier, Klinikum Nord“.
Ich legte auf und ohne daran zu denken, nahm ich den kürzesten Weg
durch den Wald, zu Fuß. Ich rannte, die Äste der Bäume strecken sich
wie Nervenzellen, zu einem hellen Zentrum des Himmels.
Nach zwanzig Minuten des auspowern, ragten endlich hinter den
Bäumen die Spitzen des Klinikum Nord hervor. Geschafft, das
Krankenhaus kannte ich von früheren Besuchen meiner Eltern, die
inzwischen beide verstorben sind.
Ein hässlicher karger Betonbau mit roten Fenstern. Das einzig schöne
an diesem Klotz ist die Lage mitten im Wald.
Ich rannte quer über den Parkplatz, erreichte den Haupteingang und
eine junge Dame hinter einem modernen Infostand lächelte mir
entgegen, ich versuchte erst einmal Luft zu holen.
„Hallo was kann ich für Sie tun“ zwitscherte eine Stimme durch die
Plexiglasscheibe.
Ich versuchte zu lächeln, „Ich möchte zu Frau Dr. Tschebe, Bitte“.
Konzentriert leise wurde der Name in den Computer eingeschlagen, als
wären es keine Tasten, sondern Steintafeln, in die man die Buchstaben
einhämmert, „Tssccheeebe sagen Sie“, ich nickte laut.
„Ja, Zimmer 311, in der Notaufnahme, gleich hier mit dem Aufzug
können Sie in den 3 Stock fahren, dann den Gang links“.
Ich flog los und nahm die Treppe, mit Aufzügen habe ich schlechte
Erfahrungen, die Enge treibt mich in den fahrenden Wahnsinn.
Es konnte alles nicht schnell genug gehen, zwei Stufen auf einmal waren
kein Problem. Oben angekommen stand schon eine Frau mittleren Alters
und einer roten Kurzhaarfrisur im Gang, mit dem Namensschild Dr.
Tschebe, bestimmt hatte das Fräulein meine Ankunft bereits
hochgeträllert.
„Hallo, Frau Szepanski“, kam mir eine dünne Hand, mit rot lackierten
Nägeln entgegen.
Erst musste ich mich sammeln, bevor ich im Stande war sie zu schütteln
„Ja, Hallo wo ist er?“.
„Lassen Sie uns erst in mein Büro gehen, ich muss sie vorher über
einige Dinge aufklären“.
Nach dem hinter uns die Tür ins Schloss gefallen ist, saßen wir uns
gegenüber, in Ledersesseln, in einem Raum dem man diesem alten
Gemäuer gar nicht zugetraut hätte. Er war hochmodern eingerichtet,
bunte Bilder hingen an der Wand, Kinderbilder. Bilder ihrer Familie,
stehen wie Zinnsoldaten auf dem Schreibtisch. Ich brauchte etwas Zeit
um das Ganze zu verarbeiten, um einen normalen Puls unter 200 zu
bekommen.
„Ein Glas Wasser“ fragte mich Frau Dr. Tschebe“, mit ruhigem Ton.
„Ja, Danke“ krächzte es aus mir, „Was ist los, ich verstehe das Ganze
nicht“.
„Ihr Mann wurde heute morgen eingeliefert“.
„Das kann nicht sein, er ist auf Dienstreise, seit Montag“.
„Laut seinem Personalausweis, den er bei sich trug, handelt es sich um
Ralph Szepanski“.
„Kann ich nicht zu ihm?“.
„Deshalb wollte ich vorher unter vier Augen mit ihnen sprechen, wo war
ihr Mann?“.
„Er musste nach Potsdam, zu einem Kongress“.
„Ich werde Sie gleich zu ihm bringen, aber ich muss Sie warnen“.
„Warnen vor was?“ sprudelte es aus mir heraus und stellte das Glas
Wasser zurück auf den Glastisch.
„Sein Kopf ist stark verbunden, Sie werden ihren Mann nicht erkennen
können, sein Gesicht muss erst wieder rekonstruiert werden, weshalb wir
ihn im künstlichen Wachkoma halten, die Schmerzen für ihren Mann
wären zu groß“.
„Was ist passiert“, ich versuchte mich an seine Abreise zu erinnern, es
war alles normal, nicht was hätte mich beunruhigen können, bis auf den
kleinen …
„Frau Szepanski“ meine Gedanken verflogen, „Das können wir ihnen
leider nicht sagen, nur das er unwahrscheinliches Glück hatte, ein Arzt
hatte ihn gefunden, auf einem Waldweg hier in Nürnberg, er ging mit
seinem Hund die Strecke entlang und da …“.
„Was macht mein Mann auf einem Waldweg, hier in Nürnberg“
unterbrach ich Sie.
„Das kann ich ihnen nicht sagen, nur das er mehrmals mit einem
schweren Gegenstand überrollt wurde, sein Gesicht …“.
Sein Gesicht, die Worte hallten in meinem Kopf, „Sein Gesicht“ alles
klang wie ein Alptraum aus dem ich versuchte zu erwachen, alles drehte
sich auf einmal um mich, ich bekam nur noch Bruchstücke der Ärztin mit,
ich fühlte mich wie auf einer Rennstrecke, mein Puls raste und schweiß
lief mir die Stirn hinunter. Ich konnte nicht mehr, alles drehte sich und ich
hörte die Stimme der Ärztin weit hinten, es wird dunkel.
Ich renne über eine grüne Wiese und stelle mir vor, ich wäre ein Engel,
alles ist leicht und ohne Probleme, mein Mann ruft mich zu sich und wir
Frühstücken gemeinsam und es verschwinden die Bilder immer weiter
weg, sie sind nicht mehr zum Greifen nah, sie fliegen aus dem Fenster.
Es wird immer heller, öffne die Augen und sehe in eine Wolke, die sich
immer mehr zu einer langen Neonröhre über mir abzeichnet.
Ein verschwommenes Gesicht blickt mir in die Augen. Müdigkeit macht
sich in meinem Körper breit, es fällt mir schwer die Augen offen zu
halten. Eine Stimme versucht mir etwas zu sagen, nur was. Es hallt aus
der Ferne.
„Geeebben ihr, geeebben ihhhrr, nooo…“ und dann viel ich in den
nächsten Film.
Die Bilder werden wieder lebendig und Ralph kommt durch die Tür, alles
ist so unbeschwert, es piept …
Ein monotoner piepender Ton, wie der eines Vogel, der nie verstummt,
holt mich zurück in die Realität.
Wie lange habe ich nichts mitbekommen, die roten Fensterrahmen
leuchten in der Sonne.
Langsam versuche ich meine schweren Arme zu bewegen. Mein Körper
verweigert was das Gehirn ihm befielt, es fühlt sich an, als wäre alles
noch im Tiefschlaf. Nur meine Augen tasten den Raum, wie ein Scanner
ab.
„Hilfe“, schrie es aus meinem stummen Mund.
Gefangen auf einer kalten Liege, die sich fest an meinen Körper
schmiegt, der Klingelton meines Handys durchfliegt meine Ohren,
„Ralph“, signalisiert der Ton. Was?

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