Veröffentlicht: 02.05.2024. Rubrik: Aktionen
Unerwartete Begegnung {Mai-Aktion}
Meine Eltern unternahmen mit uns gerne Wanderungen und Tagestouren, meistens in die von meinem Vater heißgeliebten Berge, ins Voralpenland. Als wir Kinder älter wurden, mein Bruder und ich, ach was sag ich, von wegen älter, als wir soweit waren, dass wir pubertär ein wenig aufmüpfen konnten, forderten wir abwechslungsreichere Fahrten ins Hohe Gebirge, in richtige Höhen, wo keine Bäume mehr wuchsen.
Ab da wurde unser Bergsteigen interessanter. Einmal fanden wir rote Edelsteine im Fels, natürliche Granate, zufällige Splitter in einer Felsmure. Ein andermal trafen wir auf ein Hochmoor, das wir auf schwankenden Torfinseln durchquerten.
Schließlich besuchten wir auf unser Drängen eine tiefe Höhle. Wasserläufe rannen rauschend durch Felsspalten, sammelten sich in einem Becken in einem unterirdischen See. Die Taschenlampe leuchtete auf das Wasser, doch da huschte etwas vorbei, schlammfarben, etwas Graues, ein Viecherl, so ähnlich wie eine Eidechse. Obwohl es eilig versuchte, sich in einer Felsnische zu verstecken, konnten wir es kurz bestaunen. Es hatte keine Augen, war blind und, wie gesagt, geradezu farblos. Die Natur hatte tatsächlich ein mich unheimlich anmutendes Wesen in die Tiefen der Felsenhöhle verschlagen, verbannt: einen Grottenolm. Gerade wohl schien sich das unscheinbare Geschöpf zu fühlen, inmitten seiner der kalten, steinigen Umwelt. Immer noch verblüfft mich die Erinnerung an sein Erscheinen in diesem rauen, kalten, unwirtlichen Gebirgsinnern.