Veröffentlicht: 13.10.2023. Rubrik: Unsortiert
DER SCHLÜSSELBUND
Den Schlüssel auch einmal verloren und ...
zu Lesen in der neuesten Wochengeschichte und heute besonders wichtig im DREISATZROMAN SCHLèSSELSCHÜSEL
SCHLÜSSELBUND GEFUNDEN
‚Schlüsselbund gefunden. Bitte im Haus Nr. 12 melden.'
Diesen kleinen handgeschriebenen Hinweis sehe ich am Gartenzaun befestigt auf meinem morgendlichen Frühspaziergang, der meine Muskulatur in Schwung bringen soll. Denn gestern Abend, nein, Nacht haben einige Becher zu viel meinen Kehlenweg ganz ohne Navigationssystem oder künstliche Intelligenz gefunden. Greife automatisch in meine Hosentasche. Der Schlüsselbund ist dort jedoch fest mit meiner Gürtelschnalle verbunden. Doch wäre es möglich, dass ich in der Morgeneile den falschen Bund ergriffen habe? Denjenigen meiner geliebten Gattin? Na ja, nach einer solchen leicht (das ist das Pranomen) ertrunkenen Nacht ist beinahe alles denkbar.
Meine Vergesslichkeit-Synapsen raten mir, bei der Nummer 12 zu klingeln. Da bellen aber die Anstandshirnwindungen Alarm:
‚So früh am Morgen klingeln? Ein NoGo!‘
Wem nun soll ich folgen? Bin jetzt eine gespaltene Persönlichkeit.
‚To ring or not to ring?‘
Es obsiegt die Höflichkeit. Doch nur für exakt 255 Meter. Abrupter Stopp. Notbremsung. Das Totmannpedal der Vergesslichkeits-Gedanken hat diese ausgelöst. Rechtsumkehrt ertönt der innere Befehl des Bauchnabel-Steuersystems. Frage mich, weshalb nicht linksumkehrt? Schon wieder dieses menschliche Spaltungssyndrom. Drehe mich auf dem Absatz zuerst links, dann rechts jeweils um 180°. Ausgleich suchen, die Hauptaufgabe meines Lebenslaufs. Wiederum voll gelungen. Glückshormone durchfluten mich.
Stehe vor dem besagten Gartentor. Die Hausnummer verblasst. Nicht mehr lesbar. Bin trotz des mich begleitenden Katers überzeugt, vor der Schlüsselbundfundtür zu stehen.
Die Klingel — eine Papageienimitation in reinem 80 % Silber (dafür habe ich ein Auge) — starrt mich hämisch lächelnd an.
‚To be or not to be?‘
Erneut stellt sich die Frage, die mich beinahe zerreisst. Eine neue Notbremsung würde meine Psyche nicht mehr verkraften können. Also steuert der Nabel aller Dinge meinen rechten Zeigefinger in Angriffsposition. Wird vom Anstand zurückgehalten. Die linke Hand kommt ihm zu Hilfe. Schiebt den Finger trotz Anstandsladehemmung nach vorne. Er überwindet das ganze etepetete Anstand-Getue. Drückt heftig.
Da öffnet meine Gemahlin mit einem Fragezeichen über beiden Augenbrauen die Tür.
„Hast du den Schlüssel vergessen? Kein Wunder bei deinem Exzess gestern Nacht …“!
Und als Bonus ein weiterer DREISATZROMAN aus meiner Feder:
S C H L Ü S S E L S C H L Ü S S E L
Die Welt eine Schüssel
In der liegen allle Schlüssel
Zum Paradies und zum Inferno.
Das Schloss zu wählen
Dabei die Menschheit
Zahm zu zähmen
Erfunden nicht.
Trotz strahlend hellem
Alles erleuchtenden klaren
Schatten schluckenden Sonnenlicht.
Herzlichst
François Loeb
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