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2xhab ich gern gelesen
geschrieben 2024 von Kargut (Kargut).
Veröffentlicht: 05.07.2024. Rubrik: Persönliches


Mein Lieblingsplatz

Mein Lieblingsplatz befindet sich in meinem Geburtsort, einem kleinen Dorf in Hessen, wo die Landschaft geprägt ist von üppigen Mischwäldern, Landwirtschaft und dem Lauf des Solmsbachs, der das Solmsbachtal bildet.
An der höchsten Stelle des Ortes stellt der Hochbehälter die Wasserversorgung der Bewohner sicher und lädt mit einer massiven Holzbank zum Verweilen ein. Als Stadtmensch suche ich diese Bank so oft wie möglich auf und sauge die Ruhe und gute Luft genüsslich ein. So ein Panorama kann mir keine Stadt der Welt bieten. Im Frühjahr sind es üppig grüne Wiesen, im Mai leuchtend gelbe Rapsfelder und im Juni gold schimmernde Getreidehalme, über die ich meine Blicke schweifen lasse. Im Spätherbst dominieren der dunkelbraune Boden der frisch gepflügten Äcker , das mystische Grau des Bodennebels und das leuchtende Farbenspiel des Herbstlaubs. Jede Zeit hat ihren eigenen Charme und lässt dieselbe Landschaft immer wieder anders erscheinen.
In meinem Lieblingssketch von Loriot sagt er:“ ich möchte einfach nur hier sitzen“ und ich fühle mich von diesen Worten sofort angesprochen. Einfach nur an meinem Lieblingsplatz sitzen ! Es klingt banal und gibt mir doch so viel. Zur Belohnung zeigt sich ein scheues Reh, das mich mit seinen großen Augen aus der Ferne beobachtet und ich überlege, ob auch der Rotmilan, der über mir seine Kreise zieht, Notiz von mir genommen hat. Wer weiß ! Bei den Feldhasen, die übermütig ihre Haken schlagen, bin ich mir sicher, dass sie mich ignorieren, ganz im Gegensatz zu einer Spaziergängerin, die bereits von Weitem ruft : „Ei das es jo die Kargut !“ Vorbei ist es mit der Ruhe, aber dafür bin ich innerhalb von nur wenigen Minuten auf dem aktuellen Stand, was das Dorfleben, Klatsch und Tratsch angeht. Hier bewahrheitet sich der Spruch: „ der liebe Gott weiß alles, die Nachbarn wissen mehr !“ was bei 900 Einwohnern auch keine Kunst ist.

Sobald ich wieder alleine bin, schaue ich schmunzelnd in die Ferne und spule beim Anblick einzelner Häuser Bilder und Geschichten aus vergangenen Tagen vor meinem inneren Auge ab. Es sind Bilder und Geschichten, die direkt mit den einzelnen Gebäuden verknüpft sind: wie der Schule, die ich 5 Jahre lang besuchte, dem Bahnhof, der seit 40 Jahren stillgelegt ist, der letzten Dorfwirtschaft, in der ich mit 16 Jahren mein Taschengeld aufbessern konnte, dem Lebensmittelgeschäft, das seit 1991 geschlossen ist und, und, und.

Zurück im Hier und Jetzt höre ich, wie die Dorfjugend auf dem Sportplatz ihre Mannschaft anfeuert und die Jubelschreie nach einem erfolgreichen Torschuss. Der Sportplatz ist weit weg, aber die trichterförmige Landschaft trägt jedes Geräusch in die höheren Lagen. So ist es auch mit den Kirchenglocken, deren Läuten man an meinem Lieblingsplatz wahrnimmt, als stünde man direkt vor dem alten Gotteshaus. Es sind nur kurze Unterbrechungen der Ruhe, die aber keinesfalls stören. Genauso wie das Wiehern, Muhen oder Blöken der Weidetiere in der näheren Umgebung.

Ein kleines Schild an dem Hochbehälter zeigt sein Baujahr, das auch gleichzeitig mein Geburtsjahr ist. Kann sein, dass dieses kleine Detail meinen Bezug zu diesem Ort noch intensiviert und ich bin mir sicher, es wird immer mein Lieblingsplatz bleiben.

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Kommentare zu dieser Kurzgeschichte

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geschrieben von Bad Letters am 05.07.2024:
Kommentar gern gelesen.
Klingt und liest sich sehr idyllisch Kargut, von der geschwätzigen Nachbarin und dem Kirchgeläut mal abgesehen.😉

MfG
Bad Letters





geschrieben von Gari Helwer am 08.07.2024:
Kommentar gern gelesen.
Wohl dem, der einen solchen Ort hat und ihn zu schätzen weiß!!! Lg

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