Veröffentlicht: 31.08.2020. Rubrik: Nachdenkliches
Alles kommt auf dich zurück
Alles kommt auf dich zurück
Klara Machtnix stammt aus einem reichen und vornehmen Elternhaus, die ihr die beste Bildungschancen ermöglichten und ordentlich verwöhnten. Sie bekam eine gut bezahlte Stelle als Sachbearbeiterin im Jobcenter. Ihr Arbeitgeber war immer sehr zufrieden mit ihrer Arbeit und gab ihr regelmäßig Gehaltserhöhungen, kaufte sich nach und nach zwei Häuser, zwei teure Luxusautos, feierte sehr gerne Partys in ihrer Freizeit, lernte auf einer Urlaubsreise ihren Ehemann kennen und zeugte mit ihm vier Kinder. Besser hätte ihr Leben gar nicht laufen können, denn sie führte ein sorgenfreies Leben im Luxus und war sich so sicher dass es für immer so bleiben wird. Als Klara sich mal wieder aus Bequemlichkeit auf einen Behindertenparkplatz stellte, wurde sie von einem Rollstuhlfahrer zur Rede gestellt und über die Bedeutung der Behindertenparkplätze belehrt.
„Warum regt ihr euch immer so auf wenn man mal fünf Minuten auf einen freien Behindertenparkplatz steht? Hier gibt es soviel andere freie Parkplätze, ihr habt immer soviel Vorteile und außerdem bekomme ich immer was ich will,“ sagte Klara genervt und hochnäsig zugleich zu dem Rollstuhlfahrer.
„Ach ja? Was denn für Vorteile, das erklären Sie mir bitte mal genauer,“entgegnete der Rollstuhlfahrer.
„Ja ihr könnt überall kostenlos parken, bekommt problemlos euer Geld ohne dass ihr arbeiten müsst, während Menschen wie ich für mein Geld hart arbeiten müssen,“ antwortete Klara neidisch.
„Ich sehe schon, sie haben voll die Ahnung. Es lohnt sich nicht mit Ihnen darüber zu diskutieren, aber eins möchte ich Ihnen noch auf dem Weg geben. Alles was sie gegenüber anderen Menschen tun, kommt auf Sie zurück. Denken Sie an meine Worte, denn sie werden noch sehr viel in Ihrem Leben lernen müssen,“ sagte der Rollstuhlfahrer verärgert und ließ sie ohne weitere Diskussion zurück.
Klara stieg in ihren Luxuswagen um ihren Feierabend zu genießen. Den Streit mit dem Rollstuhlfahrer hatte sie längst wieder vergessen. Während der Fahrt schrieb Klara eine WhatsApp Nachricht an ihrem Mann und achtete nicht auf die Straße. Sie geriet in den Gegenverkehr und stieß frontal mit einem entgegenkommenden LKW zusammen. Zwei Wochen später erwachte Klara im Krankenhaus aus dem Koma und verlangte sofort den Arzt zu sprechen, da sie ihre Beine nicht mehr spürte und sich nicht drehen konnte. Fünf Minuten später kam der Arzt mit den Röntgenbildern und eröffnete Klara dass sie alles machen könne außer Laufen, da sie für den Rest ihres Lebens querschnittsgelähmt bleibt. Aus diesem Grund hatte man ihr auch einen Katheter gelegt, da sie unterhalb des Bauchnabels nichts mehr spürte. Den Schock musste Klara erstmal verdauen und der Arzt empfahl ihr erstmal einen Psychologen aufzusuchen, der sie erstmal wieder seelisch aufbauen könne. Übrigens war ihr Arbeitgeber zwischenzeitlich hier und hat sich nach Ihnen erkundigt.
Völlig besorgt betrat ihr Ehemann plötzlich das Krankenzimmer und hielt einen dicken Brief in der Hand. Schau mal Klara ein Brief von deinem Arbeitgeber. Mach den mal auf und schau mal nach. Klara öffnete den Brief und sie wurde kreidebleich im Gesicht und bekam einen Wutanfall. „Was ist los,“ fragte Herr Machtnix. „Ich wurde gerade gekündigt mit der Begründung dass der Chef mich aus Kostengründen nicht mehr beschäftigen kann,“antwortete Klara geschockt. Während des Aufenthalts in der Rehaklinik, traf Klara den Rollstuhlfahrer wieder, mit dem sie vor ihrem Unfall im Streit geraten war. Er teilte ihr mit dass er von nun an ihr Betreuer für die Behördenangelegenheiten ist und dass er sie von nun an in ihr neues Leben begleiten wird.
Zunächst begleitete der Rollstuhlfahrer Klara zum Versorgungsamt, damit Klara ihren Antrag für den Schwerbehindertenausweis stellen konnte. Als sie zum Parkplatz kam, stellte Klara fest, dass der einzige Behindertenparkplatz besetzt war und fing an zu schimpfen. Der Rollstuhlfahrer blieb mittlerweile gelassen und musste laut lachen. „Was regen Sie sich den so auf, es gibt doch soviel andere Parkplätze, das war damals ihr Spruch,“erinnerte der Rollstuhlfahrer an das Gespräch vor dem Unfall am Behindertenparkplatz.
„Aber die anderen Parkplätze sind zu schmal und da können wir ja gar nicht aussteigen,“entgegnete Klara wutentbrannt.
„Verstehen sie jetzt warum ich mich damals so aufgeregt habe?“
„Ok, daran habe ich damals nicht gedacht und ich entschuldige mich auch nochmals bei Ihnen, sie haben völlig recht.“
Nachdem der Antrag mit allen erforderlichen Nachweisen abgegeben wurde, ging es weiter. Der Antrag auf EU-Rente wurde mehrfach abgelehnt und so verschwand das Vermögen, welches sie vorher anhäufte. Klaras Kinder hatten sich vor Angst vor ihren ständigen Wutanfällen abgewendet und wollten nichts mehr mit ihr zu tun haben. Herr Machtnix war mit Klaras neue Lebenssituation komplett überfordert und reichte nach dem Trennungsjahr die Scheidung ein. Als Klaras Freunde gemerkt haben dass ihr Vermögen komplett aufgebraucht war, wandten sie sich ebenfalls von ihr ab und wollten nichts mehr mit Klara zu tun haben. Nur der Rollstuhlfahrer ist Klara noch geblieben. Nach vier Wochen bekam Klara ihren Schwerbehindertenausweis und den Feststellungsbescheid für den Schwerbehindertenausweis.
Klara stellte einen Harzt-4 Antrag, der erst beim zweiten Widerspruch bewilligt wurde und schrieb hunderte oder tausende von Bewerbungen. Es hagelte Absage nach der anderen und Klaras Selbstvertrauen verschwand mit jeder Absage. „Siehst du Klara, so erging es mir auch immer, erinnerst du dich an meine Worte damals? Aber wenn du glaubst das du den Kopf in den Sand stecken kannst, bist du auf dem falschen Weg. Aufgeben kommt nicht in Frage, weil dann lernen die Behörden; dass sie mit dir alles machen können,“ sagte der Rollstuhlfahrer Herbert. Inzwischen sind Klara und Herbert gute Freunde geworden und Herbert blieb weiterhin an Klaras Seite. Ständig bekam sie vom Jobcenter den Spruch zu hören, dass sie arbeitsfaul wäre, bis man sie schließlich an das Sozialamt verwies, damit sie einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei voller Erwerbsminderung stellen sollte. Der Antrag wurde erst nach dem dritten Widerspruch bewilligt.
Den Antrag auf Anerkennung für einen Pflegegrad musste sie beim Sozialgericht einklagen, bis er nach dem Urteilsspruch bewilligt wurde. Immer wieder bekam Klara die selben Sprüche und Bemerkungen zu hören, die sie vorher selbst gegenüber anderen Menschen geäußert hatte. Nach dreißig Jahren starb Klara völlig verarmt und verwahrlost in einem Pflegeheim, weil eine Pflegekraft ihre Medikamente verwechselt hatte.