Veröffentlicht: 31.10.2024. Rubrik: Satirisches
Camping, Bewegung oder Zeitgeist
Camping,Bewegung oder Zeitgeist?
Die Erste aller reisenden Urlaubsformen nach dem ersten Weltkrieg konnte sich zaghaft entwickeln, nachdem gesetzlicher Urlaubsanspruch für Arbeitnehmer festgeschrieben war. Die eigentliche Campingwelle aber, setzte erst nach dem zweiten Weltkrieg ein. Jetzt wurde nicht mehr einfach nur "gezeltet". Die wachsende Automobilisierung sorgt bis heute und nach Corona besonders, für den steilen Anstieg der Campingbewegung. Dabei hat der Trend hin zur Reiselust mit motorisierten "Hotelzimmern" heute die frühere Form der Wohnwagengespanne längst überholt. Es liegen Statistiken vor, nachdem alleine deutsche Mobilurlauber in 2023 mehr als 18 Milliarden Euro berappt haben. Alleine für Campingfahrzeuge.
Ich erinnere mich noch genau, wie ich als Junge im Grundschulalter in den Fünfzigern mit Pfadfindergruppen, auf einem selbst restaurierten Fahrrad das erste Mal für ein paar Tage zum "Zelten" durfte. Damals war das noch ein richtiges Abenteuer. Da gab es kein gekauftes Zelt mit Reißverschluss und Teleskopstangen. So schwer bepackt, dass eine Tour von nur zehn Kilometern über mehr oder weniger ausgebaute Wege, mit dem Fahrrad ohne Gangschaltung schon ein Abenteuer für sich war.
Das "Campinggepäck" bestand aus gesammelten Planen, Schlafsäcken und Alugeschirr aus Armeebeständen. Luftmatratzen noch weitgehend unbekannt. Der "Zeltplatz", die Wiese an einem kleinen, klaren Bach, musste erst beim Bauern klar gemacht werden. Inklusive trockenem Stroh als Unterlage für ein Nachtlager. Dann ging es in den Busch, auf die Suche nach gerade gewachsenen Ästen, die zum Aufstellen der Planen geeignet waren. Karl May wäre stolz gewesen. Seine Anleitung zum Bau eines Wigwams in so perfekter Weise ausgeführt zu sehen. Ja, das waren Zeiten....
Nun trauern wir nicht den alten Zeiten nach. Genießen wir lieber den modernen "Komfort-Camping", schmunzeln über die Auswüchse und belächeln die zwangsläufig enthaltene Spießigkeit.
Dann schenken wir unser Mitleid all jenen, bedauernswerten Urlaubern, die in einem viel zu kleinen, teuren und zudem noch schlecht geputzten Hotelzimmer dem Traumstrand bis auf wenige Kilometer nahe gekommen sind. Wir haben bereits dort Platz bezogen, wo kein Hotelgast zutritt hat. Dem See so nahe, dass wir bald nach Sonnenuntergang völlig unbekleidet, und mit ein paar Schritten unbemerkt, das kühlende Nass erreichen können. Du armer Hotelurlauber packst deine sieben Badesachen zusammen, steigst in den Shuttle Bus, der dich zum Strand bringt. Neben dir zwängt sich ein nach Schweiß stinkender anderer Pauschaltourist auf den Sitz und nervt auf dem Weg zum überfüllten Strand mit seiner kompletten Lebensgeschichte. An der Strandhaltestelle angekommen, bahnst du dir durch eine schier undurchdringliche, Eis leckende Menschenmenge den Weg. Was dich dann erwartet, und wann du einen Handtuch großes Strandfleckchen gefunden hast, wage ich mir nicht vorzustellen.
Was? Das stimmt so nicht? Du bist ja in Begleitung deiner vierköpfigen Familie? Na Mahlzeit!
Derweil sitzen wir gemütlich, mit vollem Panoramablick auf den See, und lassen Ruhe einkehren.
Während du armer Hotelurlauber abends am überfüllten Büfett anstehen musst, haben wir längst den Grill angefeuert. Ein kaltes Bier geht immer, aber ohne Trinkgeld für den Kellner. Hast du diesen Tag endlich geschafft, möchtest du dein Haupt endlich zur Ruhe betten. Doch was ist das? Wie duftet denn das Kopfkissen? Du kennst das doch von deinen Dienstreisen. Da hast du dir doch immer ein eigenes Kopfkissen mitgenommen. Und warum nicht auch jetzt? Vertraust du etwa darauf, dass alle Bettutensilien in deinem Hotel regelmäßig gewaschen werden? Na träum weiter.
Derweil schlafen wir auf Matratzen und unter Bettdecken, die vor uns niemand sonst begast hat.
Spätestens die letzten Argumente sollten dich überzeugt haben, unserer Bewegung beizutreten.