Veröffentlicht: 24.08.2019. Rubrik: Unsortiert
Inspiration
Inmitten von Grün und dem Geräusch rauschender Blätter, alle fünfzehn Minuten von einem Glockenschlag unterbrochen. Ungewohnt kühl für diese Jahreszeit, fühlte sich der Wind an, der an seinen Armen vorbeizog.
'Was braucht ein guter Text?' dachte er. 'Was sind die Zutaten für einen guten Text?'
Die richtige Atmosphäre? Das richtige Thema richtig dargestellt? “Schreiben ist leicht, man muss nur die falschen Wörter weglassen.“ ein Zitat von Mark Twain, dessen Bücher er allerdings nur vom Namen kannte.
Eine solide Vorbildung. Erfahrungen mit Literatur. Er hatte viel zu wenig davon, um einen guten Text überhaupt zu erkennen, dachte er. Er könne keine tiefgründigen Diskussionen über Hemingway führen, kein Lieblingswerk von Kafka aufzählen und Steppenwolf war für ihn in erster Linie eine Rockband.
Bedarf es Vorkenntnisse?
Es knisterte leise, als er sich eine Zigarette anzündete. 'Mit dem Rauchen aufzuhören war nie ein Problem, doch ich will nicht' sagte er sich jedes mal, wenn er seinen Herzschlag heftiger spürte und seine Pulsadern rhythmisch hüpfen sah.
Jeder kann schreiben. Jeder kann Texte schreiben. Aber was macht einen guten Text aus? Was ist überhaupt gut?
Für ihn war ein Text gut, wenn man mit all seinen Sinnen eine neue Welt betrat. Die Umgebung spürte, sich in die Personen fühlen und Empathien entwickeln konnte. Ein tieferer Sinn. 'Und alles schön stringent,' Er mimte gedanklich seine alte Deutschlehrerin mit diesem Satz und lächelte. Sie würde ihn verachtend anschauen, würde sie nur ahnen, dass er Texte schreibt. Diese Arroganz und Selbstüberschätzung gewährte sie nur den Profis. Jedoch niemandem, der nicht einmal ein Gedicht von Heine nicht richtig interpretieren konnte.
Zum vierten Mal hört er die Kirchglocke.
Seine Gedanken drehten sich im Kreis. Durchatmen. Er blickte durch die Gegend.
Der schmale Schotterweg durchzog eher willkürlich den kleinen Park. Er führte um einen Brunnen, zog vorbei an einigen Bäumen und umschloss am Ende der Anlage einen Teich, auf dem ein friedliches Zusammenleben von Enten und Libellen vorherrschte. Künstlich angelegter Frieden.
Sein Blick suchte verzweifelt nach Inspiration. Irgendeiner Lösung, für die Frage, die auf seiner Seele brannte, als hinge sein Leben davon ab. Die Antwort auf die Frage, was ein guter Text braucht. Er hoffte auf einen kleinen Funken, irgendwas, was ihm helfen würde.
Der fünfte Glockenschlag.
Hoffnungslos steckte er seinen Kugelschreiber wieder in seine Brusttasche und klappte sein kleines, mit Leder überzogenes Notizbuch zu. Er atmete resigniert durch.
Schritte waren im Schotter des kleinen Weges zu hören.
Sie stellte sich vor ihn und streckte ihm ihre Hand voller Tatendrang entgegen. "Habs geschafft. Kommst du?"
Er war noch völlig überfordert vom Strahlen ihrer Augen. Eine tiefe Wärme ging von ihrem liebevollen Lächeln aus. "Was hast du in der Zeit schönes gemacht?" der verspielte Klang in ihrer Stimme brachte ihn zum lächeln.
"Inspiration gesucht." sagte er zuversichtlich.
"Für dein Buch? Und hast du auch welche gefunden?"
Er stand von der Bank auf, schaute tief in ihre blau-grünen während er ihre Hand nahm und freudestrahlend sagte: "Hab ich."
Der Schotter knirschte wie Schnee unter ihren Füßen, die Blätter rauschten im Wind. Über den Teich zogen an vielen Entenfamilien vorbei, zwei Libellen.