Veröffentlicht: 28.04.2025. Rubrik: Menschliches
*Schachmatt - 2.Teil
[Meine Scheidungsgeschichte als Schachspiel erzählt]
Dass er ein Alkoholiker war, das wusste ich längst. Endlich kam Bewegung in unsere tragische Geschichte, in unserem Schachspiel setzte dagegen eine Denkpause ein.
Seine Ärzte und Therapeuten glaubten an ihre großen Fähigkeiten, beteuerten, es werde ab jetzt alles gut; denn ausschließlich der Alkohol sei unser Feind, nicht das arme, bedauerliche Mannsbild. Oh, schon wieder konnte er sich in Mitleid suhlen, wir Angehörige bekamen keines. Wir sollten zuversichtlich sein, darüber hinweg schauen, was passiert war, ihm einen neuen Anfang bereiten.
Infolgedessen gewann das angefangene Brettspiel just an Tempo. Wir setzten so hastig, wie verstört Zug auf Zug, dem Königsspiel schlichtwegs unwürdig.
Selbstverständlich ist er rückfällig geworden. Geweigert hat er sich, noch einmal in den strengen Entzug zu gehen, wie es sonst üblich ist. Seine Versuche, wieder arbeiten zu gehen, scheiterten genauso kläglich. Zuletzt hat er in einer Brauerei angefangen zu arbeiten, wo er dann in die Abfüllmaschine gefallen ist, vor lauter Suff. In einer Brauerei, man stelle sich vor!
Heimliche Alkohol-Verstecke hatte er angelegt. Ob im Garten, unterm Efeu hinterm Haus, oder in der Röhre des im Gartenhäuschen abgestellten Kohleherds, noch Jahre danach haben wir seinen heißgeliebten Himbeergeist aufgestöbert. Ein Spielfilm im Kino ist nichts dagegen, Jumanji nichts gegen unser 'Räuberschach'!
Als ich gewahr geworden bin, dass sich unsere Situation nicht gebessert hatte, dass sie zwar anders, aber schlimmer geworden war, habe ich tief durchgeatmet und mich auf die Macht der Königin besonnen. Endlich bin ich zum Rechtsanwalt gepilgert. Zum Glück war mein Noch-Ehemann in dieser Zeit soweit ausgenüchtert! Denn andernfalls hätte er die Spielregeln nicht eingehalten; er hätte es sich sonst niemals gefallen lassen, schachmatt gesetzt zu werden.
Zu guter Letzt haben wir uns einvernehmlich scheiden lassen, diese unsere letzte Partie habe ich gewonnen.

