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1xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von VerzweifelterAutor.
Veröffentlicht: 05.11.2024. Rubrik: Menschliches


Die Waffe ,, Warum?"

Das grelle Licht und der penetrante Geruch des Cafes war mir gewohnt. Schließlich ging ich hier jede Woche hin, um mich mit Wiebke Friedbacher zu treffen. So ungerne ich wollte. Aber meine Mutter zwang mich jede Woche erneut dazu, Wiebke Friedbacher sei ein "guter Einfluss".
Wir saßen uns gegenüber und schwiegen einander an. Ich war froh, sie endlich still sein zu hören. Üblicherweise sprach sie über irgendwelche religiösen Redewendungen, die ich weder verstand, noch glaubte. Aber gerade verschlung sie den Kuchen, den sie bestellt hatte. Ein köstlich aussehendes, frisch gebackenes, süßlich riechendes Stück Apfel und Zwetschgentorte aß sie genüsslich und zufrieden. Ich selber hatte ein Stück cremiger Schokoladentorte, welches mir im Mund schmelzend zerfloss.
"Na, Lena?", unterbrach sie meinen Gedankenfluss.
"Hm?", ich schaute hoch.
"Na erzähl mal. Du hast doch sicher einen Freund!"
Ich sagte ihr, wie es war.
"Nein, Wiebke. Ich habe keinen Freund." Ich wollte unbedingt vom Thema ablenken. Es stimmte zwar, ich hatte keinen Freund, aber das machte die Frage nicht weniger unangenehm. Weil gleich würde sie fragen, was denn mit meinem Kumpel Jürgen sei. In drei, zwei, eins...
"Was ist mit diesem Jürgen? Er ist doch immer so nett zu dir. Ihr zwei würdet wirklich gut zusammenpassen!"
"Wir sind befreundet."
"Ach Lena, du weißt doch, solche Mädchen-Jungs-Freundschaften enden doch immer mit herumgeknutsche. Irgendwann ist es soweit!"
Nein.
"Also, nicht die hier."
"Ach komm, gib nicht die Hoffnung auf. Irgendwann findet ihr zueinander, und dann wirst du mir dankbar sein, dass ich euch zusammengebracht habe! Aber denkt daran, mich zu eurer Hochzeit einzuladen!"
Ich wurde ungeduldig.
"Wiebke! Jürgen hat einen Freund!"
Man sah ihren Schock im Gesicht an, auch als sie versuchte, ihn zu verstecken. Ich genoss es sehr, das Schweigen. Wiebke suchte offensichtlich eifrig nach Wörtern.
"A-achso. Verstehe."
Sie klang angeekelt und sah auch so aus. Gleich würde die weit befürchtete Aussage erläuten...
"Also, ich habe ja nichts gegen Schwule, aber-"
"Was, aber?" Ich versuchte, so ruhig wie möglich zu klingen.
"Die sind... so... schwul..."
Hörte ich gescheit?! Ich verkniff mir ein Lachen.
"Und ich wäre persönlich auch nicht mit einem befreundet."
Sie trieb sich also durch ihre eigenen Wörter in die Irre.
Ich konnte ihre Intoleranz nicht länger ertragen. Doch ich hatte eine Waffe.
"Warum?"
"Also. Äh... weil... also sie sind... und ich, ich meine... wir wären... ähm..."
"Ja?", sagte ich gefälscht erwartungsvoll.
Sie stotterte. "Äh... ja also... ähm..."
"Was haben Schwule dir je getan? Gabs ein traumatisches Ereignis, welches dich von der Tatsache abschreckt, mit einem befreundet zu sein? Hat man dir wehgetan?"
Ich bemerkte, wie ein Schweißtropfen ihre Stirn herunterrollte.
"Wurdest du beleidigt? Erniedrigt? Entmenschlicht?"
Wiebke blickte suchend um sich.
"Wünscht du dir nicht eine Welt, in der du nicht für deine Vorlieben und Lebenswege verurteilt, verletzt, bedroht wirst?"
"Also... die Sache ist-"
"Erzähle mir. Was begrenzt dich? Was genau macht dich hier... zum Opfer?"
"Nein, nein, also, das meine ich nicht so-"
Ich hörte gerne ihrer Suche nach Füllwörtern zu. Es war so herrlich entlastend.
"Wiebke Friedbacher. Was belastet dich?"
"Also- ähm- es- Iiegt einfach nicht- u- und die Kinder, ich meine- wenn sie- das ist doch vollkommen unnatürlich-"
"Du möchtest nicht mit einem Schwulen befreundet sein? In Ordnung. Aber kannst du mir sagen, warum?"
Sie wimmerte. "W-warum? Äh-"
"Warum. W-A-R-U-M. Kannst du mir das vielleicht sagen, Wiebke Friedbacher?"
Jetzt schwieg sie und blickte nervös herum.
"Wiebke!", ich schnippste ihr ins Gesicht, als würde ich sie wecken. "Warum wärst du nicht mit einem schwulen Mann befreundet?"
Ich genoss meine Kraft und meine Autorität. Nie hatte ich mich so mächtig gesehen. Es war, aber hätte ich Zugriff auf ihre Gedanken. Und als könnte ich sie kontrollieren. Als sei ich Auslöser ihrer Verlegenheit.
Sie stotterte weiterhin. Ihre blau-grünen Augen wurden sichtbar feucht. Ich trieb sie an ihre Grenzen. Man sah ihr an, dass sie am Iiebsten schreiend, weinend herausrennen würde. Ich packte ihre Schulter und starrte ihr tief in diese Augen. "Wiebke. Friedbacher. Warum. Wärst du nicht. Mit einem schwulen Mann. Befreundet? Gib mir einen Grund an, Wiebke."
Wiebkes Atmen wurde schwerer. Ich glaube, es ginge schwerer nicht, denn es wurde seit Anfang meiner Konfrontation progressiv schwerer. Ich blickte ihr tief in die Augen. Schmunzelte. Sie wollte wegschauen, konnte aber meinen Blick nicht verlieren.
"Erzähl mir, Wiebke. Warum weigerst du dich denn davor? Vor Freundschaft? Vor Freundschaft mit so vielen, unterschiedlichen Leuten? Sag mir doch, liebe Wiebke. Warum?"
"Grüß Gott, kann ich sonst noch etwas für Sie holen?", erklang die Stimme der Kellnerin. "Für mich nicht, danke.", trillerte ich höflich.
"Für- für mich auch nicht, danke. Wir würden gerne zahlen."
Wiebke schien froh zu sein, dass die Spannung abgenommen hatte. Wir zahlten, standen auf und zogen unsere Jacken über. Als wir die Einrichtung verließen, warf Wiebke mir einen wütenden Blick zu. Ich konnte nicht anders, als frech zurückzulächeln.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Kargut am 06.11.2024:
Kommentar gern gelesen.
Dieses Duckmaeusertum vieler Menschen widert mich an. Alles gut, aber ... Und dann nicht genug Rückgrad oder Hirn haben, um den Satz zuende zu sprechen.
Tolle Geschichte. Liebe Grüße
Kargut

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