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geschrieben 2020 von Leon Kahle (Leon Kahle).
Veröffentlicht: 08.04.2025. Rubrik: Fantastisches


Tatius

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PROLOG

Dort steh ich nun. In einsamer Stille – verlassen und in eisiger Dunkelheit. Als gebrochener und alter Mann lebe ich meine letzten Stunden, am Fenster stehend betrachte ich den Regen, wie er das einst besiedelte Land tränkt. Prasselnd trifft er auch auf mein Dach, hoch oben im alten gemauerten Turm. Frische Luft dringt durch das offene Fenster hinein. An dem stehe ich nun und blicke mit der Gewissheit in die Ferne, dass es außer mir keinen mehr auf der Welt gibt.
Einige Tropfen springen mir spottend ins Gesicht, und rinnen in den tiefen alten Furchen meines Gesichts hinab, bis in den weißen langen Bart.
Mit schwerem Herzen und schmerzenden Gliedern beginne ich dies hier zu schreiben, denn auch ich werde nicht mehr lange zu leben haben. Mephisto ist bereits auf dem Weg, um mich in die ewigen Abgründe der Vergessenheit zu zerren. Doch bevor er ankommt, bei meinem Heim, dem Turm einer einst mächtigen Burg, so nutze ich die Zeit, damit unsere Zivilisation nicht in Vergessenheit geraten mag, sondern als warnendes Beispiel für alle anderen Lebewesen in unserem Universum erhalten bleibt.
In den alten und heiligen Hieroglyphen schreibe ich mit pechschwarzer Tinte diese Zeilen, um zu erinnern, an unsere mächtige und wohlhabende und gebildete Zivilisation, an unsere Pharaonen und gewählten Vertreter des Königreichs, doch will ich auch warnen, vor unsere gespaltenen und verfeindeten Gesellschaft, zerbrochen in drei Fragmente, das Königreich des Akademismus, der Wissenschaft und Technik, die Vereinigung des Kreativismus, der Verkörperung des Gefühls, der Liebe, der Kunst, dem Sinn der Schönheit und der Menschlichkeit. Das dritte Reich gehört all denen die ausgestoßen wurden, sie müssen abseits in Armut und Schmerz leben. Jedes Reich hatte etwas am anderen auszusetzen, daher lebten sie stets voneinander getrennt, abgeschottet, gefangen in ihrem Reich und erfüllt von Hass und Abscheu – das wird unseren Untergang bedeuten, uns in den Ruin treiben, in die völlige Auslöschung.

Die Sonne schien wunderschön
An jenem Sommermorgen.
Sie entfachte ferne Bergeshöhen
Und vertrieb mir all meine Sorgen.

Ich fürchtete mich davor,
Denn mein Leben wird entschieden
Ob Glück, oder Leid mir zugeschrieben
War mir nicht bekannt zuvor.

Ich, Tatius, noch so jungen Alters,
Voll Energie wie die eines Falters,
Doch leide ich an tiefen Schmerzen,
Wegen dem Konflikt in meinem Herzen.

Was wird in Zukunft geschehen,
Wenn ich nicht den scharfen Geist
Der mächt´gen Logik werde verstehen,
Stattdessen das Gefühl – was es mir verheißt?

Das Gewühl, das Hoch, das Tief
Mich im Innersten kreieren,
Tief in meiner Seele fesseln.
Auf keinen Fall darf ich das Verlieren!

O! wehe mir! Wie geschieht mir!
Plötzlich so kalt? Nur mir? Und dir?
Habt doch Erbarmen, Sir!
Wenn ich die Logik verlier - -!

Er sprach: Mein Junge, deine Angst,
Deine Gefühle wirst du bald los.
In der Logik wirst du riesengroß,
So wie du einst, als Kindlein sangst!

Erleichtert ging ich heim,
Freute mich insgeheim
Und schrie vor Freude
In meinem Gebäude.

Mit den Akademikern werde ich verwandt,
Teil des Akademismus,
Leider ein Feind des Kreativismus;
Der Ästhetik, Schönheit und Liebe abgewandt.

Die Freiheit würde mir geraubt,
Das hätte ich nie geglaubt,
Denn allzu gerne verneine ich,
Logik jedoch allein hinderte mich.

In nicht allzu ferner Zukunft würde mich der Krieg, der Hass und die Verachtung der drei Reiche einholen. Noch ist Frieden, doch zu fragil, um Bestand zu haben – jetzt, in ebendiesem Moment, noch in Gedanken versunken, über einem Lehrbuch brütend, da traf der Bote des Unheils ein – seine Botschaft würde die Welt zum Einsturz bringen. Auf dem Platz vor der Bibliothek, in der ich saß und lernte, verkündete er die Botschaft.

„Akademiker – euch sei gesagt,
Dass der Friede eingestürzt;
Der Sir spricht: „Bürger – nicht verzagt!
Kreativisten haben den Frieden verkürzt!

Deren albernes, stupides Reden
Werden wir mit Logik besiegen.
Vor Scham und Verlust werden sie sich beugen;
All ihre Stimmen werden schmerzlich beben.

Mit all ihren unhaltbaren Theorien,
Deren sie sich bedienen,
die sie ohne Fakten erheben!
So sie ihren Intellekt verziehen!

Ihre haarsträubende Organisation!
Ihre Gefühle füreinander!
Ihre verkümmerte Konzentration!
Es wird sie im Krieg ruinieren.

Bleibt dem Gesetz treu!
Die Bürokratie euch freu!
Den Krieg wir gewinnen –
Unsere Feinde zerrinnen.

Bei den Kreativisten wurde der Kriegsausbruch auch lautstark verkündet, doch ein anderes Bild wurde gezeichnet, so konnte ich es in den alten Aufzeichnungen lesen.

„Euer Pharao spricht zu euch allen, zu all euch ehrenwerte Bürger. Die kreativistische Regierung hat schreckliche Nachrichten erhalten, denn der akademische Staat führt Experimente durch, die völlig und ohne Ausnahme unmoralisch und grausam sind.
Unsere Aufgabe, als Verehrer der Menschenwürde, in Bescheidenheit lebende, wir, die Ignoranz und Arroganz verwerfen, um an ihrer statt die Schönheit, Liebe und Freiheit zu setzen, wir, die unser Innerstes durch die Philosophie erforschen, ja, meine Freunde, wir werden uns wehren, wir werden diese Abscheulichkeit der Akademiker nicht dulden.
Es ist bedauerlich, doch wahr, der einzige Weg – wir müssen für unsere Werte kämpfen – Krieg! Es ist Krieg, meine Freunde, doch wofür er gekämpft wird, ist der Preis, der bezahlt werden muss, absolut gerechtfertigt.
Bleibt froh und lebt in Frieden!“

Es dauerte nicht lange
Und die einst schönen Hänge
Brannten lichterloh rot.
Flammen brachten viel Tod.

Nach vielen Jahren der Schlacht
Ward noch immer nichts vollbracht,
Außer Tod, Armut und Hunger,
Vielen Tränen und Kummer.

Die Felder wurden Rubin.
Glänzend schwebte der Nebel,
Wie heilige, brennende Cherubin,
Über dem Boden, wie Säbel.

In diesen Zeiten verschrieb ich mich der Mathematik, der Macht, der Reinheit und den Freuden derselben. Mit ihrer Hilfe konnte ich in die Tiefen der menschlichen Vernunft eintauchen, Gedanken in eine Sprache übersetzen, die unvorstellbar schönanzusehen waren.
Meine Arbeit als 30-jähriger Mathematiker brachte mir oft nichts als Schwierigkeiten, da ich mit meiner Arbeit viele Logiker verärgerte, denn meine Arbeit war wunderschön – sie war Kunst!
Inmitten des Krieges wurde ich verurteilt, in einen Turm gesperrt, um nicht die Reinheit der Gedanken des fragilen akademischen Staats zu gefährden. Dort, in der luftigen Höhe des Turms der Burg, würde ich mein restliches Leben verbringen, gänzlich der Macht der Vernunft verschrieben. Nach und nach, wurde mein Innerstes nicht mehr allein von Logik und Rationalität bestimmt, sondern durchdrungen von Gefühlen und der Kunst des menschlichen Geistes.

Von meinem Gefängnis
Sah ich unter mir die Bedrängnis,
Die Proteste der Bürger –
Darunter auch Krieger.

Der Sir war hart,
Mittlerweile samt struppigem Bart;
Jeder wollte den Krieg beenden,
Anstatt elendig zu verenden.

Friede – Friede – Friede!
Jeder wollte zurück die Liebe
Auf beiden Seiten,
So sollten die Führer leiten,

Doch kein Mächtiger wollte nachgeben,
Anscheinend auch nicht leben.
Wie hoch war der Preis?
Die Menschlichkeit ward auf Eis.

Sie starben wie die Fliegen
Und blieben starr und kalt liegen.
Erst lebten noch hundertdrei,
Später nur noch zwei.

Mein Freund Octavus starb durch sein hohes Alter. Nun war ich allein, der letzte am Leben, an demselben Ort, an dem die Geschichte begann.
Unser Versagen als Zivilisation soll anderen eine Lehre sein. Ich wünsche mir von ganzem Herzen, dass sie nicht zerbersten mögen, so wie wir; sie sollen leben und fortbestehen; sie sollen Hürden meistern, an denen wir gescheitert sind.
Der Regen hörte auf, die Sonne neigt sich dem Horizont entgegen, die Landschaft zieht lange schwarze Schatten. Kalte feuchte Luft strömt mir entgegen, dadurch hebt sich der Schleier meines Geistes – er wird klar.
Am Horizont taucht mein Gegenspieler auf; der Überbringer des Endes.
Lieber Leser, hier muss ich mich verabschieden, denn Mephisto marschiert bereits mit seinem schweren roten Umhang und massivem goldenen Rubinring die Stufen zu mir hinauf.
Es ist so weit. Er ist hier.
Lebt wohl und in Frieden.
Tat…

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