Veröffentlicht: 30.11.2024. Rubrik: Märchenhaftes
Im Schneesturm um die Welt
Der Weihnachtsmann klopfte genervt auf das Display seines Navigationsgerätes, das ihn jetzt schon zum dritten Mal zurück zum Nordpol schickte. Am meisten ärgerte er sich dabei über sich selbst, weil er zum günstigsten Gerät aus dem Sonderangebot „Made in Pusemuckel“, gegriffen hatte, anstatt zum Test-Sieger aus dem Land „Made aus, wo langsam alles den Bach runter geht“, das im Testzyklus eigentlich mit Abstand am besten bewertet wurde. Doch seit ihm die Spesen aus Einsparungsmaßnahmen gekürzt wurden, agierte er jetzt wohl zu kostenbewusst beim Auswählen seines Equipments. Das rächte sich augenblicklich.
Man sah in dem Schneesturm die Hand vor Augen nicht, und seit Rudolph das Rentier endlich in Rente gehen durfte, griff er auf Leih-Rentiere von Galaxy-Ren zurück, da eine Anschaffung eines neuen Rentieres ihm zu kostspielig erschien. Das Tier war zwar sehr umgänglich, fraß dem Weihnachtsmann aber die Haare vom Kopf und war auch nur halb so schnell, wie Rudolph, selbst an seinen betagtesten Tagen. Das Schlimmste war aber, dass das Tier sich als nicht ortskundig herausstellte und ständig nach dem Weg fragte.
Das roch nach Überstunden und nicht nur das, denn die Tonnen von Futter, die das Rentier verschlang, suchten sich regelmäßig in gasförmiger Form, den Weg aus dem Auspuff des Tieres. Das Rentier war weder mit Kat noch Gasfilter ausgestattet, da der Weihnachtsmann auch hier auf die Kostenbremse drückte. Sehr zum Leidwesen seines Riechorgans und seiner Berufskleidung. „Aber alles Klagen hilft nichts“, dachte er bei sich, „da muss ich jetzt durch!“ Mit angewidert verzogenem Gesicht, versuchte er den Weg zu finden. Früher wäre das kein Problem gewesen, aber seitdem die moderne Technik in seinen Alltag Einzug hielt, vergaß er die Reiserouten Jahr für Jahr mehr und bei so einem Wetter ging dann nichts mehr.
Mit einer Hand den Schlitten lenkend, schrieb er eine SMS an den Navigationsgerätesupport: „Mayday, Mayday, hier der Weihnachtsmann, mein Gerät zeigt dauernd die falsche Route! Brauche dringend online Unterstützung, sonst finde ich den Weg nicht und die Kinder bleiben ohne Geschenke!“ Gebannt starrte er auf sein Smartphone, aber nichts tat sich. Jetzt fiel ihm wieder ein, dass er auch den günstigsten Handy-Tarif, mit dem am schlechtesten ausgebauten Mobilfunknetz auswählte, als wieder mal ein Tarif-Wechsel anstand. So langsam begriff er, dass er am falschen Ende sparte und er diese Saison unter dem Strich sicher draufzahlen würde.
Zu seiner Freude erblickte er zehn Minuten später zwei Balken auf dem Display und dass seine SMS verschickt wurde, aber trotzdem erhielt er noch keine Antwort vom Support. Dabei hatte er hier nicht gespart und die 24 Stunden Online-Support Option gebucht, obwohl diese nicht viel taugte, wenn man kein Telefonnetz erreichte. Er versuchte es direkt noch einmal, da die SMS-Funktion kostenlos war: „Mayday, Mayday, hier der Weihnachtsmann, mein Gerät zeigt dauernd die falsche Route! Brauche dringend online Unterstützung, sonst finde ich den Weg nicht und die Kinder bleiben ohne Geschenke!“
Weitere zehn Minuten später und immer noch keine Antwort. So langsam kochte es unter des Weihnachtsmannes Mütze und es folgte erneut eine SMS: „Mayday, Mayday, hier der Weihnachtsmann, wenn ich nicht sofort Support erhalte, gibt‘s was mit der Rute. Aber ordentlich!“ Diesmal dauerte es keine zwei Minuten und er empfing eine Antwort SMS: „Hallo Weihnachtsmann, hier der Kaiser von China, war gerade in der Mittagspause! Problemlösung: Das Gerät bitte einpacken und gut warmhalten, es funktioniert nur über null Grad zuverlässig, nach dem Aufwärmen das Signal per Bluetooth aufs Smartphone schicken, dann sollte es gehen!“
Völlig aufgelöst vor Wut, wollte der Weihnachtsmann schon den Schlitten wenden und Richtung Pusemuckel steuern, um dem Supporter ordentlich eines überzuziehen. Doch er entschied sich schnell um und befolgte den Ratschlag des unverschämten Supportmitarbeiters, denn sollten die Kinder ihre Geschenke zu spät bekommen, nur wegen eines so ungehobelten Lümmels? Nein, das durfte nicht sein und so brüllte er dem Rentier die neue Route entgegen und schrieb sich dann schnell eine Notiz in sein Smartphone:
„Spare niemals mehr an dem Equipment, womit du dein Geld verdienst, alter Dösbaddel!“
Von seiner eigenen Einsicht zufrieden gestimmt, kuschelte er sich unter seine warme Schlittendecke und nahm sich fest vor, bei der nächsten Pause dem Rentier eine extra Ration Futter zu spendieren. Nie wieder sollte einer seiner Mitarbeiter leiden, nur weil er die falschen Entscheidungen traf, dann könnte er ja auch direkt Manager bei VW werden. Er nahm sich noch einen Keks aus der Vorratsdose und summte leise „Stille Nacht, Heilige Nacht“, bevor er im Schneesturm vollends verschwand.