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1xhab ich gern gelesen
geschrieben von HanaLores.
Veröffentlicht: 16.05.2024. Rubrik: Unsortiert


Habitat II

Ein Junge betritt das Parkcafé 'bimmeling', schiebt die Kapuze etwas zurück. Sein Alter ist schwer zu schätzen, vielleicht 12 oder 13. Etwas zögernd geht er ein paar Schritte in den Raum und schaut sich gründlich um. Nachdem er auch den hinteren Teil gescannt hat, bleibt er eine Weile ratlos stehn. Langsam schlurft er zurück Richtung Ausgang.
Gerade, als der Junge den Ausgang betätigen will, spürt er, wie sich eilig jemand von hinten nähert. Etwas zuckt seine Schulter, vorsichtig dreht er sich um. Auf die Frage der Kellnerin nach seinem Anliegen hin senkt sich sein Blick, "Ja..ähem.. ich suche meine Mutter", seine flache Hand macht eine Geste in Hüfthöhe, "Die hat so einen großen zotteligen Hund dabei.. war sie vielleicht hier?"

Lügen ist eigentlich nicht so seins, doch hat er gelernt, dass es einen durchaus weiterbringen kann. Molly und Lil lassen ihn nicht los, er muss sie finden. Nach allem, was er mitbekommen hat, müssen die Ereignisse im Park wirklich dramatisch gewesen sein. Vieles spricht für die Vermutung, dass die beiden entkommen konnten. Er wäre so gerne bei ihnen, würde so gerne mit ihnen fliehen.
Er mustert die Kellnerin, ihr Zögern - sie weiß etwas. "Bitte... es ist wirklich wichtig, dass ich sie finde"

“Du kennst sie!”, seine Augen weiten sich, seine Schulter zuckt vor Aufregung, “Wann sind sie gegangen, hast du vielleicht gesehen in welche Richtung?”. Am liebsten würde er sich der Kellnerin freudig um den Hals werfen, was sich aber nicht gehört für einen Jungen in seinem Alter, außerdem scheint sie irgendwie misstrauisch zu sein.
“Was meinst du mit Kontaktdaten?”, er schaut auf das Schildchen an ihrem Kleid. “Ich bin Mats, wie heißt du?”
Lesley, ein schöner Name.. so um sieben Uhr.. hmm.. das ist nicht lange her.. sie hat länger mit ihr geredet, worüber wohl - ”Hat sie dir erzählt, was heute geschehen ist?”, fragt er vorsichtig und versucht seine Ungeduld zu verbergen.
Die Frage nach Handynummer und Adresse bereitet ihm sichtlich Unbehagen, zuck. Kurz hat er den Impuls ihr einfach zu erzählen, dass er weder lesen noch schreiben kann und auch keine richtige Adresse hat, und und und - immer diese Fragen nach Erklärungen. Sein Misstrauen gegenüber neugierigen Erwachsenen meldet sich, obwohl Lesley ihm gar nicht so alt erscheint. Was soll er denn jetzt sagen? - “Hab kein Händi, Lil auch nicht”, er weiß, dass es ungewöhnlich ist keines zu haben, schnell fügt er hinzu: “Wir wollten uns heute im Park treffen, hatten wir gestern fest abgemacht. Jetzt mach ich mir echt Sorgen, weil sie niemals eine Abmachung nicht einhalten würden und ich hab die Befürchtung sie könnten irgendwie dazu gezwungen sein, mich alleine zurückzulassen”. Ob das jetzt ein bisschen zu dramatisch vorgetragen war, überlegt Mats und hält Lesley fest im Blick.

“Du hast recht, ich sollte sie selbst fragen”, er betrachtet seine und Lesley’s Schuhe, “schön für dich, wenn du in einer Welt lebst in der Mamas so etwas nicht tun” sagt er leise und der Gedanke, den weiten Weg anzugehen um Molly und Lil in ihrem Waldversteck zu suchen, beginnt sich wieder breitzumachen. “Ist es ok, wenn ich mich da hinten eine Weile hinsetzte? Hab aber kein Geld um etwas zu bestellen..”. Ohne Lesleys Erwiederung abzuwarten, steuert Mats einen der hinteren Tische an, setzt sich, betrachtet das große Fenster zur Terrasse und überlegt, wie lange es wohl noch bis Tagesanbruch dauern mag.

Seine Wange auf dem Unterarm schläft Mats ein… er rennt los, hinab den steilen Weg. Die Landschaft öffnet sich, seine Schwingenarme ausgebreitet, gleitend über Berge und Täler, taucht ein in die klaren kalten Wasser und schwimmt mit den jungen Lachsen ins Meer hinaus. Sein Blick nach oben gerichtet, tanzende Sonnenstrahlen, schwerelos sinkend in unendliche Tiefen, gebettet in weichem Schlammgrund.

Es fällt mir schwer, den Jungen aufzuwecken.
Er ist so erschöpft, so voller Sorge, beinahe schon am Rand der Verzweiflung.

- eingehüllt in Wogen aus flauschigem Fell -
An lauten Orten zu schlafen ist nichts Besonderes für ihn.
- trommeln aus der Tiefe -
Opas Gartenhaus, sehr nahe an der Autobahn.
- opa ist schon lange tot -
Seine Schulter macht kreisende Bewegungen und fast rutscht er vom Stuhl.
- boum boum boum -

Mats blinzelt, hebt sein Haupt von der Tischplatte, versucht sich zu orientieren.
Verschwimmende Traumbilder von wohlig weichem Fell…
Er reibt sich die Augen und schaut sich um.
Ein feengleiches Wesen mit goldenem Haar in strahlendem Kranz aus Licht, den Blick tief wie das blaue Meer auf ihm ruhend.. erneut reibt er, mit festerem Druck. Die schillernde Erscheinung nickt ihm freundlich zu.
Von nicht weit her nimmt er an ihn gerichtete Worte wahr. Wo bin ich – ein drittes Mal muss er reiben, um besser sehen zu können. Ihm gegenüber sitzt ein Mann, sagt etwas.
“Ähem..tschuldigung.. wie bitte?”
Der seltsame Mann erwidert nichts. Diese Situation kommt Mats ziemlich unwirklich vor. Auf einmal fühlt er sich von allen Seiten beobachtet, ist sehr verunsichert, muss aufs Klo, draußen ist es noch dunkel, egal, er flieht ‘bimmeling’.

Es war die Fee aus Pinocchio, ist sich Mats sicher und blättert in Gedanken im Bilderbuch, einer frühen Kindheitserinnerung. Der Tag ist angebrochen, es ist kalt. Das Bündel mit den paar Sachen geschultert, lässt er die Stadt hinter sich. Die Schritte fallen leicht, es geht bergab und beinahe schwebt er dahin. Der Rhythmus des Gehens lässt ihn träumen, es ist nicht mehr weit. Davorn ist schon der Abhang, Geruch von Lagerfeuer liegt in der Luft. Sein Herz klopft wie wild, als er den steilen Trampelpfad hinunterrutscht...

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